Die Päpste der Nazizeit

- Aus dem Buch von Stephan Berghoff, Von Petrus bis Pius -
(Kirche zum Mitreden, 13.04.2000)

In mehrfacher Hinsicht scheint es uns geraten, aus dem Buch von Stephan Berghoff, Von Petrus bis Pius (Imprimatur (kirchliche Druckerlaubnis) 1949, 2. Auflage o.J., 295-303 (Schluss des Buches)), zu zitieren. Zum einen haben wir vor einigen Wochen Strafanzeige gegen Paul Spiegel erstattet, der sich zutiefst verleumderisch über die Kirche in der Nazizeit geäußert hat; zum anderen sehen wir immer wieder und in diesen Tagen ganz besonders den Hass und die Machtgier, mit der sich im pseudokatholischen Sektenwesen irgendwelche Opportunisten als "die Kirche" aufspielen. Schließlich ist es auch ganz interessant festzustellen, dass bereits vor einem halben Jahrhundert innerkirchlich von der Möglichkeit die Rede war, dass die Kirche in Europa ausgerottet würde - in der Tat steht Europa heute kurz davor, die wenigen gegenwärtig noch verbleibenden Katholiken zu venichten.
Über Berghoff wissen wir nur so viel, wie aus einem "Lebenslauf" in seinem Buch hervorgeht: "Stephan Berghoff, geboren 1891 in Mülheim (Ruhr). Seit 1933 Pfarrer in Essen. Berghoff beantwortet in Broschüren die brennenden religiösen Fragen des Volkes. Seine Kleinschriften 'Gott hinter Kerkermauern', 'Im Großstadtgefängnis', 'Anklagen gegen die Geistlichkeit', 'Klare Antwort', 'Schöne Zeit der jungen Liebe' u.a. erreichten insegesamt eine Auflage von weit über einer Million. In seinen Büchern 'Ein Gang durchs Evangelium', 'Der ganze Christ', 'Christus, unser Leben und Vorbild', 'Licht vom Lichte', 'Einkehr', 'Zeitgemäße Seelsorge' ist Berghoff Kenner und Künder der Zeit. Seine Beispielsammlung 'Blinkfeuer' und einige Kleinschriften wurden von der Gestapo auf den Index gesetzt."
Berghoffs kleine Papstgeschichte ist ein einfaches Lesebuch, das seine Wurzeln in Predigten und Vorträgen hat. Dabei verknüpft Berghoff gerne die einzelnen Kapitel über die verschiedenen Päpste. Der Abschnitt über Pius XI. handelt also noch z.T. über Papst Benedikt XV. (1914-1922).


Pius XI.
Acht Jahre ruheloser Sorge haben Benedikts Kräfte aufgezehrt. Achilles Ratti, der Mailänder Gelehrte und Seelsorger, kommt als Pius XI. auf den päpstlichen Thron. Den guten Geist des heiligen Borromäus bringt er mit. Er ist Wissenschaftler, dreifacher Doktor, Präfekt der Ambrosianischen Bibliothek. Was dieser fleißige Arbeiter schreibt, füllt dicke Bände. Wissenschaftler wie Ferrari sind seine Freunde. Er steht mitten in den wissenschaftlichen Problemen unserer Zeit. Daneben ist er ganz weltnahe, sorgt sich um die Seelen und sucht sie. Selbst um die Schornsteinfegerbübchen der Großstadt kümmert er sich, um ihre religiöse und soziale Versorgung. Er ist der Gefangenenseelsorger. Sonntag für Sonntag sammelt er Studenten, deutsche Dienstmädchen und Gesellen - er spricht die deutsche Sprache - in einem eigens für sie gegründeten Heime um sich. Das ist seine rührende Erholung nach aufreibenden wissenschaftlicher Arbeit.
