"Ich predige - nicht - weiter"

- Kurze Notiz zu P. Rupert Mayer SJ -
(Kirche zum Mitreden, 11.02.2004)
P. Mayer erklärt, er wolle weiterpredigen

München, 9. Juni 1937
Erklärung:
Ich erkläre, dass ich im Falle einer Freilassung trotz des gegen mich verhängten Redeverbotes nach wie vor, sowohl in den Kirchen Münchens als auch im übrigen Bayern, aus grundsätzlichen Erwägungen heraus, predigen werde. Vorgelesen genehmigt und unterschrieben gez. Rupert Mayer SJ

Wir haben kürzlich antiquarisch das Buch von Otto Gritschneder, Ich predige weiter. Pater Rupert Mayer und das Dritte Reich. Eine Dokumentation, Rosenheim: Rosenheimer, 1987, für einen Euro erstanden. Wir erachten die Investition für vertretbar. Immerhin besteht diese Dokumentation im wesentlichen aus Zitaten, nicht zuletzt von Mayer selbst; das Bild oben ist von der Buchrückseite übernommen. Bekanntlich wurde Mayer 1987 von Wojtyla "seliggesprochen". Die Informationen der Dokumentation können helfen, die Hintergründe besser zu verstehen.

Mayer erkannte früh den "Hitlerschwindel", i.e. den diabolischen Charakter des Nationalsozialismus. Am 09.09.1930 schrieb er an Kardinal Faulhaber einen Brief (blieb unbeantwortet; zit. nach Volk, Faulhaber l, S. 489) [16f]:


München, 9. September 1930 Euer Eminenz! Hoch würdigster Herr Kardinal! Die völkischen Hetzereien können wir uns nicht groß genug vorstellen. So herrscht in unserem katholischen Volk eine beispiellose Verwirrung. Unbegreiflich , aber wahr ist es, daß der Hitlerschwindel wieder die weitesten, auch katholischen Volkskreise erfaßt hat. Und nicht bloß in der Stadt, sondern besonders auf dem Lande hat die Bewegung gewaltig an Boden gewonnen. Ich traf neulich den Herrn Pfarrer von Holzkirchen, der mir sagte, 4/5 seiner Pfarrkinder denken nationalsozialistisch. Auch der Herr Pfarrer von Dietramszell äußert sich, besonders wenn er von der heranwachsenden Jugend spricht, sehr pessimistisch. Nun ist es manchmal nicht so schlimm, als es den Anschein hat. Aber das in so großer Geistesverwirrung sich befindende Volk gibt einem doch viel zu denken, Die in in der letzten Zeit nach der Seite hin verheerenden Artikel des »Völkischen Beobachter« erlaube ich mir Euer Eminenz zur Verfügung zu stellen. Vielleicht können dieselben als Material für die Freisinger Bischofskonferenz verwertet werden. In tiefer Verehrung Euer Eminenz ergebenster Rupert Mayer SJ

