Judentum - Christentum - Germanentum
(1)
- Kardinal Michael von Faulhaber (1869 - 1952), Adventspredigten
1933 -
(Kirche zum Mitreden, 14.11.2007)
Einleitung
Die fünf Kanzelreden von Kardinal Michael Faulhaber, gehalten am
03., 10. , 17., 24. und 31. Dezember 1933 in St. Michael, München,
sind heute anscheinend weitgehend in Vergessenheit gedrängt
worden. Wegen ihrer Bedeutung sollen sie hier wieder der
Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Was die rechtliche Frage betrifft: Nach
geltendem Recht besteht im
Deutschen Reich der Eigentumsschutz für Werke noch bis 50
(fünfzig) Jahre nach dem Tod des Autors; da Faulhaber 1952
gestorben ist, dürfte sich von daher kein Problem ergeben.
Das uns vorliegende Büchlein "Judentum - Christentum -
Germanentum. Adventspredigten gehalten in St. Michael zu München
1933" erschien ohne Jahrgang im Verlag der Graphischen Kunstanstalt A.
Huber, Neuturmstraße, München. Unsere sämtlichen
Versuche, den Verlag zu kontaktieren, sind bislang komplett
gescheitert. Das Buch haben wir auch nur bei antiquarischen Anbietern,
nicht aber bei den großen Buchhändlern finden können.
Wer nun meint, die Faulhaber-Predigten dürften nicht frei
veröffentlicht werden, kann uns gerne kontaktieren.
"Sedisvakantismus" und "Deutsches Reich" - Fieberträume
Zunächst zum x-ten Male der Hinweis: "Sedisvakantismus"
ist - auch
heute - kein Synonym für Katholizismus. Vielmehr gilt, dass
der
Katholizismus nur eine mikroskopisch winzige Splittergruppe in der
Masse des
"Sedisvakantismus" ist. So ist denn auch die massiv
überwältigende Mehrheit der Sedis ein Haufen fanatischer
Irrlehrer, die die Ungunst der Stunde nutzen, um das Volk mit
längst kirchlich verurteilten Irrlehren zu vergiften, wohl
wissend, dass derzeit kein Papst gegen sie Strafen verhängt. Wer
diesen Christushassern aber auf den Leim geht, bleibt dennoch selbst
schuld: Schließlich ist es trotz allem heute mehr denn je
kinderleicht möglich, zuverlässige
katholische Katechismen zu
lesen, und diese Pflicht ist angesichts aller Umstände so hoch wie
vielleicht noch nie in der Geschichte.
So mancher Sedi huldigt dem Neuheidentum in der Spielart
"Germanenwahn". Z.B. war Gerhard
Frey, der Sohn von DVU-Boss Gerhard Frey, der Anwalt von Sedi Eberhard
Heller. Bei kreuz.net rührte ein
Sedi-Kommentator unter den Nicknames "Malachias", "Christus vincit"
etc. (jeweils bis zu seiner Sperrung) eifrig die Werbetrommel für
die NPD. Hier mal einige
Kostproben seiner +.net-Beiträge:
a****
Der Jahwe des AT wurde schon von der Septuaginta mit „Herr“
übersetzt. Unser Herr ist aber nicht Jahwe, sondern Jesus
Christus, hochgelobt in alle Ewigkeit!
+++
Wir Christen glauben an den Dreifaltigen Gott: Vater, Sohn und Heiliger
Geist. An den Gott der Barmherzigkeit und Gerechtigkeit, nicht jedoch
an den NMoloch-Jahwe des Alten Testaments…!
+++
Also, lieber „Zentralrat der Juden in Deutschland“ [...] Ihr solltet
gottfroh sein und eurem Kriegsgott Jahwe auf den Knieen danken,
daß er euch das 2. Vatikanische Konzil geschenkt hat, in dem euch
die „Katholen“ als Religion, ja sogar als ihre „älteren
Brüder“ anerkannt haben.
****e
Auf die Hinweise, dass dieser Irrsinn mehrfach
von der Kirche
ausdrücklich verurteilt worden ist, erklärte "Malachias"
etc.
das kirchliche Lehramt mal eben für jüdisch
unterwandert und damit für gegenstandslos, ja
gemeingefährlich. Letztlich duldet "Malachias" etc. nur einen
einzigen Inhaber der Wahrheit, i.e. sich selbst.
Eine besondere Form des antichristlichen Germanenwahns im Sedi-Saustall
vereinnahmt kurzerhand gleich Adam und Eva: "Was viele nicht wissen,
Althochdeutsch ist die Sprache die Adam und Eva schon im Paradis
gesprochen haben."