Wie Gott das fügt! Die Kenntnis der deutschen Sprache hat mitgeholfen, daß er Papst wurde. Der Präfekt der Ambrosianischen Bibliothek wird seiner ungemeinen Fachkentnnstnisse wegen 1914 Präfekt der Vatikanischen Bibliothek in Rom. Fünf Jahre später muß der erste päpstliche Gesandte zum neuen Polen . Der Gesandte muß die deutsche Sprache beherrschen. Darum fällt die Wahl Benedikts auf Achilles Ratti. Einen tapferen Gesandten hat der Papst nach Warschau entsandt. Denn Achilles Ratti ist der einzige Gesandte, der in Warschau aushält, als die Bolschewiken vor seinen Toren liegen. Und einen unbefangenen Gesandten. Er steht zum deutschen Kardinal Bertram gegen die polnischen Propagandisten, als in Oberschlesien abgestimmt wird. Nur mit zwei Stimmen bleiben die polnischen Parlamentarier in der Minderheit, die seine Abberufung verlangten. Der Papst bewahrt ihm das Vertrauen und ernennt ihn zum Erzbischof von Mailand und zum Kardinal. Aber blinde Gegner der Kirche haben ihn gleichwohl der Deutschfeindlichkeit bezichtigt.
Dieser Gelehrte und Seelsorger bestieg am 6. Februar 1922 päpstlichen Thron. Was er gewirkt, steht mit unauslöschlicher Schrift in unseren Herzen geschrieben, die wir sein Pontifikat miterleben durften. Ein Pontifikat von ganz großem Format! Nur einige seiner Taten:
Seit mehr als 70 Jahren steht die römische Frage offen, die Frage des Kirchenstaates. Eine Wunde, unter der alle leiden. Pius XI. regt 1926 die Aussöhnung zwischen dem Papsttum und dem Königreich Italien an, und Benito Mussolini, Italiens damaliger Ministerpräsident, stößt die Hand nicht von sich. Zweieinhalb Jahre gehen still und geheim die Kuriere zwischen Vatikan und Quirinal hin und her. Das große Werk gelingt. Am 11. Februar 1929 wird der Lateranvertrag geschlossen. Der Papst behält die Vatikanstadt, verschiedene Kirchen und Paläste als unverletzliches Gebiet und Eigentum. Er ist selbständiger Souverän, der seine eigenen Gesandschaften unterhält. Der Papst verzichtet auf den Kirchenstaat, anerkennt das Königreich Italien mit der Hauptstadt Rom. Ein Konkordat wird geschlossen. Die katholische Kirche ist die Kirche des Landes. Christlich die Ehe, christlich die Schule, frei das bischöfliche Hirtenamt. Der freie Papst im eigenen Land! Der große Pius hat es geschafft.
Der materialistische Unglaube ist der Gegenspieler der Kirche. Er ist die Umwertung aller Werte. Ihm, der den Geist leugnet, den Schöpfergeist wie den Menschengeist, ist die höchste Menschenform der unpersönliche, entpersönlichte Massenmensch. Er kann darum nicht anders als Religionshasser sein. Er ist die gottfeindliche Macht. Der Unglaube hat weite Strecken Europas erobert, er setzt sich in Spanien fest und tobt sich dort aus. Er hat seine Sendlinge in der ganzen Welt.
Diesen Todfeind des Christentums übersieht Papst Pius XI. nicht. Eindrucksvoll war seine Ansprache an die spanischen Flüchtlinge. "Höchste Kirchenfürsten, Priester, Schwestern, Laien aller Klassen und Berufe, selbst das heilige Schweigen der Gräber, all dies wurde auf die gröbste und barbarischste Weise von wildgewordenen, unfaßbar grausamen Kräften zerstört, die die Ausgeburt einer tiefst gesunkenen menschlichen Natur sind ... Kräfte suchen von Rußland bis China, von Mexiko bis Südamerika jede Ordnung umzustürzen. Die schrecklichen Taten in Spanien bezeugen beredt, daß äußerstes Unheil droht, und daß dieses Unheil eine Ausgeburt wahrhaft satanischen Hasses gegen Gott und die erlöste Menschheit ist, in erster Linie gerichtet gegen die Religion und die katholische Kirche." Dutzendmal hat Pius XI. den organisierten Unglauben gebrandmarkt und die Menschheit vor ihm gewarnt. Aber er weist auch die Richtung, wie er innerlich zu überwinden sei. In seinem eigenen Rundschreiben an die Welt "Quadragesimo anno" vom 15. Mai 1931 erneuert er die bahnbrechende Arbeiterenzyklika "Rerum novarum" und führt sie weiter.
