Als Laros schrieb, war öffentliche Irreführung nichts Ungewöhnliches:
Hitlers Kapriolen des Fanatismus sind z.B. in der Enzyklika
"Mit brennender Sorge" enttarnt worden, und das angebliche "ZURÜCKschießen"
zu einer bestimmten Uhrzeit steht damit in einer langen Kette furchtbarer
Lügen. Und heute? Auch darüber gibt es einiges bei KzM zu lesen.
Also: Niemand soll sich durch die Schauermärchen resp. ihren wahnsinningen
Erfolg bei der Bevölkerung verwirren lassen, man denke nur an die
Vorzeichen der Ankunft Christi: "Dann werden viele im Glauben irre werden,
einander verraten und hassen. Flasche Propheten werden in großer
Zahl auftreten und viele irreführen. Weil die Gottlosigkeit überhandnimmt,
wird die Liebe bei vielen erkalten. Wer aber ausharrt bis ans Ende, wird
gerettet werden" (Mt 24,10-13).
Die meisten können natürlich nicht durch eigene Forschung den Geschichten nachgehen und sind auf die Berichte anderer angewiesen. Da verlangt die natürliche Vorsicht, immer zuerst zu fragen, von wem die Berichte stammen. Wir haben ja im Weltkrieg erlebt, bis zu welchen Greuelmärchen über abgeschlagene Hände und ausgestochene Augen sich unsere Feinde verstiegen und welches Unheil sie damit angerichtet haben. Dieser Vergleich ist heute angebracht. In der gegnerischen Presse des gesamten Auslandes wurden damals Lichtbilder der Unglücklichen gezeigt, um die Glaubwürdigkeit der Berichte zu erhärten. Was ist zuverlässiger als ein Lichtbild, das an Ort und Stelle aufgenommen ist? Und doch waren diese Bilder gefälscht. Wir wissen heute, wie sie zustande gekommen sind, und staunen über die Raffiniertheit des Betruges, hinter dem nur ein abgründiger Haß Pate gestanden haben kann. So sind auch viele Skandalgeschichten früherer Jahrhunderte teils gegen die Kirche erfunden, teils über die Maßen aufgebauscht. Die geschichtliche Forschung hat ihre Quellen aufgedeckt, das Wahre vom Falschen geschieden, und die Kirche selbst ist ohne jeden Makel geblieben.
Ein großer Teil der Angriffe und Fälschungen entstammt dem berüchtigten 'Pfaffenspiegel" von Otto von Corvin-Wiersbitzki. 1868 ist das Buch zuerst erschienen, und bis zum Jahre 1935 sind ein und eine viertel Million Exemplare verbreitet worden. Wer ist der Verfasser? Wie kam das Buch zustande? Das muß man wissen, um es recht beurteilen zu können und um zu sehen, mit welchem Recht die heutigen Verbreiter sich darauf berufen. Der Nationalsozialist Theodor Fritsch hat in seinem 'Handbuch der Judenfrage' (38. Auflage, 1935) festgestellt, daß Corvin-Wiersbitzki 'ein echter Jüdling' war, der Sohn einer Jüdin namens Mandel, der 1848 auf den Barrikaden von Paris für die Demokratie gekämpft hat und dann mit seinen Freischaren in Baden eingefallen ist, um Ludwigshafen in Brand zu schießen. Dafür hat er zehn Jahre Zuchthaus bekommen und sich dann der sog. deutsch-katholischen Bewegung gewidmet, um ihr Propagandamaterial gegen Kirche und Klerus zu liefern. Seine deutsche Gesinnung ist genau so viel wert wie seine Zuverlässigkeit in der Prüfung des Quellenmaterials. Daß man sich auf diesen Söldling der Franzosen als Kronzeugen gegen die 'Undeutsche' katholische Kirche berufen will, ist eine bittere Ironie der Geschichte.
Ein anderer Kronzeuge ist der Exjesuit Graf Paul von Hoensbroech, der nach vierzehnjähriger Angehörigkeit den Jesuitenorden verließ und dann zu einem grimmen Feinde von Christentum und Kirche geworden ist, so daß er selbst von Protestanten maßgebenden Ranges als völlig unobjektiv bezeichnet und als Vertreter wirklicher Deutschart, erst recht als Vertreter der Belange wirklichen Christentums energisch abgelehnt wird. — Corvin und Hoensbroech schöpfen ihr Material großenteils aus den Streitschriften der Reformationszeit, die niemals als geschichtliche Quellen, sondern nur als Haßerzeugnisse gewertet werden können, genau wie die Anklagen streitender Parteien vor Gericht erst auf ihre Beweise hin geprüft werden müssen. Sollte diese elementare Forderung der Gerechtigkeit nicht auch der Kirche gegenüber am Platze sein? Wird jemand, der eine Geschichte der nationalen Bewegung in Deutschland schreiben will, sich das Material nur von Emigranten, erklärten Gegnern und Todfeinden dieser Bewegung holen? Kein Mensch denkt daran, weil es offensichtlich ungerecht wäre. Aber das gleiche Recht darf wohl auch unsere Kirche für sich in Anspruch nehmen, wenn die Anwürfe beurteilt werden sollen, die von erklärten Gegnern stammen.
