1. Der Staat ist für den Christen eine von Gott gewollte
Gemeinschaftsform, die den Zweck hat, die Aufgaben zu lösen, welche
die einzelnen, die Familie und kleine Gemeinschaften nicht lösen können.
Der eigentliche Zweck des Staates ist, für das allgemeine Wohl
zu sorgen. Unter keinen Umständen darf daher die staatliche Obrigkeit
nur
dem Vorteil eines einzigen, einer Minderheit oder einer Partei dienen.
Ein Gemeinschaftsleben ist nicht denkbar ohneOrdnung,
wie auch die Ordnung nicht möglich ist ohne einen Ordner. Das ist
im Staat die Obrigkeit, die notwendig ist für unser zeitliches Wohlergehen.
Wäre die Obrigkeit nicht da, so wäre unser Leben und Eigentum
nicht gesichert, es gäbe keine Gerechtigkeit und keinen Frieden, keine
Ruhe und keine Ordnung. Deshalb müssen wir Gott dankbar sein, daß
er die staatliche Obrigkeit angeordnet und ihr die entsprechende Gewalt
verliehen hat. Der Staat besitzt aber nur soviel Macht, als notwendig und
zweckdienlich ist zur Erfüllung seiner Aufgaben. Die öffentlichen
Ämter dürfen nur geeigneten Personen gegeben werden und ungeeignete
müssen aus ihnen entfernt werden. Damit ist die staatliche Macht als
Stellvertreterschaft Gottes grundsätzlich bewahrt vor Willkür
und egoistischem Machtwillen.
Zur Aufrechterhaltung der sozialen Gerechtigkeit
und Ordnung darf der Staat alle erforderlichen Gesetze und Maßnahmen
geben. Zu diesen zählt der heilige Paulus das Recht der Steuererhebung.
"Aus diesem Grund entrichtet ihr auch Steuern, denn Diener Gottes sind
jene, die gerade diesem Amt obliegen" (Röm 13,6).
Ebenso hat der Staat das Recht, die Gesetzesbrecher
zu strafen: Nicht umsonst trägt die Obrigkeit das Schwert, sie ist
ja Gottes Dienerin, Rechtsvollstreckerin zur Bestrafung dessen, der das
Böse tut" (Röm 13,4).
2. Die Rechte und Pflichten der Staatsbürger
ergeben sich aus dem Wesen und den Rechten der staatlichen Obrigkeit, die
ein Abglanz der ewigen Vaterschaft Gottes ist. "Ich beuge meine Knie vor
dem Vater (unseres Herrn Jesus Christus), von welchem jede Gemeinschaft,
die im Himmel und auf Erden einen Vater hat, ihren Namen empfängt"
(Eph 3,14). Die grundsätzliche Einstellung des Christen zum Staat
ist ihm gegeben in dem Herrenwort: "Gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist,
und Gott, was Gottes ist" (Matth 22,21).
Der Staatsbürger schuldet der rechtmäßigen Obrigkeit
Ehrfurcht.
Der Christ achtet und ehrt die jeweiligen Staatshäupter nicht nur
wegen ihrer persönlichen Würdigkeit, sondern vor allem ihres
Amtes
wegen, hinter dem die Autorität Gottes steht: Denn es gibt keine Gewalt,
außer von Gott" (Röm 13,1). Die Katholiken waren stets die besten
Verteidiger der rechtmäßigen Autorität.
Der Staatsbürger schuldet ferner der Obrigkeit Gehorsam.
Er betrachtet es als Gewissenspflicht, den gerechten Gesetzen zu gehorchen.
"Wer sich der Obrigkeit widersetzt, der widersetzt sich der Anordnung Gottes«
(Röm 13, 2. 5). Das Christentum war von seinem Bestehen an die größte
staatserhaltende Kraft. Gleich in seinem ersten Rundschreiben mahnt der
erste
Papst die Christen: "Unterwerfet euch um des Herrn willen jeglicher menschlichen
Ordnung" (1 Petr 2, 13). Dieses Papstwort wiegt um so schwerer, da die
damaligen staatlichen Herrscher dem Christentum feindlich gesinnt waren.