Anfragen, wie man denn auf diesen Schwachsinn kommen könne, wurden
dabei der Einfachheit halber völlig ignoriert. Auch sonstige
Warnungen vor "Privatoffenbarungen"
stießen regelmäßig
auf taube Ohren.
Über diesen Althochdeutsch-Sedi könnte es vielleicht schon
sehr bald einen ausführlichen Text geben, da er auch sonst
schlimmen Irrtümern und Fieberträumen anhängt, was sich
- konsequent - auch in einer besonderen Verachtung für den
katholischen Klerus niederschlägt. Das Verfahren steht momentan
noch vor dem Abschluss.
Wir mahnen jeden, und wir mahnen jeden Sedi doppelt, am
kirchlichen Lehramt festzuhalten. Die Kirche hat nie gelehrt, dass
die Dogmen während einer Sedisvakanz ihre Gültigkeit
verlieren; selbst dann nicht, wenn die Sedisvakanz länger als ein
Jahr dauert. "Sedisvakantismus" ist kein Freifahrtschein in den Himmel!
Würde die Zeit nicht abgekürzt würde niemand gerettet
werden. Auch für germanischen Wahn ist im Katholizismus kein Platz!
Diesen ganzen Germania-Freaks sei ins Stammbuch geschrieben, was Pius
XI. in "Mit brennender Sorge" erklärt hat: "Wer das Lied der
Treue
zum irdischen Vaterland singt, darf nicht in Untreue an seinem Gott, an
seiner Kirche, an seinem ewigen Vaterland zum Überläufer und
Verräter werden." Der "Deutsches Reich" - Fetischismus muss sich
an der katholischen Glaubenslehre messen!
Predigt 03.12.1933: Die religiösen Werte des Alten Testamentes
»Glaubet nicht, ich sei gekommen, das Gesetz oder die Propheten
aufzuheben. Ich bin nicht gekommen, sie aufzuheben, sondern zu
erfüllen. Wahrlich, ich sage Euch: Ehcr werden Himmel und Erde
vergehen, als daß auch nur ein Jota oder ein Strichlein vom
Gesetz vergehen, bevor nicht alles erfüllt ist«. Mat. 5, 17
f.
Bereits 1899 wurde gleichzeitig auf dem Antisemitentag in Hamburg und
im Buch von Chamberlain »Die Grundlagen des 19.
Jahrhunderts« die Forderung erhoben, zwischen Judentum und
Christentum müsse ein Trennungsstrich gezogen, aus dem Christentum
müsse alles Jüdische entfernt werden. Nach fast zwei
Jahrzehnten wurden diese Gedanken neu aufgegriffen in den Büchern
»Die Sünde wider das Blut«, »Die große
Täuschung«, »Der falsche Gott«: Judentum und
Christentum könnten nicht nebeneinander bestehen, an die Stelle
der jüdischen Bibel müsse eine
Germanenbibelgesetztwerden.Marthin Luther habe nur halbe Arbeit getan,
weil er die Schriften des Alten Testamentes in seine Bibel
übernommen habe. Heute sind diese Einzelstimmen zu einem
Sprechchor angeschwollen: Fort mit dem Alten Testament! Ein
Christentum, das an den Schriften des Alten Testamentes noch festhalte,
sei eine jüdische Religion, mit dem deutschen Wesen nicht
vereinbar. Die Kinder in der Schule dürften nicht mehr mit den
biblischen Geschichten von dem ägyptischen Joseph und dem alten
Moses geplagt werden. Bei der heutigen Einstimmung der Geister sind
diese Rufe wohl geeignet, an den Grundlagen des Glaubens in der Seele
des Volkes zu rütteln.
Auch vor der Person Christi hat diese religiöse Revolution nicht
Halt gemacht. Einige wollten Christus durch einen falschen
Geburtsschein retten: Er sei überhaupt kein Jude, er sei Arier
gewesen, weil in Galiläa Arier gewohnt hätten. Solange aber
Geschichtsquellen mehr gelten als Mutmaßungen, solange ist an der
Tatsache nicht zu zweifeln: Das erste Kapitel des ersten Evangeliums
gibt den Stammbaum Jesu mit der Überschrift: »Stammbaum Jesu
Christi, des Sohnes Davids, des Sohnes Abrahams«. Ebenso
beurkundet der Römerbrief (l, 4) die Abstammung Jesu aus dem
Geschlechte Davids. Gewiß waren die Galiläer als Grenzvolk
ein Mischvolk, Christus war aber nicht in Galiläa geboren, er war
in Bethlehem geboren, in der Stadt Davids, im Gebiete des Stammes Juda,
und standesamtlich als Nachkomme Davids in die Stammregister
eingetragen. Jetzt aber rufen andere Stimmen: Dann müssen wir ihn
erst recht ablehnen, wenn er ein Jude war, und dann wiederholen sich
jene Stunden des Evangeliums: »Sie stießen ihn zur Stadt
hinaus und führten ihn bis an den Rand eines Berges, um ihn
hinabzustürzen (Luk. 4, 29.) »Wiederum hoben sie Steine auf,
um ihn zu steinigen« (Joh. 10, 31).
