Schranken der Staatsgewalt

- Freiheitsforderungen der Kirche -
(Kirche zum Mitreden, 16.05.1999)


a) Die Kirche lehrt: Nur wer den römisch-katholischen Glauben besitzt, gehört der römisch-katholischen Kirche an.
b) Der Staat lehrt: Nur wer den römisch-katholischen Glauben ablehnt, gehört der römisch-katholischen Kirche an.
Folgerungen aus a):
Wir gehören der römisch-katholischen Kirche an.
Die V2-Sekte ist nicht die römisch-katholische Kirche.
Folgerungen aus b):
Wir gehören nicht der römisch-katholischen Kirche an.
Die V2-Sekte ist die römisch-katholische Kirche.

Wie leicht erkenntlich, besteht hier ein gewisser Konflikt zwischen den Positionen der Kirche und des Staates. Bisweilen wird uns vorgeworfen, daß wir das Staatsrecht anerkennen müßten, z.B. weil der Staat immer Recht hat, weil der Staat die Macht hat, die Annahme seiner Position zu erzwingen usw. Interessant ist auch die Behauptung, wir dürften vom Staat nicht verlangen, daß er eine richtige Aussage über die Kirche treffe, schließlich gehe es ja nicht um Theologie, sondern um Politik. Der Staat beanspruche ja gar nicht, die Angelegenheit beurteilen zu können - er beurteile überhaupt nicht, sondern er lege bloß fest, was katholisch ist. Jeder kann sich selbst ausmalen, wohin eine solche Auffassung führt, und da kann er wirklich jeden Bereich nehmen.
Wem die verschiedenen Texte zum Thema Kirche und Staat noch immer nicht genügen (s. z.B. Der Christ und die Volksgemeinschaft), findet hier die Ausführungen aus dem anerkannten Standardwerk E. Eichmann, K. Mörsdorf, Lehrbuch des Kirchenrechts, I. Band, München (10)1959, 66-68; Sperrdruck des Originals ist im folgenden unterstrichen:


Freiheitsforderungen der Kirche

Die Kirche hat eine unmittelbar göttliche Sendung und muß daher in Erfüllung ihrer Aufgaben von jeder menschlichen Macht frei und unabhängig sein. Sie fordert diese Freiheit vor allem für den Papst (c.218 §2) und sieht diese am besten verbürgt, wenn der Papst Völkerrechtssubjekt, d.i. souveräner Herr über ein wenn auch noch so kleines Gebiet ist, mit souveränem Gesandschaftsrecht (c. 265). Der Eintritt in die kirchliche Hierarchie erfolgt nicht durch Zustimmung oder Berufung von seiten des Volkes oder der Staatsgewalt, sondern durch göttliche oder kirchliche Sendung (c. 109). Die Kirche verträgt keine staatlichen Eingriffe in ihre Organisation (Errichtung und Umgrenzung von Kirchensprengeln, Errichtung, Veränderung und Besetzung von Kirchenämtern, cc. 147 195 215 217) und keine staatliche Einmischung in kirchliche Wahlen (cc. 166 2390); jedoch bleiben wohlerworbene, vor allem konkordatäre Rechte wie z. B. Präsentations- und Nominationsrechte (cc. 3 4 1471), selbst ein etwa bestehendes Volkswahlrecht bestehen (c. 1452). Eine eigenberechtigte und ausschließliche Hoheit beansprucht die Kirche über geistliche und mit geistlichen Dingen zusammenhängende Sachen, über die Verletzung kirchlicher Gesetze und anderer Gesetze, die in sündhafter Weise übertreten worden sind, hier jedoch nur zur Feststellung der Schuld und zur Verhängung kirchlicher Strafen, und in persönlicher Hinsicht für jene Personen, die sich des befreiten Gerichtsstandes erfreuen (c. 1553 § 1). In den sog. gemischten Sachen, für die Kirche und Staat in gleicher Weise zuständig sind, gilt das Prinzip der Prävention (§ 2). Bei der Zuständigkeit zur Verfolgung von Straftaten wird unterschieden zwischen der Verletzung eines Rechtsgutes, das nur vom kirchlichen oder nur vom staatlichen Strafrecht oder von beiden geschützt ist. Im ersten Falle ist allein die Kirche zuständig, im zweiten Falle, vorbehaltlich des befreiten Gerichtsstandes (c. 120), kraft eigenen Rechtes der Staat, im Hinblick auf die Sünde auch die Kirche, und im dritten Falle sind Kirche und Staat zuständig (c. 2198). Die Kirche hat hoheitliche Macht über alle ihre Glieder (c. 87) und beansprucht als angeborenes, eigenes und unabhängiges Recht die Befugnis, ihre Glieder in Strafe zu nehmen (c. 2214 § 1). Sie duldet keinerlei Einmischung des Staates in Sachen, die die Glaubenslehre, den Gottesdienst oder das geistliche Regiment betreffen. Frei will und muß die Kirche sein in der Verkündigung der Botschaft Christi (c.1322 §1). Sie beansprucht heute nicht mehr das Schulwesen, das ehemals ihre Domäne war und noch im Westfälischen Frieden als "Annex der Religionsübung" bezeichnet worden ist; aber sie protestiert gegen das staatliche Schulmonopol und will das Recht haben, selbst Schulen jeder Art, auch Hochschulen zu errichten (c. 1375). Eine ausschließliche Zuständigkeit fordert die Kirche für die Erziehung des künftigen Klerus, weil nur sie den Geist dieser Erziehung bestimmen kann (c. 1352). Sie beansprucht insbesondere die Hoheit über die christliche Ehe, die Wachstumszelle des Gottesvolkes, und gesteht dem Staate nur das Recht zu, über die rein bürgerlichen Wirkungen der Ehe zu befinden (cc. 1016 1960 1961). Zu der Erfüllung ihrer geistlichen Sendung bedarf die Kirche irdischer Mittel, für deren Erwerb, Besitz und Verwaltung sie volle Unabhängigkeit von jeder weltlichen Macht fordert (c. 1495), in gleicher Weise für die Besteuerung der Gläubigen (c. 1496).

