Hans Küng gegen Benedikt XVI. oder gegen das Papsttum?

- Pressemeldung: Ist Hans Küng Sedisvakantist? -
(Kirche zum Mitreden, 30.05.2012)
Ist Hans Küng Sedisvakantist? Jedenfalls zirkuliert dieses Thema, wie der Verf. am 30.05.2012 erfahren hat, bei einigen englischsprachigen "Traditionalisten". Zur Worterklärung: "Sedisvakantismus" ("sedevacantism") ist ein rein negativer Begriff, i.e. die Position, dass der Apostolische Stuhl (sedes) derzeit nicht rechtmäßig besetzt, sondern eben vakant ist. Dementsprechend wäre Joseph Ratzinger alias "Benedikt XVI." kein echter Papst. Hintergrund für diese aktuelle Küng-Debatte ist ein Artikel von Küng selbst (Fremde Feder - Hans Küng: Papst provoziert Ungehorsam: Südwest Presse, 23.05.2012). Küng spricht sich darin gegen die Aufnahme der Gruppe von Marcel Lefebvre, i.e. die "Priesterbruderschaft St. Pius X." / "Piusbrüder", in die "katholische Amtskirche" aus. Details:
»1. Der Papst würde auch ungültig geweihte Bischöfe und Priester definitiv in die Kirche aufnehmen. Gemäß der Apostolischen Konstitution Pauls VI. "Pontificalis Romani recognitio" vom 18. Juli 1968 sind die von Erzbischof Lefebvre vollzogenen Bischofs- und Priesterweihen nicht nur unerlaubt, sondern auch ungültig.«.
Zu 1) Tatsächlich steht in "Pontificalis Romani" von Montini ("Paul VI.") bzgl. Weihe der Diakone, Priester und Bischöfe jeweils: "Die Form besteht in den Worten des Weihegebetes, von denen wesentlich und für die Gültigkeit der Weihe erforderlich sind:" - dann folgt die jeweilige Weiheformel. Allerdings kann man daraus nicht ableiten, dass - auch innerhalb der Montini-Ideologie - alle Weihen ungültig sind, die nicht diesem Wortlaut folgen. Nämlich gem. katholischer Sakramtenlehre ist es für die Gültigkeit von Sakramenten immer entscheidend, dass die *wesentlichen* Teile erhalten bleiben; je nachdem müssen also selbst Abweichungen beim vorgeschriebenen Wortlaut nicht zwangsläufig zur Ungültigkeit führen. Dementsprechend gibt es auch zu zahlreichen Sakramentenspendungen, bei denen die Worte geändert wurden, theologische Untersuchungen bis hin zu lehramtlichen Entscheidungen, ob das jeweilige Sakrament gültig gespendet wurde. Nun konkret zu den Lefebvre-Weihen von 30.06.1988, weswegen Karol Wojtyla ("Papst Johannes Paul II.") die "Exkommunikation" über Lefebvre und die "Geweihten" ausgesprochen hat: Im entsprechenden "Motu Proprio" "Ecclesia Dei Adflicta" (02.07.1988) spricht Wojtyla nirgends von einer "ungültigen", sondern ganz im Gegenteil ausdrücklich von einer "unrechtmäßigen Bischofsweihe" seitens Lefebvre und erklärt: "Die Tat als solche war Ungehorsam gegenüber dem Römischen Papst in einer sehr ernsten und für die Einheit der Kirche höchst bedeutsamen Sache, wie es die Weihe von Bischöfen ist, mit der die apostolische Suksession sakramental weitergegeben wird." Kurzum: Auch innerhalb der Montini- / Wojtyla-Ideologie müssen die Lefebvre-Weihen eindeutig als gültig anerkannt werden. N.B.: Im katholischen ("sedisvakantistischen") Raum hingegen sind die Lefebvre-Weihen wiederum stark umstritten. Erzbischof Pierre Martin Ngô Đình Thục hielt sie für klar ungültig, u.z. wegen des Weihevaters von Lefebvre, i.e. Achille Kardinal Liénart. Doch hier geht es um die "Bischofsweihen" im "neuen Ritus" ("novus ordo"). Viele Studien stimmen darin überein, dass hier kein gültiges Sakrament zustande kommt. Ja, die "Novus-Ordo-Bischofsweihe" ist so dermaßen offenkundig ungültig, dass sogar ein Novus-Ordo-Mitglied zugegeben hat: "Der neue Ordo 1968 bietet darum eine bisher nicht gekannte Schwierigkeit. [...] Wegen des Textes kommt man nicht daran vorbei zu sagen, daß die Kirche selbst etwas Unklares und nicht einwandfrei Sinnbestimmendes vorgeschrieben hat. Das ist eine noch nie dagewesene Situation! [...] Nach einer gründlichen theologischen Betrachtung des Zentralpunktes des neuen Ritus bleibt eine schmerzliche Unsicherheit zurück, die man nicht loswerden kann" (Athanasius Kröger, Theologische Erwägungen zum Neuen Ritus der Bischofsweihe, 1978). Insofern kann Ratzinger, der selbst übrigens auch keine gültige Bischofsweihe besitzt, jetzt relativ großzügig wieder die - von Montini verbotene - "alte Messe" erlauben: Durch die "neuen Weihen" ist das Weihesakrament in der Ratzinger-Gruppe fast völlig verschwunden, und in Konsequenz bleiben auch "alte Messen" ungültig, weil der "Zelebrant" eben nur ein Laie ist. Küng möchte mit seiner Fixierung auf die "Novus-Ordo-Weihen" unbedingt jedes gültige Sakrament ausschließen und schießt dabei sogar noch über die Montini-Vorgaben hinaus.