Es bleibt bei den Worten, die Josef Bernhart an die gleiche Adresse gerichtet hat: 'Nach zweitausend Jahren christlicher Geschichte ist kein Zweifel mehr, daß das Leben Jesu Christi fortdauert im Leben seines mystischen Leibes. Sie ist die Herrlichkeit, die Er war, und die Armseligkeit, die Ihn umgab: Zweifel, Verrat um Geld, Verleugnung durch die Nächsten, Ölbergflucht der Auserwählten, Mißbrauch der Macht, Streit um Rang und Ehre — nichts Menschliches fehlte im Umkreis Seines Auges. Und dennoch gab Er dem Verleugner die Schlüssel des Himmelreiches und sprach Er zu allen, die ihn alle einmal verließen: 'Ihr seid das Licht der Welt. Eine Stadt, die auf dem Berge liegt, kann nicht verborgen bleiben.'' (Göttliches und Menschliches in der Kirche; in Kleineidam-Kuss, 'Die Kirche in der Zeitenwende', 1936.)
Du hast also allen Grund, mein Lieber, bei Skandalgeschichten außerordentlich vorsichtig zu sein und nichts als bare Münze anzunehmen, was nicht durch eine vorurteilsfreie geschichtliche Forschung geprüft und endgültig festgestellt ist. So verstehst du auch, daß die Kirche an Büchern und Broschüren, die diese Skandalgeschichten verbreiten, ihre Warnungstafel anbringt. Jeder Apotheker hat seine Giftfläschchen in einem verschlossenen Schrank und gibt nur gegen besondere Bescheinigung des Arztes oder der Polizeibehörde davon ab. Oder wenn eine Mutter gefährliche Flüssigkeit im Hause hat, dann stellt sie die Fläschchen außer den Handbereich der Kinder und klebt auch zur Vorsicht für die Erwachsenen noch einen Zettel darauf: 'Gift!' Nichts anderes tut die Kirche, wenn sie gewisse Schriften auf den ;ladex der verbotenen Bücher setzt. Sie will damit sagen: Vorsicht, in diesem Buche ist Gift! Damit leugnet sie nicht das Wahre und Richtige darin, aber sie warnt vor dem falschen und Irreführenden. Die meisten, die im berufstätigen Leben stehen, sind nicht in der Lage, selbst das Wahre vom Falschen zu scheiden. Wer hat z. B. die historische Durchbildung, daß er in diesen Büchern die Greuelmärchen von den geschichtlichen Tatsachen genau unterscheidet? Es entspricht darum ganz dem Muttercharakter der Kirche, daß sie vor solchen Schriften warnt und sie verbietet. Wie verhält sich jeder vernünftige Mensch, wenn er im Schrank ein Fläschchen sieht, auf dem 'Gift' steht? Er hütet sich wohl, etwas davon zu trinken, auch nur es zu probieren. Wenn ein Haus typhusverdächtig ist, dann meidet man es aus Vorsicht, und wenn es heißt, in einem Stall sei Maul- und Klauenseuche, dann geht der Bauer in weitem Bogen drum herum, um nur ja nicht die Krankheit in den eigenen Stall zu bekommen. So klug sind die Menschen, wenn es sich um die Gesundheit ihres Leibes oder ihres Viehes handelt. Meinst du nicht, daß das geistige Gift mindestens ebenso gefährlich ist wie das körperliche? Es ist darum nur unser eigenes Wohl, wenn die Kirche uns vor solchen Dingen warnt, und ein vernünftiger Christ kann nur dankbar dafür sein, wenn er so vor Gefährdung seines Glaubens bewahrt wird.
Natürlich geschehen auch bei solchen Warnungen und Verboten menschliche Fehler. Manche geistliche Schriftsteller, auch unserer Zeit, können darüber ein Liedchen singen und kein sehr erfreuliches. Aber das gehört ebenfalls zum Menschlich-Allzumenschlichen in der Kirche, und wir haben das Recht und die Pflicht, mit den Vorschriften des kanonischen Rechtes gegen diese Übergriffe in der Zensur und Vorzensur energisch anzugehen. Diese Freiheit gibt es in der Kirche. — Aber ganz und gar falsch ist es, hinter den Verboten und Warnungen eine Unsicherheit der Kirche selbst zu vermuten, als ob der Glaube die geschichtliche Wahrheit fürchten müsse, oder daß die Gläubigen dumm gehalten werden sollten. Nein, nicht der Glaube an sich, nicht seine Wahrheit ist bedroht, aber wohl die Gläubigen, die meist nicht die nötige Fachkenntnis besitzen, um die Anwürfe und Anklagen gegen die Kirche zurückzuweisen oder auf ihr geschichtliches Maß zu beschränken. Wer mit der nötigen Vorbildung die Dinge wissenschaftlich untersuchen will, der bekommt ohne weiteres die Erlaubnis, die betreffenden Bücher zu lesen, und indem er, als treuer Sohn seiner Kirche, um diese Erlaubnis einkommt, ist ihm der Weg zu Fachleuten geöffnet, wo er zum mindesten auch die Gegenseite zu hören bekommt, und die zu hören ist sicher eine der ersten Forderungen der Gerechtigkeit und Wahrhaftigkeit. Wer aber die Warnungen und Sicherheitsweisungen seiner Kirche nicht beachten und die Giftfläschchen selbst probieren will, der darf sich nicht wundern, wenn er nachher allerlei Leibschmerzen bekommt; schließlich wird er dem Glauben ganz ersterben. Den Schaden hat er am Ende nur selber. Die Kirche aber bleibt bestehen, wenn alle Greuelgeschichten und ihre Verbreiter längst zerstäubt und vergessen sind."