Zu solchen Stimmen und Bewegungen kann der Bischof nicht schweigen.
Wenn die Rassenforschung, an sich eine religiös neutrale Sache,
zum Kampf gegen die Religion sammelt und an den Grundlagen des
Christentums rüttelt, wenn die Abneigung gegen Juden von heute auf
die Heiligen Bücher des Alten Testamentes übertragen und das
Christentum wegen seiner ursprünglichen Beziehungen zum
vorchristlichen Judentum verdammt wird, wenn Steine gegen die Person
unseres Herrn und Erlösers geworfen werden, in einem Jahr, in dem
wir das Jahrhundertsgedächtnis seines Erlösungswerkes feiern,
kann der Bischof nicht schweigen. Darum halte ich diese
Adventspredigten über das Alte Testament und seine Erfüllung
im Christentum. Ich erhebe den Anspruch, als Fachmann in dieser Frage
mitzureden, weil ich elf Jahre meines Lebens an der Universität
Würzburg über diese Fragen Vorlesungen hielt und an der
Universität Straßburg den Lehrstuhl für die Hl.
Schriften des Alten Testamentes inne hatte.
I. Ein dreifaches Unterscheiden
Um volle Klarheit zu schaffen und jedes Mißverständnis
auszuschließen, mache ich im voraus drei Unterscheidungen. Wir
müssen erstens unterscheiden zwischen dem Volke Israel vor dem
Tode Christi und nach dem Tode Christi. Vor dem Tode Christi, die Jahre
zwischen der Berufung Abrahams und der Fülle der Zeiten, war das
Volk Israel Träger der Offenbarung. Der Geist Gottes erweckte und
erleuchtete Männer, die durch das Gesetz, die mosaische Thora, das
religiöse und bürgerliche Leben ordneten, mit den Psalmen das
Gebetbuch für das Familiengebet und das Gesangbuch für die
gemeinsame Liturgie schufen, in den Weisheitsbüchern
Lebensweisheit lehrten, als Propheten mit dem lebendigen Wort das
Gewissen des Volkes aufrüttelten. Nur mit diesem Israel der
biblischen Vorzeit werden meine Adventspredigten sich befassen.
Nach dem Tode Christi wurde Israel aus dem Dienst der Offenbarung
entlassen. Sie hatten die Stunde der Heimsuchung nicht erkannt. Sie
hatten den Gesalbten des Herrn verleugnet und verworfen, zur Stadt
hinausgeführt und ans Kreuz geschlagen. Damals zerriß der
Vorhang im Tempel auf Sion und damit der Bund zwischen dem Herrn und
seinem Volk. Die Tochter Sion erhielt den Scheidebrief, und seitdem
wandert der ewige Ahasver ruhelos über die Erde [Anm. PRHL: Das
ist die Legende vom "Ewigen Juden" Ahasverus: Der Schuhmacher Ahasver
wollte Jesus auf dem Weg nach Golgotha nicht vor seinem Hause ausruhen
lassen; als Strafe muss er nun selbst bis zum Jüngsten Gericht
ruhelos wandern]. Die Juden sind auch nach dem Tode Christi noch ein
»Geheimnis«, wie Paulus sagt (Rom. 11,25), und einmal, am
Ende der Zeiten, wird auch für sie die Stunde der Gnade schlagen
(Rom. 11,26). Für unsere Adventspredigten aber handelt es sich nur
um das vorchristliche Judentum.
Wir müssen zweitens unterscheiden zwischen den Hl. Schriften des
Alten Testamentes und den Talmudschriften des nachchristlichen
Judentums, die entweder Randglossen und Erklärungen zu biblischen
Texten oder selbständige Religionsbücher sind. Ich denke
dabei besonders an den Talmud, an die Mischna und an die
mittelalterliche Gesetzessammlung Schulchan Aruch. Die Talmudschriften
sind Menschenwerk, nicht vom Geiste Gottes eingegeben. Die Kirche des
Neuen Bundes hat nur die heiligen Schriften des vorchristlichen Israel,
nicht aber den Talmud als Erbschaft übernommen. [FN: Der Name
»Testament«, Erbschaftszeugnis, wurde von Christus selber
geprägt (Mark. 14,34) und in den Paulusbriefen näher
ausgeführt. Eigentlich gilt er nur für das Neue Testament,
das »erst mit dem Tode des Erblassers rechtskräftig
wird« (Hebr. 9,17), in der Folge aber wurde der Name auch auf das
Alte Testament übertragen.]