Mayers offenherzige Predigten führten zu einem Predigtverbot, wozu am 13. Juni 1937 Generalvikar Ferdinand Buchwieser folgende Protesterklärung in allen Kirchen der Diözesen im Anschluß an den Sonntagsgottesdienst verlesen ließ (zit. nach Volk, Faulhaber II, S. 354ff.) [70f]:
München, 12. Juni 1937
Zahllose Anfragen, die über P. Rupert Mayer tagtäglich bei der oberhirtlichen Stelle einlaufen, und nicht minder allerlei haltlose Gerüchte, die über ihn in Umlauf gesetzt werden, zwingen die kirchliche Oberbehörde zu nachstehender öffentlicher Erklärung: Zunächst ein Wort der Beruhigung: Behandlung, Gesundheitszustand und Seelenverfassung des Herrn P. Mayer sind gut. Seinem Ordensobern äußerte er vor ein paar Tagen im wesentlichen nur Wünsche für arme und hilfesuchende Menschen, deren Anliegen er nicht mehr selbst erledigen konnte. Dann ein Wort der Aufklärung: P. Mayer erhielt vor 1 1/2 Monaten ein außerkirchliches Redeverbot. Vor 14 Tagen wurde dieses Redeverbot auch auf innerkirchliche Räume ausgedehnt, also zu einem vollen Predigtverbot, das nur für die Kirche St. Michael-München Ausnahme haben sollte. P. Mayer setzte indes im Einverständnis mit den für ihn in Betracht kommenden kirchlichen Stellen seine gewohnte Kanzeltätigkeit fort, was am Samstag, dem 5. Juni, nachmittags schließlich zu seiner Verhaftung führte. Die Kirche kann ein Recht des Staates, einem Geistlichen, der die im Reichskonkordat geforderten Voraussetzungen erfüllt, ein auch nur teilweises Predigtverbot aufzuerlegen, nie und nimmer anerkennen. Ein solches Verbot würde letzten Endes zu einer völligen Lahmlegung der Seelsorge führen, von der das Predigtamt einen wesentlichen Teil bildet. Es wäre unvereinbar mit der im Konkordat gewährleisteten Freiheit der Kirche und widerspricht ganz besonders dem Schlußprotokoll zu Art. 32. Demgemäß hat Seine Eminenz sofort nach Erlaß dieses Verbotes beim Reichskirchenministerium feierlich Protest dagegen erhoben. Das gleiche tat die kirchliche Oberbehörde auf die Kunde von der Verhaftung des P. Mayer in einem freimütigen Schreiben an die höchsten Stellen des Reiches, worin sie unter besonderer Hervorhebung der edlen Priesterpersönlichkeit des H.P. Rupert Mayer den dringlichsten Antrag stellte:
a) Es möge das Predigtverbot für P. Rupert Mayer sofort aufgehoben werden, und zwar ohne jegliche Einschränkung;
b) es möge P. Mayer ungesäumt aus der Haft freigelassen werden;
c) es möge dafür Sorge getragen werden, daß auch in Zukunft über Geistliche, welche den Voraussetzungen des Reichskonkordates entsprechen, kein Predigtverbot mehr verhängt würde.
Seine Eminenz der Hochwürdigste Herr Kardinal dankt allen Gläubigen für die viele Treue und Liebe, die sie in diesen Tagen zum Ausdruck gebracht haben. Mit dem ganzen Gewicht seines apostolischen Wortes aber mahnt er auch, daß sie bei allem Interesse, das sie an der hochgeschätzten Persönlichkeit des Herrn P. Mayer haben, volle Ruhe bewahren und unter allen Umständen von jeglicher Demonstration auf der Straße absehen. Die christliche Urkirche gibt uns ein würdiges Beispiel, wie man sich in solch ernsten Stunden zu verhalten hat; nach Eintreffen der Botschaft von der Gefangennahme des Apostels Petrus steht von ihr geschrieben: »Sie betete ohne Unterlaß für ihn zu Gott« (Apostelgeschichte 12,5). In Nachahmung dieses Beispiels wollen wir heute abends l/2 8 Uhr in allen Pfarrkirchen Münchens eine besondere Bittandacht für die Anliegen der Kirche in der gegenwärtigen Prüfungszeit halten und hiebei fürbittend auch des H. P. Mayer gedenken. Wir fordern alle Gläubigen auf, recht zahlreich zu dieser Andacht zu kommen und aus dem Bewußtsein unseres katholischen Gemeinschaftsempfindens heraus aus ganzem Herzen mitzubeten.
Buchwieser, Generalvikar

Interessant ist auch die Anklageschrift, die allerdings im Vergleich zu den Lügenkanonaden, mit denen die Redekianer und das "Landgericht Bonn" gegen uns zu Felde ziehen, noch immer sehr harmlos erscheint - gegen uns wird z.B. lebenslängliche Kerkerhaft verhängt, weil wir die für jeden leicht nachprüfbare Tatsache erwähnen, dass KzM die ursprüngliche Seite der Domain katholisch.de ist. [89-91]
Akt. Zeich.: 1 b Js-So 100/73
I. Anklageschrift
Ich erhebe öffentliche Klage gegen
Mayer Rupert, geboren am 23. Januar 1876 in Stuttgart, Sohn von Rupert Mayer und Emilie Wörle, ledig, Jesuitenpater in München, nicht vorbestraft,
in dieser Sache vom 5.-10. Juni 1937 in Polizeihaft, seitdem in Untersuchungshaft im Strafvollstreckungsgefängnis Stadelheim,
welchen ich beschuldige,
fortgesetzt öffentlich hetzerische Äußerungen über leitende Persönlichkeiten des Staates und deren Anordnungen gemacht zu haben, die geeignet sind, das Vertrauen des Volkes zur politischen Führung zu untergraben und durch die gleiche Handlung fortgesetzt als Geistlicher in Ausübung seines Berufes in Kirchen vor mehreren Personen Angelegenheiten des Staates in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise zum Gegenstand von Erörterungen gemacht zu haben.