Der Papst, der Brücken schlägt. Darum seine vielen Konkordate. Auch mit dem Dritten Reiche 1933 auf Vorschlag der deutschen Regierung, um den Katholiken die rechtliche Grundlage für ihre Verteidigung zu geben; ein Bollwerk, hinter dem sie sich in ihrem Widerstande schützen konnten. Kaum geschlossen, wurde das Konkordat verletzt, immer mehr, immer offener. Der bittere Kampf zwischen der nationalsozialistischen Regierung und dem deutschen Katholizismus hub an. Hören wir darüber Papst Pius XII. in der Ansprach an die Kardinäle vom 2. Juni 1945:
[s. Die Entmachtung des Allmächtigen]
Papst Pius XI., voll heiligen Eroberungsdranges für Christi Reich, der große Missionspapst! Durch ihn hat eine neue entscheidende Stunde in der Asienmission geschlagen. Die Mission ging bis zum 18. Jahrhundert sehr gut voran. Die Überflügelung der katholischen Weltmächte Spanien und Portugal durch die nichtkatholischen Weltmächte Holland und England, die Aufhebung des Jesuitenordens 1773 und die Revolutionierung Frankreichs hatten dann das Werk gehemmt und zum Teil zugrundegerichtet. Dabei spielte die Tatsache eine große Rolle, daß in der Zeit vorher die Frage des einheimischen Klerus nur teilweise gelöst war und eine weitere wichtige Frage, die der Anpassung an chinesische, japanische Gebräuche, nach Beginn der Lösung wieder abgebrochen wurde.
Pius XI. sieht klar. Zu wenig Rücksicht wird auf die alten Gebräuche und Sitten der in und aus ihnen lebenden Völker genommen. Darum 1936 sein berühmter Erlaß, daß sich die Mission an die alten Traditionen anzugleichen habe. Weitgehende Zugeständnisse werden gemacht. Die Ahnenverehrung Chinas, die Kaiserverehrung Japans können übernommen werden. Doch sind sie nur national, nicht religiös zu deuten. Es fehlt der einheimische Klerus. Der europäische Klerus darf nur Wegbereiter, Vorläufer des bodenständigen sein. Die Missionsbischöfe erhalten verpflichtende Weisung, Seminarien zu errichten, in denen einheimische Priester und Bischöfe erzogen werden. Seit 1926 hat der Papst eine Reihe chinesischer, japanischer indischer, anamitischer Priester zu Bischöfen geweiht. Ein neuer Missionsfrühling ist angebrochen.
"Der Friede Christi im Reiche Christi" war der Wahlspruch Pius XI. Mit kluger, starker Hand hat Pius XI. Christi Reich und seinem Frieden gedient.

Pius XII.
Am 2. März 1939 wurde als Nachfolger Pius XI. Kardinalstaatssekretär Eugen Pacelli gewählt, Pius XII. Er ist uns deutschen Katholiken kein Unbekannter. War er doch von 1917 bis 1929 Apostolischer Gesandter in München und Berlin. Diesem Gesandten, dem mutigen Manne, der unter Lebensgefahr auf seinem Münchener Posten blieb, als seit dem 7. April 1919 die roten Fahnen von den Balkonen der königlichen Residenz flatterten, dem hochgebildeten Mann, der 10 Sprachen, darunter die deutsche, vollendet spricht, dem Wohltäter Deutschlands, der das internationale Hilfswerk für die Kriegsopfer organisierte, der unermüdlich für den Weltfrieden arbeitete, dem überragenden Diplomaten, der in einer Reihe von Konkordaten Kirche und Staat in Einklang brachte, hat Hindenburg seine Zuneigung bis zuletzt bewahrt. In der Abschiedsaudienz sprach Hindenburg: "Was Eure Exzellenz während Ihrer hiesigen Tätigkeit an vorbildlicher Friedensarbeit geleistet haben, wird unvergessen bleiben." Der Kardinalstaatssekretär eroberte sich die Achtung der ganzen Welt. Es war nicht nur respektvolle Verbeugung vor der Macht des Papsttums, daß zu seiner Papstkrönung am 12. März 1939 fünfzig Länder der Welt Sondergesandte schickte.