Wir müssen drittens auch innerhalb der alttestamentlichen Bibel
unterscheiden zwischen dem, was vorübergehenden Wert hatte, und
dem, was ewigen Wert haben sollte. Die langen Stammregister waren
für die alte Zeit nicht wertlos, hatten aber nicht ewigen Wert.
Ebenso die hundert und hundert Vorschriften für die alte
Opferliturgie und Reinigungsgebräuche. Für unser Thema
handelt es sich um jene religiösen, sittlichen und sozialen Werte
des Alten Testamentes, die auch im Christentum ihren Wert behalten.
II. Die ewigen religiösen Werte des Alten Testamentes
Es ist eine kulturgeschichtliche Tatsache: Bei keinem andern Volk des
vorchristlichen Altertums findet sich eine so große Zahl von
geistig hochragenden Männern, die mit ihrem Wort und ihrer ganzen
Persönlichkeit für die religiöse Ordnung ihres Volkes
sich einsetzten, wie beim altbiblischen Volk. Bei keinem andern Volk
findet sich eine solche Schriftenreihe, worin so klar, so bestimmt, so
einheitlich die Grundwahrheiten des religiösen Lebens dargeboten
werden, wie im mosaischen Fünfbuch mit seinen kindlich
schönen biblischen Geschichten, in den Büchern Samuels und
der Könige mit ihrer klassischen Erzählungskunst (unsere
Germanisten mögen sich davon überzeugen), in den Büchern
der Chronik mit ihren liturgischen Vorschriften, im Buche Job mit der
großen Leidensfrage, in den Psalmen mit den seelentiefen Gebeten,
in den Weisheitsbüchern mit ihrer Lebenskunde, in den Büchern
der vier großen und zwölf kleinen Propheten mit ihren
Volkspredigten, in den Makkabäerbüchern, in denen das alte
Heldentum des Glaubens noch einmal aufleuchtet. Heute, da Geschichte
und Schriftentum der anderen Völker der vorchristlichen Geschichte
erforscht sind, kann die Religionswissenschaft Vergleiche ziehen, und
sie wird dem Volk am Jordan das Zeugnis ausstellen: Du hast sie alle
durch deine religiöse Höhenlinie übertroffen, du hast
unter allen Völkern der alten Zeit die höchsten
religiösen Werte geboten.
Das vorchristliche Judentum hat diese Werte nicht aus sich selber
hervorgebracht. »Nicht nach menschlichem Gutdünken wurden
jene Weissagungen hervorgebracht - vom Heiligen Geiste erleuchtet,
haben jene Gottesmänner geredet« (l Petr. 1,21). Der Geist
des Herrn hat sie erleuchtet, ihre Zungen waren nach dem Psalmwort
Schreibgriffeln Gottes, und so wurden ihre Reden Gotteswort, und ihre
Bücher haben, wie die Väter von Trient erklären,
»Gott zum Verfasser«. Der französische Bibelkritiker
(Renan) wollte diese Bücher als natürliche Blüte des
semitischen Volksgeistes erklären. Warum aber haben dann die
andern Völker der semitischen Völkerfamilie nichts
Gleichwertiges oder auch nur Ähnliches hervorgebracht? Die
Babylonier waren Meister der weltlichen Kultur, besonders im Kanalbau
und Festungsbau, religionsgeschichtlich aber fruchtlos. Die Araber,
ebenfalls ein semitisches Volk, den Israeliten benachbart und
blutsverwandt, waren in religiöser Hinsicht verflacht und
versandet wie ihre Wüste. Warum der Herr gerade das Volk Israel in
dem Erdenwinkel Palästina zum Träger seiner Offenbarung
erwählte, bleibt ein Geheimnis seiner Gnadenwahl. Wir aber danken
dem Vater des Lichtes, daß er ihre Hl. Schriften in Abschriften
und Übersetzungen als »Buch des Lebens« (Sir. 24,32)
uns erhalten hat.