Tatbestand: Der Beschuldigte Pater Rupert Mayer wirkt seit Jahren als Seelsorger und Kanzelredner in München und seiner näheren und weiteren Umgebung. Vor der nationalen Erhebung trat er wiederholt in politischen Versammlungen auf und kämpfte herzhaft gegen den Kommunismus; nach der Machtübernahme nahm er eine sich ständig verschärfende ablehnende Stellung gegen den Nationalsozialismus ein, so daß seine Predigten, Reden und Schriften wiederholt polizeilich beanstandet werden mußten. Am 7. Mai 1936 wurde der Beschuldigte wegen einiger hetzerischer Äußerungen seitens der Staatsanwaltschaft München I verwarnt. In letzter Zeit, insbesondere seit Beginn des Jahres 1937, hat sich der Beschuldigte in mehreren seiner öffentlichen Predigten mit dem Schulwesen, mit den Strafverfahren gegen katholische Geistliche und Ordensangehörige wegen sittlicher Verfehlungen, mit dem Pressewesen, mit dem Nationalsozialismus als solchem und mit dem nationalsozialistischen Schrifttum befaßt. Unter anderem wurden von ihm folgende Themen in seinen öffentlichen Predigten behandelt
[...]
Zusammenfassend erklärte der Beschuldigte Pater Rupert Mayer: Er habe sich nicht darüber den Kopf zerbrochen, ob er in seinen Predigten in Widerspruch geraten würde mit dem Kanzelparagraphen (§ 130a RStGB.) - von dessen Existenz er wohl wisse, den er aber bisher nicht weiter studiert habe - oder mit den Bestimmungen des Heimtückegesetzes; er würde auch jetzt, nachdem er entsprechend aufgeklärt sei, trotz dieser Bestimmungen fortfahren, auf Grund des Konkordats die Belange der katholischen Kirche zu 90 verteidigen, wie er es bisher getan habe; er halte sich hierzu in seiner Eigenschaft als katholischer Priester für verpflichtet und nach dem Konkordat auch für berechtigt.
Zur Aburteilung ist nach §§ l,2der VO vom21.3.1933überdieBildungvon Sondergerichten das Sondergericht München zuständig.
Als Beweismittel bezeichne ich:
Zeugen:
1. Lahn Paul, Student in Augsburg, Ludwigsstr. B 191
2. Schön Fritz, Burtenbach i. Schw.
3. Meck, Stationsführer der Gendarmeriestation Weißenhorn
4. Dangl Xaver, Gendarmeriemeister der Gendarmeriestation Kirchheim, B A. Mindelheim - Schw.
5. Gerstmayr Anton, Gendarmeriehauptwachtmeister der Gendarmeriestation Kirchheim, B A. Mindelheim
6. Wilhelm W., Zeitangestellter beim Polizeipräsidium München
7. Seubert K., Lehrer in Mering bei Friedberg
8. Gambs Otto, Kriminal-Inspektor der Geheimen Staatspolizei Staatspolizeileitstelle München
9. Wildegger, Gendarmeriehauptwachtmeister d. Gendarmeriestation Weißenhorn An den Herrn Vorsitzenden des Sondergerichts München mit dem Antrag auf Anordnung der Hauptverhandlung, Terminsbestimmung und Fortdauer der Untersuchungshaft.
München, den 7. Juli 1937
Der Leiter der Anklagebehörde bei dem Sondergerichte München
Resch