»2. Mit einer solch skandalösen Entscheidung würde sich Papst Benedikt in seiner allseits beklagten Abgehobenheit noch mehr vom Gottesvolk entfernen. Ihm sollte die klassische Lehre vom Schisma eine Warnung sein. Ihr zufolge geschieht eine Spaltung der Kirche, wenn man sich vom Papst trennt, aber auch wenn man sich vom übrigen Leib der Kirche trennt. rechnen. "So könnte auch der Papst zum Schismatiker werden, wenn er nicht mit dem ganzen Leib der Kirche die geschuldete Einheit und Verbundenheit halten will." (Francisco Suarez, maßgebender spanischer Theologe des 16./17. Jh.).«
Zu 2. Zugegeben, ganz, ganz selten ist auch mal vom "schismatischen Papst" die Rede, cf. Christian Kortholt, "Papa schismaticus oder gründlicher Beweis, daß nicht Martin Luther und die Prostestirenden, sondern der römische Pabst und desssen Anhang an der Spaltung in der christlichen Kirche Schuld haben". Ungleich viel öfter wird aber über die Frage des häretischen Papstes (papa haereticus) debattiert. Denn durch die Häresie, d.h. durch das Ablehnen / Bezweifeln eines unfehlbaren Glaubenssatzes (Dogma), trennt man sich von der Einheit des Glaubens, d.h. man hat keine Verbundenheit mehr zur Kirche. Wer am sog. "Zweiten Vatikanischen Konzil" (V2) festhält, ist ein Häretiker und als solcher aus der Gemeinschaft der Kirche ausgeschlossen, denn V2 ist häretisch: Z.B. werden nichtkatholische Gemeinschaften als "Mittel des Heiles" bezeichnet, UR I,3. Tatsächlich ist auch die Lefebvre-Gruppe häretisch, weil dort V2 als "Konzil der katholischen Kirche" ausgegeben wird. Gem. Lefebvre und seinen Epigonen ist eine - laut Lefebvre höchstpersönlich - "schismatische Kirche" gleichzeitig die "katholische Kirche". Die Lefebvre-Ideologie ist somit noch eine Übersteigerung des V2-Wirrwarrs.
»3. Ein schismatischer Papst verliert gemäß derselben Kirchenrechtslehre sein Amt.«
Zu 3. Zunächst: Laut Küng ist dieses "Ratzinger-Schisma" noch nicht eingetreten - Küng ist also *KEIN* Sedisvakantist. Zugegeben: Die Hypothese vom "Amtsverlust" des "papa haereticus" ist eine bei vielen Sedisvakantisten beliebte Phrase. Als bloße These bliebe sie allerdings angreifbar, d.h. sie könnte nicht verpflichtend sein. V.a. lässt sich diese These nicht auf die heutige Zeit, d.h. auf die V2-Zeit seit Roncalli ("Papst Johannes XXIII.") anwenden: Die ganzen Theologen, die über eine Trennung des Papstes von der Kirche spekuliert haben (Suarez, Robert Bellarmin etc.), gingen eben davon aus, dass die Kirche quasi unverändert weiterbesteht, während der Papst sich von der Kirche trennt, namentlich durch eine Irrlehre. Aber das Gebilde von V2 ist ja eben nicht die Kirche. Da mag sich Ratzinger mit V2-Anhängern wie Küng "versöhnen" oder "entzweien" - all das ist für Ratzingers "Papsttum" absolut irrelevant. Ratzinger ist nur das sichtbare Oberhaupt der V2-Gruppe. Nun ist Ratzinger tatsächlich auch extremer Häretiker, wie viele Studien klar beweisen. So agitiert Ratzinger besonders heftig gegen das Dogma von der Heilsnotwendigkeit der Kirche (Erklärung "Dominus Iesus", 06.08.2000). Aber selbst wenn die V2-Gruppe einen Rechtgläubigen zum "Papst" wählen würde, wäre dieser eben nur das sichtbare Oberhaupt der V2-Gruppe. Kurz: Die Küng-Kolumne gegen Benedikt XVI. ist in Wahrheit nur eine Kolumne gegen die Kirche, damit natürlich auch gegen das Papsttum. Die Kolumne ist Teil des schon längst durchschauten, nur noch langweilenden Schattenboxens innerhalb der V2-Gruppe zwischen "Konservativen" und "Progressiven" - oder welche irreführenden Worthülsen man immer nehmen will. Die Debatte um den angeblichen Sedisvakantismus von Hans Küng ist dementsprechend auch völlig verfehlt.

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