Im Besondern verdanken die menschliche Kultur und christliche Religion
dem Alten Testament einen reinen und erhabenen Gottesgedanken, das
Biblischeste an der Bibel, die Offenbarung von Jahwe, dem Seienden, von
Gott Sabaoth, dem Herrn der Heerscharen. Von dem einzigen Gott, der
keine fremden Götter neben sich duldet. Von dem
überweltlichen, persönlichen Gott, der in der Offenbarung aus
seinen unendlichen Höhen sich niederneigte und durch seine Boten
zu den Menschen redete, der sein Gesetz gab und für dieses Gesetz
Gehorsam forderte. Von dem Gott, der in der dichterischen,
nichtphilosophischen Sprache der Psalmisten mit Hoheit und Herrlichheit
sich umkleidete, mit dem Licht wie mit einem Mantel sich umgab, die
Himmel wie ein Zelttuch ausspannte, die Geister zu seinen Boten machte
und das lohende Feuer zu seinem Herold (Ps. 103,1-4). Der Gottesgedanke
ist der höchste Gedanke, den der Menschengeist denken kann.
Die Völker der Umwelt Kanaans haben auch nicht von weitem die
Höhenlinie des biblischen Gottesgedankens erreicht. Nicht die
Assyrer und Babylonier mit ihren an sich frommen Götterhymnen.
Nicht die Ägypter mit ihren Tiergötzen. Nicht einmal das Volk
von Hellas. Auch dieses geistig hochstehende Weisheitsvolk hatte einen
Olymp von Göttern und hat trotz der neuplatonischen Reinigung der
Götterlehre einen ähnlich erhabenen Gottesgedanken nicht
erreicht.
Ich kenne die Einwände gegen den alttestamentlichen Gottesbegriff:
Gott habe ein Menschenopfer von Abraham gefordert. Gott hat nicht ein
Menschenopfer gefordert. Er wollte den Stammvater auf die Probe
stellen, ob er Glauben und Gehorsam üben könne, auch wenn der
Menschenverstand dabei ratlos ist und das Vaterherz darüber
brechen möchte. In ändern Erzählungen erscheint Jahwe
zornig und leidenschaftlich, weil jene alten rauhen Zeiten mit rauhem
Wort angefaßt werden mußten. In ändern
Erzählungen ist es die Bildersprache in morgenländischer
Farbenglut, die zu Ausdrücken wie Eifersucht und Rachsucht greift,
oder auch die erzieherische Fassung der Gedanken, die allein auf jene
Kinder in der Vorschule der Offenbarung Eindruck machte.
Im Evangelium des Neuen Testamentes ist der Gottesgedanke des Alten
Bundes vollendet und erfüllt. »Dazu ist Christus in die Welt
gekommen, damit wir den Vater erkennen als den einzig wahren Gott und
seinen Gesandten« (Joh. 17, 3). Die Menschen des Alten Bundes
redeten »wie Kinder«, der Neue Bund ist »Mann
geworden, der das Kindhafte ablegte« (l Kor. 13,11). Der gleiche
Gott, der aus dem Dornbusch am Horeb redete, war in der Person des
Gottmituns sichtbar erschienen. Christus hat den Gott Abrahams, Isaaks
und Jakobs den »Gott der Lebendigen« genannt (Mat. 22, 32)
und die Gotteshymnen der Vorzeit in den ersten Bitten seines Vaterunser
wunderbar zusammengefaßt. Der Gott des Neuen Bundes ist nicht ein
anderer Gott als der Gott des Alten Bundes. Und doch wird der
Gottesgedanke im Evangelium nach einer dreifachen Richtung
»erfüllt«: Hier werden die Vollkommenheiten Gottes
lichtvoller geoffenbart. Hier wird der starre EinGottGedanke des Alten
Testamentes zur Lehre von der Heiligsten Dreifaltigkeit
fortgeführt. Auch im Alten Bund war im dreimaligen Sanctus dieses
Geheimnis angedeutet, im Evangelium aber wird es deutlich
ausgesprochen: Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen
Geistes. Hier wird im Evangelium der Weg zu Gott gezeigt:
»Niemand kommt zum Vater außer durch den Sohn« (Joh.
14, 6).
Unsere Regierung hat ein offenes Bekenntnis zu Gott abgelegt und wir
haben das Bekenntnis dankbar angenommen. Das war nicht ein Bekenntnis
zum alttestamentlichen Gott. Das konnte nur ein Bekenntnis zum
Gottesglauben des Evangeliums, also auch ein Bekenntnis zu Christus
sein. Unter Christen darf der Name Gott nicht so ausgehöhlt
werden, daß er ebenso gut dem Jupiter des Olymp, dem Allah von
Mekka oder dem Donar der alten Germanen gelten könnte.