Pius XII. trägt seit März 1939 die schwer Bürde des obersten Hirtenamtes. Mit Gottes Hilfe hat er die Kriegszeit zum Segen unserer Kirche gemeistert. Wie er die gewaltigen Schwierigkeiten überwandt, darüber reden heißt das hohe Lied seiner Klugheit, seiner eisernen Tatkraft und seiner nie erlahmende Liebe singen. Die deutschen Katholiken sind ihm zu besonderem Danke verpflichtet. Uns stand er während der Kriegszeit wegweisend und stützend gegen Irrtum und Gewalt zur Seite, gegen die kirchenfeindlichen Mächte des Nationalsozialismus, die selbst im Kriege auf ihr verderbliches Ziel hinarbeiteten. Des Papstes Radiobotschaften, namentlich die von Weihnachten 1942, erreichten Geistliche und Gläubige und festigten ihre Gedanken und Herzen für die höheren Ideale der Wahrheit und Gerechtigkeit.
Es ist noch zu früh, das Bild des Papa angelicus zu zeichnen. Möge ihn Gott uns noch lange erhalten! Wir Deutsche dürfen besonders darum beten. Denn Pius XII. ist in einer Welt der Abneigung und des Hasses unser Freund geblieben. Das Vertrauen dürfen wir haben, daß er mit Gottes Hilfe das Schiff der Kirche glücklich durch die erregten Wogen und Stürme der Zukunft hindurchsteuern wird.

Die Zukunft der Kirche
Wohin führen die nächsten Jahrhunderte? Werden sie den Untergang der Kirche bringen? Nein und abermals Nein! Dunkle Wetterwolken werde sich entladen. So muß es sein. Versuchung, Schwäche, Verrat, Abfall, Spott, Beschimpfung, Erniedrigung, Terror, Gewalt, Kerker, Tod, das alles bleibt über den Weg der Kirche gesät, wie über den Lebensweg ihres Meisters. Aber immer wird auch Achtung bleiben und Liebe zur Kirche, heldenmütiges Opfer, Starkmut bis zum Tode. "Das ist die Eigenart der Kirche, daß sie dann geliebt wird, wenn man sie schmäht, dann verstanden wird, wenn man sie verfolgt, dann obsiegt, wenn sie geschwächt wird" (St. Hilarius). Der Allmächtige ist mit der Kirche, Gott der Herr. Kein Feind ist so stark und so raffiniert, daß er die Kirche vernichten kann. Ein Stärkerer bleibt schützend und stärkend bei der Kirche alle Tage bis ans Ende der Welt. Und hätten wir die Verheißung des Herrn nicht, ein Gang durch die Kirchengeschichte macht uns Gottes Kraft in der Kirche zum seligen Erlebnis.
Gotteskraft in der Kirche! Für uns frohe Gewißheit: nie wird die Kirche von der Erde verschwinden. Ob aber nicht in unserem Lande, in Deutschland, in Europa? Der Bannerträger des modernen Gottlosentums, sein Prophet, der wie kein anderer die abgründigen Folgen des Unglaubens erschaut, hat, Friedrich Nietzsche, sagte voraus, nach zweihundert Jahren würde der Nihilismus, der unvermeidlich heraufziehe, Europas christliche Kultur vernichtet haben; das künde sich in hundert Zeichen an: Nietzsche muß nicht recht behalten. Es gibt auch hundert Zeichen dafür, daß die Geschichte in anderen Bahnen verläuft, in Bahnen, die uns dem Herrn der Zeiten wieder näher bringen. Aber dieser Prophet des Unglaubens sollte unser Gewissen wachrütteln!
Jeder von uns spüre heilige Verantwortung für das Schicksal seiner Kirche im deutschen Lande! Jeder von uns wirke mit am Bau der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche! Keiner schrecke vor Schwierigkeiten und Mühsalen zurück! So hilft er, die Gegenwart zu erlösen und eine christliche Zukunft heraufzuführen.

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