Endlich schuldet der Staatsbürger seiner Volksgemeinschaft Liebe
und Treue. Der heilige Thomas überträgt den Begriff der
Pietät auf das Vaterland, das auch den Menschen zeugt, erhält
und leitet wie die Eltern. "Die übernatürliche Liebe zur Kirche
und die natürliche Liebe zum Volk und Vaterland fließen aus
der gleichen Quelle. Sie haben beide Gott zum Vater und Urheber"
(Leo XIII.). Die Liebe zum Vaterland verpflichtet uns, sein Wohl zu fördern
und in Eintracht mit unseren Mitbürgern zu leben.
Die christlichen Staatsbürger sind vor allem
dafür
mitverantwortlich, daß das Leben in der Gemeinde
und im Staat nach den Geboten Gottes ausgerichtet werde, daß die
Grundsätze des Naturrechtes, die Menschenrechte und Gewissensfreiheit,
kurz, daß in allem die Schöpfungsordnung Gottes gewahrt bleibe.
Mit dem Hineingeborenwerden in die Gemeinschaften haben wir diese naturrechtliche
Pflicht übernommen. Darüber hinaus verpflichtet uns noch das
Gebot der Nächstenliebe, alle Schädigungen von unseren
Mitmenschen durch ungerechte Bevorzugung eines Standes oder einer Interessengruppe
fernzuhalten und für das allgemeine Wohl einzutreten.
Wahlrecht ist Wahlpflicht. Es wäre
eine sträfliche Nachlässigkeit, nicht zur Wahlurne zu gehen;
und es wäre eine sündhafte Handlung, einer Partei die Stimme
zu geben, die in ihrem Programm den Grundsatz vertritt: "Religion ist Privatsache."
Jeder Christ sollte wissen, was dieser Grundsatz praktisch bedeutet.
Nach diesem Grundsatz wird Gott und Religion aus dem öffentlichen
Leben ausgeschlossen. Eine Partei, die die heiligsten Rechte Gottes
nicht achtet, kümmert sich noch weniger um die Menschenrechte. Das
ist eine traurige Erfahrungstatsache. Einer solchen Partei darf daher kein
Christ seine Stimme geben.
Die Abgeordneten müssen, ähnlich wie
die Obrigkeit, in positiver Weise das allgemeine Wohl fördern,
besonders in den Punkten, in denen sie es ihren Wählern ausdrücklich
versprochen haben.
Als Volksvertreter dürfen nur solche Männer
und Frauen gewählt werden, die sich zu den christlichen Grundsätzen
bekennen und die Fähigkeit haben, sie durchzusetzen, die vor allem
ernstlich gewillt sind, sich mit allen erlaubten Mitteln gegen die Ansprüche
einer staatlichen Allmacht und gegen Gesetze zu wenden, in denen die natürlichen
Rechte des einzelnen und der Familie, die Freiheit der Religion und der
Kirche geleugnet oder bedroht werden. Hier muß jeder bereit
sein, nach seinen Kräften und Verhältnissen mitzuwirken. Und
je mehr die Gestaltung des öffentlichen Lebens in die Hand des Volkes
gelegt ist, desto schwerer ruht die Verantwortung für sie auf jedem
einzelnen. Mitarbeit am öffentlichen und politischen Leben in der
Gemeinde, in der Verwaltung, in den verschiedenen Körperschaften,
in der Presse, im Rundfunk ist Christenpflicht.
Befehle oder Gesetze, die gegen Gottes Gebot sind,
darf man
nicht ausführen. Mit dem heiligen Petrus muß
man dann mutig bekennen: "Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen"
(Apg 5,29).
Tausende und Tausende von Christen unserer Tage erduldeten
lieber die grausamsten Qualen und selbst den Tod, als daß sie ihren
christlichen Glauben verleugnet hätten oder von der Kirche abgefallen
wären.