Der zweitgrößte religiöse Wert des Alten Testamentes
ist der Erlösungsgedanke. Das Evangelium ist Frohbotschaft von der
»ewigen Erlösung« (Hebr. 9, 12). Heute hörten wir
im Tagesevangelium: »Erhebt eure Häupter, es naht sich euere
Erlösung« (Luk. 21, 28). So klingt es auch durch das ganze
Alte Testament: »Ich weiß, daß mein Erlöser
lebt« (Job 19, 25). Tauet Himmel den Gerechten und die Erde
möge den Erlöser sprossen (Is. 45, 8). Vergleichen wir damit
die Religionsbücher der indischen Gottsucher, die am Ende im
Nirwana, in der Botschaft der Verzweiflung, ausklingen. Ein Buch, das
die Frohbotschaft der Erlösung bringt, - »Schüttelt den
Staub ab, werdet Licht, die Herr» lichkeit des Herrn wird
aufgehen« (Is. 52, l f; 60,1) - ein Buch, das aus Verdrossenheit
und Verzweiflung herausreißt, ist ein Wohltäter der
Menschheit.
In den messianischen Weissagungen haben die Hände der Propheten
Zug um Zug in das Bild des Erlösers eingezeichnet. Sie
grüßen ihn aus weiter Ferne als den Schlangentreter, als die
Sehnsucht der Völker, als den Sproß aus dem Königshaus,
als die Weisheit Gottes, als das Licht der Heiden, als Wunderkind und
starken Helden, als Vater der Zukunft und Friedensfürsten, als
Lamm an der Schlachtbank. Dabei werden die Wortweissagungen durch
Sachweissagungen ergänzt, etwa durch das Osterlamm, in dessen Blut
das Volk aus der Knechtschaft von Agypten befreit wurde. Auf einer
wunderbar geraden Linie wird die Erlösung die Jahrhunderte
hin» durch vom Finger Gottes vorbereitet.
III. Zwei ernste Mahnungen.
Halten wir die Hl. Schrift des Alten Testamentes in Ehren! Wir stellen
das Alte und das Neue Testament nicht auf die gleiche Stufe. Die
Hl.Schriften des Neuen Testamentes, Evangelien, Apostelgeschichte,
Apostelbriefe, Geheime Offenbarung müssen den ersten Ehrenplatz
behalten. Aber auch die Schriften des Alten Testamentes sind vom Geiste
Gottes eingegeben, also heilige Bücher, kostbare Bausteine
für das Reich Gottes, unschätzbare Werte der religiösen
Ordnung. Die Kirche hat auch über die Schriften des Alten
Testamentes die schützende Hand gehalten, die 45 Schriften des
Alten Testamentes und die 27 Schriften des Neuen Testamentes zu einem
Buch zusammengefaßt und auch alttestamentliche Texte in ihre
Liturgie aufgenommen. Das Christentum wurde durch Übernahme dieser
Bücher keine jüdische Religion. Diese Bücher sind nicht
von Juden verfaßt, sie sind vom Geiste Gottes eingegeben und
darum Gotteswort und Gottesbücher. Diese Geschichtsschreiber waren
Schreibgriffeln Gottes, diese Sänger von Sion waren Harfen in der
Hand Gottes, diese Propheten waren Lautsprecher der Offenbarung Gottes.
Darum bleiben diese Bücher glaubwürdig und ehrwürdig
auch für spätere Zeiten. Abneigung gegen Juden von heute darf
nicht auf die Bücher des vorchristlichen Judentums übertragen
werden. Im Neuen Testament, im Hebräerbrief (c. 11), werden Abel,
Henoch und andere Charakterbilder des Alten Bundes als Vorbilder des
Glaubens auch für den Christen aufgestellt. Der hl. Franz von
Assisi hebt den Zettel vom Boden auf: »Es soll niemand darauf
treten, es könnte der Name Gottes darauf stehen«. Niemand
darf die Hl. Schriften des Alten Bundes mit Füssen treten; der
Name Gottes steht darin. Kardinal Manning sagte einmal zu Israeliten:
»Ich würde meine eigene Religion nicht verstehen, wenn ich
für die Ihrige keine Ehrfurcht hätte«.
Halten wir die Hl. Schrift des Alten Testamentes in Ehren! Lassen wir
auch die biblische Geschichte des Alten Testamentes nicht aus den
Schulen verdrängen! Diese biblischen Geschichten haben hohen
erzieherischen Wert in der Schule, wenn sie gut ausgewählt und in
schöner Sprache wiedergegeben sind und wenn der Lehrer versteht,
ihnen Leben einzuhauchen.
Für uns Katholiken ist die Bibel nicht die einzige Glaubensquelle.
Neben der Bibel fließt als zweite Glaubensquelle die kirchliche
Tradition. Neben dem Bibelbuch steht im kirchlichen Lehramt der Lehrer.
