Editorial zu Ausgabe 11/00 (Nr. 57)

- Traumhochzeit eines sedisvakantistischen Priesters -
(Kirche zum Mitreden, 21.07.2000)

Ich hätte es nie zu träumen gewagt: Ich habe meine Traumfrau gefunden und sie nun geheiratet.
Wie ich es mit dem Zölibat halte, fragen Sie? Ganz einfach: Das Zölibat ist ein von der Kirche erlassenes Gesetz, das für unsere heutige Zeit nicht mehr passt. Wir haben leider keinen Papst, und deshalb kann das Zölibat nicht offiziell aufgehoben werden, aber sobald wir wieder einen Papst haben, wird der sofort erklären, dass in den schwierigen Zeiten der Gegenwart die Verpflichtung zum Zölibat nicht bestanden hat. Mit meiner Hochzeit habe ich dies quasi vorweggenommen.
Ich berufe mich dabei auf den Grundsatz: "Salus animarum suprema lex" - Das Heil der Seelen ist das oberste Gesetz.
Dass das Zölibat überhaupt aufgehoben werden kann, beweist die Geschichte, ja sogar das Neue Testament selbst. Da schreibt Paulus nämlich klipp und klar an Timotheus: Der Vorsteher soll "nur einmal verheiratet" sein, er soll "seinem eigenen Hause gut vorstehen und seine Kinder in Unterordnung und aller Ehrbarkeit halten" (1 Tim 3,2-4).
Zwar hat die Kirche viele Jahrhunderte das Zölibat vorgeschrieben, aber was soll´s? Die Kirche in der gegenwärtigen Not kann auf solche Gesetze, die für eine völlig andere Zeit geschrieben wurden, keine Rücksicht nehmen. Und man sehe doch die vielen Vorteile:
1. Meine Frau kann mir Trost und Hilfe sein, während ich als Zölibatärer oft allein und ohne Zuspruch bin.
2. Der Vorwurf gegen mich, ich würde nur deshalb gegen Sodomie schreiben, weil ich selber "homosexuell" sei, ist widerlegt.
3. Die mir anvertrauten Gläubigen haben überwiegend positiv aufgenommen, dass ich nun einen viel menschlicheren Eindruck auf sie mache; zudem haben sie nun auch mehr Vertrauen, mich auf ihre Probleme in der Ehe anzusprechen.
Zwar gibt es einige Störenfriede, leider auch im Klerus, die sich gegen meine Hochzeit aussprechen, aber auf solche vereinzelte Stimmen darf man nicht hören. Wem meine Ehe nicht passt, der soll sich gefälligst um seine eigenen Dinge kümmern und meine Gemeinde ebenso wie meine Frau und mich in Ruhe lassen. Abgesehen davon brauchen wir auch keine Veränderung in der Kirchenleitung; die Kirche hat nun schon über vier Jahrzehnte ohne einen Papst auskommen können, deshalb sollte man die Situation nicht ändern, um die Ruhe nicht zu gefährden.


Aus der Traum, zurück in die Realität. Wir haben diesen Text nicht geschrieben, um anzudeuten, wir hätten eine Geliebte oder hätten wenigstens unsere Beurteilung des Zölibats geändert - weder das eine noch das andere trifft zu. Dieser Traumpriester ist zwar in der oben geschilderten Form erfunden, allerdings spiegelt er Fehlansichten wieder, die im "Sedisvakantismus" verbreitet sind (s. auch Willkommen im Club!).

Zum einen kennen wir tatsächlich einen Priester, der geweiht wurde, obwohl er verheiratet ist. Diese Weihe war verboten, weil nur der Papst von dem Weihehindernis der Ehe dispensieren kann. Nach dem Kirchenrecht darf dieser Priester seine Weihe nicht ausüben, auch wenn er die vorgeschriebene Enthaltsamkeit beachtet.
Zum anderen gibt es immer wieder Streit wegen unserer restriktiven Position bzgl. Bination und Trination: Bination (zwei Messzelebrationen an einem Tag) ist nur erlaubt, wenn folgende Voraussetzungen zusammen erfüllt sind: a) es ist ein Sonntag oder ein anderer gebotener Feiertag; b) es blieben recht viele (ca. 30) Personen ohne Messe, wenn nicht biniert würde; c) es ist kein Priester verfügbar, der die zweite Messe übernehmen könnte, ohne selbst zu binieren. Trination ist immer verboten, ausgenommen Weihnachten und Allerseelen.