Damit wird die Bundesrepublik Deutschland ihrer Eigenschaft als Übernazistaat vollauf gerecht. Dies lässt sich auch an der Anklagerede des Staatsanwalts Großer festmachen: Bekanntlich stellt KzM katholische Lehre und V2-Irrlehre gegenüber und ermöglicht so dem Leser die freie Entscheidung. Mit der Gegenüberstellung von Wahrheit und Irrtum, wie sie in den kirchlichen Texten erläutert und wie er in den V2-Texten propagiert wird, erteilen wir quasi den Lesern das Wort: Sie sind nun imstande, mitzureden, z.B. durch Anfragen wie bei den Musterbriefen. Allerdings vernichten viele lieber ihre Zeit in antichristlichen Foren. und sehen in aller Seelenruhe zu, wie der Staat totalitäre Verblödungsinstitutionen unterhält, den Bürgern connis Credo aufzwingt und gegen diejenigen, die nicht im Gleichschaltungswahn Richtung Hölle mitmarschieren, die Verfolgung bis zum letzten betreibt. Was Großer nun vom nationalsozialistischen Staat schwärmt, gilt in eminenter Weise für die Bundesrepublik mit ihrer radikal totalitären Unrechtsstruktur [109.111f.116f]:
[...] Als vor 4 Jahren, 1933, die nationalsozialistische Bewegung die politische Macht in Deutschland übernahm, ist damit nicht nur eine Umformung des politischen Lebens, eine Umformung und Umstellung auf den Gebieten der Verwaltung und Gesetzgebung erfolgt, sondern die nationalsozialistische Staatsführung hat in konsequentester Durchführung ihres Gedankens, daß es sich dabei nicht nur um ein politisches Parteiprogramm, sondern um eine Weltanschauung handelt, stets für sich in Anspruch genommen, diese Weltanschauung zur Geltung zu bringen. Und Kunst und Wissenschaft, Handel und Verkehr und Industrie und alle die Beziehungen, in denen Menschen in einem Volkskörper zueinander stehen, sind umgestaltet worden im nationalsozialistischen Sinn. Es mußte dabei selbstverständlich auch aufgeräumt werden mit manchen überkommenen Begriffen und Anschauungen aus früherer Zeit.
Es ist selbstverständlich, daß bei einer so grundlegenden Umgestaltung des ganzen völkischen Lebens, die in der Verwirklichung des Gedankens von der Totalität des Staates ihren Ausdruck gefunden hat, Zusammenstöße erfolgen mußten mit jenen Mächten, die außerhalb des Nationalsozialismus eine Einflußnahme auf diesen Gebieten für sich forderten. Es erwies sich in der Folgezeit, daß gerade die katholische Kirche oder, noch allgemeiner, der politische Konfessionalismus in Deutschland eine besondere Macht war, die sich gegen diese Bestrebungen des Nationalsozialismus als Weltanschauung gestellt hat. [...]