Neben der guten Weide der gute Hirt. Neben den kostbaren Bausteinen der
gute Baumeister. Für uns Katholiken greift also die
Los-von-Moses-Bewegung nicht in gleicher Weise an den religiösen
Lebensnerv wie für die von uns getrennten Brüder, die in der
Bibel die einzige Grundlage ihrer Glaubenslehre erblicken. Wir reichen
den getrennten Brüdern die Hand, um gemeinsam mit ihnen die Hl.
Bücher des Alten Testamentes zu verteidigen und dem deutschen Volk
dieses kostbare Lehrgut für die christliche Schule zu erhalten.
Die deutschen Klassiker haben die Hl. Schrift des Alten Testamentes in
Ehren gehalten. Biblische Klänge finden sich bereits in den
ältesten Stücken der deutschen Literatur, im Rolandslied, im
Lied vom hl. Gral, im Parzival des Wolfram von Eschenbach. Im
Wessobrunner Gebet aus dem 9. Jahrhundert, in Freidanks
»Bescheidenheit« und anderen Stücken der deutschen
Spruchdich« tung beobachten wir gedankliche Anleihen und
wörtliche Anklänge an die alttestamentlichen
Weisheitsbücher. Walter von der Vogelweide und andere
Minnesänger waren mit der vorchristlichen Bibel vertraut. Vollends
in der Blütezeit der deutschen Literatur Klopstock, der
Sänger der Messiade, Herder, der Lobredner der hebräischen
Dichtkunst, und Goethe, der nicht von dem religiösen Geist, aber
von der Schönheit der biblischen Sprache angezogen wurde, der in
seinem Faust den Eingang zum Buche Job nachdichtete und einmal die Hl.
Schrift mit dem Schleier der Veronika verglich: »Wie auf jenes
Tuch der Tücher sich des Herren Antlitz drückte, so auch mich
das Buch der Bücher oft in tiefster Brust entzückte«.
Auch in neuzeitlichen Bühnenstücken und Mysterienspielen und
Prosawerken finden sich viele Nachdichtungen des Alten Testamentes,
wenngleich dabei, wie in Hebbels Judith, zuweilen nur der Buchstabe,
nicht der Geist der Bibel übernommen wurde. Wir müßten
unsere Klassiker Lügen strafen, wollten wir das Alte Testament
mißachten und aus den Schulen und Volksbüchereien verbannen.
Wir müßten aus dem, Wortschatrder deutschen Sprache viele
Ausdrücke ausstreichen. Wir dürften nicht mehr von der
verbotenen Frucht und der himmelschreienden Sünde reden, nicht
mehr vom kleinen Benjamin und keuschen Josef, nicht mehr von der
ägyptischen Finsternis und babylonischen Verwirrung, nicht mehr
vom Ölzweig des Friedens und vom Sündenbock. Wir
müßten die Geistesgeschichte unseres Volkes verleugnen.
Halten wir die Hl. Schrift des Alten Testamentes in Ehren!
Eine zweite Mahnung: Wirken wir mit der Gnade Gottes mit, das Alte
Testament an uns selber zu erfüllen! Christus ist nicht gekommen,
das Gesetz oder die Propheten aufzuheben, sondern zu erfüllen. Ein
ander« mal sagte er: »An mir muß dieses Schriftwort
in Erfüllung gehen« (Luk. 22,37). Wie oft berichtet
Matthäus: Das und das ist geschehen, damit das Prophetenwort
erfüllt werde. Was heißt das, das Alte Testament
erfüllen? Erfüllen heißt, etwas, was Stückwerk
ist, vollenden und fertig machen. Etwas, was halb leer ist (das
Gleichnis ist vom Hohlmaß, etwa von einem Becher genommen),
vollmachen und auffüllen bis zum Rand. Etwas, was unvollkommen
ist, vollkommen machen. Erfüllen heißt, bildlich gesprochen,
aus der Schale den Kern nehmen, aus der Vorschule des Alten Testamentes
in die Hochschule des Evangeliums überleiten, von den Vorbildern
zum Urbild führen. Das Alte Testament war an sich gut, im
Vergleich mit dem Evangelium aber Stückwerk, Halbheit,
Unvollkommenheit. Das Neue Testament hat vollendet, hat die ganze
Offenbarung Gottes gebracht. »Kommt das Vollkommene, dann
hört das Stückwerk auf« (l Kor. 13, 10).