Unter Androhung des Kirchenbannes mißbilligt die Kirche alle staatlichen Gesetze, Anordnungen und Befehle, die sich gegen die Freiheit der Kirche richten (C. 2334 n. 1), sie verträgt keine staatlichen Kirchenhoheitsrechte wie das Plazet, das die Verkündigung von Kirchengesetzen der vorgängigen staatlichen Genehmigung unterwirft (c. 2333), oder den Recursus ab abusu, welcher der Kirche in Ausübung ihrer Rechtspflege in den Arm fällt (c. 2334 n. 2), keine Beschränkung des freien Verkehrs der Bischöfe und Gläubigen mit dem Heiligen Stuhl, und verbietet in gleicher Weise die rechtswidrige Aneignung von Kirchengut (c. 2345). Im übrigen aber will sich die Kirche den landesgesetzlichen Anordnungen, soweit diese ihrer Freiheit keinen Eintrag tun, nicht entziehen. Im CIC wird des öfteren mit gewissen Vorbehalten auf das bürgerliche Recht des Staates als maßgebende Norm verwiesen, z. B. für Rechtsgeschäfte im Bereich des kirchlichen Vermögensrechtes (C. 1529), für Verjährung und Ersitzung (c. 1508), das Ehehindernis der gesetzlichen Verwandtschaft (c. 1080).


Es ist für unseren Status als römisch-katholischer Priester objektiv gleichgültig, ob der Staat uns anerkennt oder nicht, und ebensowenig kann der Staat durch noch so viele Machtworte aus dem Apostaten-Haufen, der uns verklagt, römisch-katholische Bischöfe machen. Ebenso schaffen es auch unzählige Gesetzesbücher und Gerichtsbeschlüsse nicht, die Dogmen der Kirche auszuhebeln. Dagegen könnte und sollte der Staat uns helfen, die V2-Sektierer in ihre Schranken zu weisen; auch gegen eine angemessene Bestrafung der V2-Sekte durch den Staat wegen sehr schweren Betrugs erheben wir keine Einwände.
Wenn der Staat gegen die Kirche zu Felde zieht, so ähnelt das immer in gewisser Weise der Verurteilung Jesu durch Pilatus. Pilatus hatte öffentlich erklärt: "Ich bin unschuldig am Blute dieses Gerechten" (Mt 24,27). Wenn aber Jesus zu Pilatus sagt: Der hat die größere Schuld, der mich dir überantwortet hat (Joh 19,11), deutet er damit eine bestimmte Schuld des Pilatus an.
Ggf. werden wir noch näher auf den gegen uns geführten Prozeß eingehen; abschließend noch ein Ausschnitt aus einem Lexikonartikel (Kirchliches Handlexikon, hg. von M. Buchberger, Bd. 2, München 1912, 1495) über Pilatus: "Die verschiedenen Pilatuslegenden wurden im Mittelalter vielfach kombiniert und weiter ausgesponnen; bis über seinen Tod hinaus verfolgte ihn der Fluch (Mons Pilati bei Vienne; Pilatus bei Luzern). Dazu hat die deutsche Sage eine Vorgeschichte geschaffen und den Mann zum Deutschen gestempelt (* in Forchheim)."

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