Der Staat hat weiterhin auch seinen Grundsatz von der Totalität des Staates von der umfassenden Einflußnahme auf die Willensbildung des deutschen Volkes in der richtigen Erkenntnis von der Bedeutung der Propaganda und Presse geprägt. Der deutsche Staat, der nationalsozialistische Staat, hat bewußt Abstand davon genommen, daß die Presse ein Feld sein soll, wo die verschiedensten Meinungen ausgetragen werden sollen, auf dem Rücken des deutschen Zeitungslesers, der sich selbst eine Meinung bilden soll, und daß es also von der Presse abhängen soll, ob er von dieser oder jener Richtung in dem einen oder anderen Sinne beeinflußt werden soll. Die deutsche nationalsozialistische Regierung will bewußt in ihrem Sinne, in ihrer Auffassung, nach ihren weltanschaulichen Grundsätzen das deutsche Volk erziehen und bedient sich auch der deutschen Presse. Es ist abgerückt worden von dem früheren Grundsatz der freien Meinungsäußerung. Wenn auch hier irgend etwas wie Recht auf die Wahrheit im Interesse der einheitlichen Erziehung des deutschen Volkes unterdrückt wird - das gebe ich zu -, so ist das gerechtfertigt im Sinne der hohen Staatsauffassung, geboten im Sinne der nationalsozialistischen Weltanschauung ... [...]
Der Angeklagte hat nach all dem, was ich aufgeführt habe, als Priester in Kirchen, als Verkünder des Wortes Gottes Angelegenheiten des Staates in mehrfacher Hinsicht erörtert, und zwar in einer Weise, die geeignet sein mußte, den inneren Frieden zu gefährden, d.h., das Gefühl in den unbefangenen Zuhörern heraufzubeschwören, daß die rechtliche Sicherheit, der Rechtsfriede und die Rechtsgarantie nicht gewährleistet sei, daß die Staatsführung selbst nicht nach dem Rechten sehe, nicht in rechten Händen liege, daß sie die Gewalt mißbrauche auf verschiedenen Gebieten der Lebensäußerung und daß damit eine Gefährdung des inneren Friedens, eine Beeinträchtigung des Gefühls des Schutzes gegeben und das Bewußtsein des Schutzes innerhalb dieses Staatswesens bei den Zuhörern erschüttert werden mußte. Das war dem Angeklagten nicht nur bekannt, sondern er hat das beabsichtigt, wie seine eigenen Worte »Ich muß die Leute mit Mißtrauen erfüllen« bekunden. Er hat sich damit in obj ektiver und subj ektiver Weise eines Vergehens des Kanzelmißbrauches nach § 130 a StGB schuldig gemacht. Er kann sich nicht darauf berufen und will es auch nicht tun, daß für ihn als Geistlichen andere Rechte gelten würden als für andere Menschen. Dafür ist er selbst zu sehr gerechtigkeitsliebend. Er kann sich aber auch nicht darauf berufen, daß er hier im Sinne eines Notstandes gehandelt habe. Er hat die Gesetze des Staates zu respektieren, dem er angehört und in dem er wirkt. Er darf in keiner Weise gegen diesen Staat vorgehen, und wenn er glaubt, daß Belange der Kirche, der Religion, des Glaubens in Gefahr sind, so muß es für ihn andere Mittel und Wege geben, Vorstellungen etc. bei seinen kirchlichen Oberen, bei den staatlichen Machthabern, das zu erreichen, was sein Ziel und Zweck ist. Aber er darf nicht das Volk hin- und herreißen, zum Spielball widerstreitender Gefühle machen. Der Angeklagte hat sich aber über die Vergehen des § 130 a hinaus auch noch eines Vergehens gegen das Heimtückegesetz vom 20. Dezember 1934 schuldig gemacht, das sich der Staat geschaffen hat, um derartige Querschüsse von vornherein zu hintertreiben, um abzuhalten, daß die klare Linienführung seiner Politik weltanschaulicher Erziehung beeinträchtigt werden könnte. Der Angeklagte hat in hetzerischer Weise, also mit der Absicht, mit dem Bewußtsein, einen Zwiespalt hineinzutragen, das Vertrauen des Volkes zur Staatsführung zu untergraben versucht, versucht, den großen Kampf, der schwebt, hier auflodern zu lassen und das Volk zu einer Stellungnahme für und gegen zu entflammen, also in aufwühlender, stellungnehmender Absicht gehandelt, und zwar gegen Maßnahmen staatlicher Stellen, wobei es nicht notwendig ist, gerade die betreffenden Personen im einzelnen festzuhalten; es genügt, im allgemeinen darauf hinzuweisen, daß alle diese Anforderungen vom Staat nicht nur gebilligt und geduldet, sondern ausdrücklich gewünscht werden - also gegen Anordnungen und Einrichtungen maßgebender Persönlichkeiten des Staates und des Nationalsozialismus gekämpft in der Absicht, das Vertrauen des Volkes zur politischen Führung zu untergraben. Seine Ausführungen waren auch geeignet, dieses Ziel zu erreichen; daher liegt ein Vergehen gegen § 2 Absatz l des Gesetzes vom 20. Dezember 1934 vor.


Mayer verbrachte nach seiner "Verurteilung" die Zeit bis 1940 u.a. im Gefängnis Landsberg und im Konzentrationslager Sachsenhausen. Von 1940 bis zum Ende des Krieges lebte er im Kloster Ettal, u.z. mit den Auflagen, das Kloster nicht zu verlassen, grundsätzlich keinen Besuch zu empfangen und grundsätzlich keine gottesdienstlichen Handlungen vorzunehmen, d.h. er wurde zum absoluten Schweigen verurteilt. Mayer hat sich an diese Auflagen (also nicht an seine Erklärung) gehalten. Dies kommentiert er [200f]:


Aufgrund meiner grundsätzlichen Einstellung gegen die kirchlichen Behörden blieb mir nichts anderes übrig, als mich zu fügen. Als Herr Prälat meinte, das sei nach Ansicht des Ordinariats nur so für den Anfang gedacht es würden die Auflagen im Laufe der Zeit erleichtert - dafür hatte ich nur ein ungläubiges Kopf schütteln. Tatsächlich habe ich recht behalten. Seitdem bin ich lebend ein Toter, ja dieser Tod ist für mich, der ich noch so voll Leben bin, viel schlimmer als der wirkliche Tod, auf den ich schon so oft gefaßt war. Der Gestapo und der ganzen Bewegung konnte und kann ich keinen größeren Gefallen erweisen, als hier ruhig abzusterben, denn vor dem katholischen Volk, das mich zum Teil noch nicht vergessen hat, steht die Gestapo gut da. Die guten Menschen sagen sich: Eigentlich geht es ihm jetzt, seitdem er im Kloster ist, ganz gut. Ja, wer weiß, was ihm schon passiert wäre, wenn er jetzt in München sich aufhielte. Diese Leute bedenken es nicht, was ein solches Leben, das ich hier führen muß, für mich bedeutet, wie ich oben angedeutet habe. Sie bedenken auch nicht, daß die Fliegerangriffe mir hier seelisch viel mehr zusetzen, als wenn ich in München dabei wäre. Wenn ich nicht schon längst auf und davon gegangen bin-sie könnten mich dann ruhig einsperren oder um einen Kopf kürzer machen -, so halten mich verschiedene Rücksichten hier fest:
l. Die Rücksicht auf das Kloster, das für mich verantwortlich ist und dem ich durch Zuwiderhandlungen gegen die Gestapoauflagen große Scherereien bereiten würde. Das aber bringe ich nicht übers Herz, da man mich hier vom ersten Augenblick meines hiesigen Aufenthaltes an äußerst rücksichtsvoll, ja mit großer Liebe behandelt hat, angefangen vom Hochwürdigen Herrn Abt bis zum letzten Bruder, ja bis zum letzten Angestellten des Klosters, mit denen ich zu tun hatte. Es sind mir nicht die geringsten Schwierigkeiten bereitet worden; im Gegenteil, soweit man mir bei den drakonischen Gestapoauflagen den hiesigen Aufenthalt erleichtern konnte, hat man es getan. Das sei jederzeit dankbarst anerkannt. So konnte ich seit August 1942 bis in den November hinein täglich in dem prachtvoll gelegenen Weiher schwimmen, da der Weiher auf dem Eigentum des Klosters liegt usw.
2. Die Rücksicht auf meinen Orden, dem ich wohl durch mein Entweichen von Ettal manche Ungelegenheiten bereitet hätte.
3. Die Rücksicht auf manche lieben, guten Menschen, denen ich durch erneute Einlieferung in ein Gefängnis oder in ein Konzentrationslager oder gar durch meinen dadurch herbeigeführten Tod großes Herzeleid zugefügt hätte.
4. Die Rücksicht auf den lieben Gott, dem ich durch meinen jahrelangen Kreuzweg und die dadurch allmählich erfolgte Loslösung von allem Irdischen und Zeitlichen entschieden näher gekommen bin, wie wohl nie in meinem Leben. Sollte ich diese gerade Linie, die ich seit Jahr und Tag mit der Gnade Gottes eingehalten habe, nun durch eigenmächtiges Vorgehen gewaltsam unterbrechen? Vom Standpunkt des Glaubens aus betrachtet, glaube ich, diese Frage glatt verneinen zu müssen. So will ich das Kreuz weiter tragen und büßen und sühnen für meine eigenen Fehler und Schwächen, bis der liebe Gott durch sein Eingreifen dieses Kreuz wieder abnimmt. Auch für die kommende Zeit soll mein Losungswort heißen: »Näher mein Gott zu Dir!« Für alle verblendeten Menschen aber, die nicht wußten, was sie tun, und es auch heute nicht wissen, für unser so furchtbar heimgesuchtes Volk, für alle in meinem langen Priesterleben mir anvertrauten Seelen und besonders für alle, die mir durch Gebet und persönliche, zum Teil außergewöhnliche Opfer geholfen haben, das schwere Kreuz zu tragen, will ich durch tägliche gewissenhafte Arbeit, durch Leiden und Beten das Meine dazu beitragen, daß wir uns einmal wiedersehen und in der Anschauung und dem Besitz Gottes uns einmal ewig freuen können. Das gebe Gott!