Das Volk Israel stand durch die Heilandmutter in Blutsbeziehungen mit
Christus. Blutsbeziehungen allein genügen aber nicht im Reiche
Gottes. Der Vorläufer sagte seinen Zuhörern ins Gesicht: Ihr
seid stolz, Kinder Abrahams zu sein? »Gott kann aus den Steinen
hier am Boden Kinder Abrahams erwecken« (Mat.3, 9). Dem Heiland
selber wurde während einer Predigt gemeldet: »Deine Mutter
und deine Brüder stehen draußen und wollen dich sehen. Er
antwortete ihnen: Meine Mutter und meine Brüder sind die, die das
Wort Gottes hören und befolgen« (Luk. 8,20 f). Christus
lehnt also die Blutsbeziehungen ab und verlangt Glaubensbeziehungen,
das Hören auf die Worte Gottes. Wer durch die Taufe und den
lebendigen Glauben mit Christus verbunden ist (Gal. 3, 28), gilt ihm
als Mutter und Bruder. Die Frage lautet also nicht: Wurde Christus als
Jude oder als Arier geboren? Die Frage lautet: Sind wir durch Taufe und
Glauben in Christus eingegliedert? »In Christus Jesus hat weder
das Judesein an sich einen Wert, noch das Nichtjudesein, sondern nur
die neue Schöpfung« (Gal. 6, 15). Das Alte Testament war auf
Blutsbeziehungen, das Neue Testament ist auf Glaubensbeziehungen
aufgebaut. Schwerer als »die Sünde wider das Blut« ist
die Sünde wider den Glauben.
Christus ist die persönliche Erfüllung des Alten Testamentes.
In Christus sind Gesetz und Propheten bis auf das Jota und Strichlein,
das heißt bis auf den kleinsten Mitlauter und Selbstlauter des
hebräischen Alphabets erfüllt worden. Auch wir müssen
über das Alte Testament hinaus wachsen, das Alte Testament an uns
»erfüllen«. Im einzelnen heißt das für die
religiöse Ordnung:
Wir müssen die Gebete des Alten Testamentes erfüllen. Die
Psalmen, die unsterblich schönen Gebete, sind in das Brevier der
Kirche übernommen. Sogar die Gebete der Makkabäer, die
gewiß heldenhafte Gebete waren (l Mak. 3, 59 f), sind im Brevier
beibehalten. Die Gebete des Alten Bundes werden aber erst dann
erfüllt, wenn sie nicht handwerksmäßiges Lippengebet,
wenn sie Gebet im Geiste und in der Wahrheit, Gebet im Namen Jesu sind.
Wir müssen das Fasten und Almosen erfüllen. Die Propheten
haben das heilige Fasten verkündet (Joel 2,19). Später aber
wurde das Fasten in pharisäischer Scheinheiligkeit entheiligt, das
Almosengeben an den Straßenecken ausposaunt. Fasten und Almosen
werden im Geiste des Evangeliums erfüllt, wenn das Fasten in der
Demut des Herzens beobachtet und das Almosen nicht aus
pharisäischer Selbstsucht, sondern aus wirklicher Liebe zum
notleidenden Bruder gegeben wird.
Wir müssen die Reinigungsgebräuche des Alten Testamentes an
uns erfüllen. Was für umständliche Waschungen und
Reinigungen waren notwendig, bis der Aussätzige rein erklärt
wurde! Bis sonst ein Unreiner im Blute von Böcken und Rindern
»äußerlich rein erklärt wurde« (Hebr. 9,
13) Wir erfüllen diese Gebräuche, wenn wir die Seele vom
Aussatz der Sünde reinigen durch Reue und Beicht und den
Innenmenschen abwaschen im Blute des göttlichen Lammes. Wir
müssen die Opfergesetze des Alten Bundes erfüllen. Wir opfern
nicht mehr blutige Tieropfer auf dampfenden Altären, wir
erfüllen das Alte Testament durch Teilnahme an dem reinen
Speiseopfer, das nach dem Prophetenwort (Mal. l, 11) vom Aufgang der
Sonne bis zum Niedergang den Namen des Herrn unter den Völkern
verkündet.
So muß jeder durch Christus und mit Ihm und in Ihm das Alte
Testament an sich selber erfüllen. Soviel sind wir aus dem
Schattenreich des Alten Testamentes in das Lichtreich des Evangeliums
getreten, soviel sind wir vom Buchstaben der Gottesknechtschaft zum
Geiste der Gotteskindschaft vom Judentum zum Christentum gekommen,
soviel wir vom Lippengebet zum Gebet im Namen Jesu, vom
pharisäischen Fasten und Almosen zu Demut und Liebe, von
äußerer Sauberkeit zur Reinheit des Herzens, vom Opfer der
blutigen Hände zum reinen Opfer unserer Altäre gelangt sind.
Soviel sind wir über das Judentum des Alten Testamentes
hinausgewachsen, soviel sind wir im Christentum, soviel wir
Christusgeist und Christusliebe in uns haben. Amen.
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