Diese Bestimmungen bzgl. Bination und Trination sind vom Kirchenrecht vorgegeben, und wir wiederholen sie nur. Leider setzen sich Priester darüber hinweg, z.B. Augustin Groß, der Vorzeigepriester von Kyrie eléison, der jeden Sonntag triniert. Priester machen, was sie wollen, und kümmern sich nicht um unsere Hinweise auf das Kirchenrecht. Auch seitens einiger Laien wird dieses Fehlverhalten der Priester gebilligt oder sogar unterstützt, wohingegen unsere Position verworfen wird. Die Begründung: "Salus animarum suprema lex" - Das Heil der Seelen ist das oberste Gesetz.
Die Gründe gegen das Zölibat, die der imaginäre Traumpriester oben genannt hat, sind zwar restlos blödsinnig, aber dennoch (oder deswegen) sehr medienwirksam, s. z.B. unseren Text über Hörzu. Diese "Argumente" lösen sich nämlich in Luft auf, sobald man seinen Verstand einschaltet. Wer in der Liebe Christi bleibt, der braucht keine Ehefrau, weder für die Bewältigung privater Nöte noch für die Verbesserung der Seelsorge, und üble Nachrede ist auch gegenüber Verheirateten noch möglich.
Die "Gründe" für die Trination sind üblicherweise: a) die Gläubigen haben ein Recht auf eine Messe, und b) würden die Priester nicht trinieren, würden viele zu Lefebvre abwandern. Auch dazu haben wir uns schon oft geäußert. Es gibt kein Recht auf eine Messe, und die Messe ist auch nicht in dem Maße heilsnotwendig wie die Taufe, d.h. man kann gerettet werden, wenn man ohne Schuld an der Teilnahme der hl. Messe gehindert ist. Und der (prognostizierte) Abgang zur Lefebvre-Sekte ist grundsätzlich nicht anders zu werten als jeder andere Abgang zu einer Sekte: als Verrat an Christus.

Während die "Argumente" für die Verstöße gegen kirchenrechtliche Bestimmungen haltlos sind (ob nun hinsichtlich der Weihe von Verheirateten oder Trination; die Liste ließe sich noch verlängern), sind die Folgen dieser Verstöße sehr schwerwiegend, und auch diese haben wir oft aufgezeigt: Der katholische Widerstand zersplittert, versteckt oder z.T. auch offen werden Kleriker diskreditiert, der Klerus verliert an Ansehen, Laien mischen sich in kirchliche Entscheidungen ein, eine vollständige Wiederherstellung der Hierarchie erscheint unmöglich.

Wir können uns den Mund fusselig reden und die Finger blutig tippen, trotz unserer Bemühungen finden wir allgemein wenig Bereitschaft, diese traurige Situation zu ändern. Dennoch empfehlen wir weiterhin folgende Regeln:
1. Die Kleriker müssen klar entscheiden, welche Bestimmungen des Kirchenrechts heute gelockert werden dürfen (in unserem Falle: wir zelebrieren ohne Ministranten, obwohl ein Ministrant unter schwerer Sünde vorgeschrieben ist. Allerdings kennen wir auch niemanden, der als Ministrant in Frage käme, d.h. nur aus der gegebenen Unmöglichkeit, die Vorschrift zu erfüllen, verstoßen wir dagegen; wir lassen natürlich keine "Ministrantin" zu).
2. Die Kleriker sollen nicht ihr privates Süppchen kochen, sondern müssen zusammenarbeiten; insbesondere Entscheidungen der Kirchenzucht müssen gemeinsam getroffen werden.
3. Die Laien sollen sich aus kirchlichen Entscheidungen weitest gehend heraushalten.
Es wenn diese an sich einfachen Regeln Beachtung finden, dürfen wir auf eine Besserung der Zustände hoffen; wenn die Zersplitterung ungebremst voranschreitet, werden sogar Alpträume wie Klerikerhochzeiten Realität.

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