Als Mayer dann wieder frei predigen konnte, ist er sehr bald gestorben: Bei einer Predigt am am 01.11.1945 (Allerheiligen) während einer Predigt ohnmächtig geworden, einige Stunden später war er tot.
War Mayer mit seinem Gewissen im Reinen? Konnte er sagen: Mein Schweigen war goldrichtig? Er selbst scheint sich der Problematik seiner Unterwerfung unter den Staat irgendwie bewusst gewesen zu sein. Uns wird oft die Frage und noch öfter die Bitte angetragen bzgl. unserer Kapitulation. Wir haben keine Ordensverpflichtung, unseren Bischof wird wohl keiner mehr ins Gefängnis stecken (na ja ...), aber das "Herzeleid" mancher Katholiken macht uns zugegebenermaßen ziemlich zu schaffen. Wir könnten wir ihre Tränen trocknen, wenn wir ihnen doch ausgerechnet durch unser Leiden diese Schmerzen bereiten? Wir beten dafür, dass sie nicht in Verzweiflung und Resignation fallen. Das gebe Gott! Und sollte dies der letzte KzM-Text sein (was von einigen vermutet wird), erklären wir hiermit, dass wir keine Möglichkeit sehen, ohne Schuld unserem Taufgelübde untreu zu werden, und deshalb daran festhalten.

1945 - Kriegsende: Ende gut, alles gut? Als das "Dritte Reich" mit dem verlorenen Krieg zuende ging, war dann endlich alles in Ordnung? Oder haben nicht vielleicht doch wir recht, wenn wir behaupten, dass die Bundesrepublik auf dem Verbrecherstaat aufbaut. Gab es den absolut unabdingbar notwendigen sauberen Schnitt, oder wurde das Verbrechertum fortgesetzt, um es zu höherer Blüte zu bringen, um die Endlösung zu vollziehen, um jeden unter die Herrschaft Satans zu zwingen?
Hier abschließend einige Anmerkungen von Gritschneder [202]:


Die bayerische Justiz hat sich wegen ihrer unrühmlichen damaligen Pilatusrolle bis heute nicht entschuldigt. Unverständlicherweise hat sie auch keinen Gebrauch gemacht von dem zur Beseitigung nationalsozialistischer Terrorurteile erlassenen bayerischen Wiedergutmachungsgesetz von 1946. Darin heißt es ausdrücklich: »Straffrei ist insbesondere ..., wer aus Überzeugung Vorschriften unbeachtet ließ, die überwiegend der Aufrechterhaltung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft ... dienten (und) wer für sein Verhalten allein nach nationalsozialistischer Auffassung zu bestrafen war...«Ist wegen einer dieser »Handlungen während der nationalsozialistischen Herrschaft rechtskräftig auf Strafe erkannt, so ist das Urteil auf Antrag des Staatsanwalts ... aufzuheben«. Es ist auch nichts davon bekannt geworden, daß etwa das Ordinariat oder der Orden die Aufhebung des Sondergerichtsurteils beantragt hätte. Nicht nur das: Landgerichtsrat Michael Schwingenschlögl, der Verfasser des Sondergerichtsurteils gegen Pater Rupert Mayer, wurde nach dem Krieg noch Staatsanwalt und später Landgerichtsrat in Kempten, bis er 1965 pensioniert wurde. Dr. Ludwig Wächter, der zweite Beisitzer der Sondergerichtsverhandlung, schied am 8. Mai 1945 aus dem Justizdienst; er starb, 52 jährig, 1954. Dr. Hans Mugler, der den Haftbefehl gegen Pater Mayer erlassen hatte, wurde nach neunjähriger russischer Kriegsgefangenschaft 1964 noch zum Oberstlandesgerichtsrat befördert und 1969 pensioniert. Dr. Ernst Großer, der jene verlogene Anklagerede gegen Pater Rupert Mayer gehalten hatte, wurde 1956 Präsident des Amtsgerichts München, und der Deutsche Richterbund wählte ihn 1955 sogar zu seinem 1. Vorsitzenden. Er starb 1959. Der Leiter der Anklagebehörde beim Sondergericht München, Alfred Resch, der die Anklageschrift gegen Pater Rupert Mayer unterschrieben hatte, wurde nach dem Krieg noch mehrfach befördert: 1948 zum Oberstlandesgerichtsrat beim Bayerischen Obersten Landesgericht und 1954 sogar zum Präsidenten des Oberlandesgerichts München. Sein Porträt hängt heute noch neben denen der anderen Nach-kriegs-Oberlandesgerichtspräsidenten im Dienstzimmer des Münchener Oberlandesgerichtspräsidenten.

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