(10) Wer könnte es in Abrede stellen, daß für die Mehrzahl
der Menschen des 20. Jahrhunderts Goethes Lebensreligion, überhaupt
der Kultus großer Persönlichkeiten, weit mehr bedeutet hat,
als die Erlösungs- und Jenseitsreligion Christi?
Die Zerstörung Deutschlands war längst vorbereitet. Adolf
Hitler, dieser größte Unglücksmensch aller Zeiten, hat
von dieser Pandorabüchse des aufgestapelten deutschen Unheils nur
den Deckel abgehoben, und die Früchte der Gottlosigkeit konnten ihre
Reife rinden. Er setzte Gott wie eine ihm dienstbare Figur auf sein Schachbrett,
rief Gott den "Allmächtigen" zum Zeugen an für sein Tun und Handeln
und wollte Gott sogar zwingen, seine Verbrechen auch noch zu segnen. Er
erklärte sich als der von Gott gesandte Retter und Führer für
Deutschland und Europa und gleichzeitig warf er das Kruzifix aus den Schulen,
riß Christus aus den Herzen der Jugend und des Volkes und ließ
Millionen von Menschen in Bartholomäusnächten und Konzentrationslagern
in bestialischer Weise quälen und ermorden und aus den Leichen Kunstdünger
herstellen. Zur Massenvernichtung gesellte er den Massenhaß und das
alles unter Aufruf zu Gott dem Allmächtigen.
Dies war die folgenreichste Auflehnung gegen die Erlösungsbotschaft
durch Christus, das gewaltigste und furchtbarste Drama aller prometheisch-faustischen
Selbsterlösung aus dem Geiste der Maßlosigkeit, der Hybris und
Gottesferne, nachdem wir 2000 Jahre Christus erlebt haben. Dieses freventliche
Spiel mit Gott hätte nicht deutlicher zum Ausdruck gebracht werden
können als durch den Ausspruch in breiter Öffentlichkeit: Den
ersten Weltkrieg haben wir mit Gott verloren, den zweiten werden wir ohne
Gott gewinnen! Der völlige, geistige, politische und wirtschaftliche
Zusammenbruch Deutschlands war das notwendige Ende.
(14) Der größte Rebell gegen Christus und gegen die Kirche,
Adolf Hitler, sprach mit vollendeter Deutlichkeit aus, was der antichristlich
gewordene Zeitgeist fühlte und wollte, wenn er in seinen Gesprächen
mit Hermann Rauschning (Die Wandlung, Hiedelberg, Jg. 1, S. 685ff) sein
Bekenntnis gegen Christus, gegen die Erlösung durch Christus ablegte:
"Wir beenden einen Irrweg der Menschheit. Die Tafeln vom Berge Sinai
haben ihre Gültigkeit verloren. Das Gewissen ist eine jüdische
Erfindung. Es gibt keine Wahrheit, weder im moralischen noch wissenschaftlichen
Sinne. Jede Tat ist sinnvoll, selbst das Verbrechen. Die Vorsehung hat
mich zu dem größten Befreier der Menschheit vorbestimmt. Ich
befreie den Menschen von dem Zwange eines Selbstzweck gewordenen Geistes;
von den schmutzigen und erniedrigenden Selbstpeinigungen einer Gewissen
und Moral genannten Chimäre und von den Ansprüchen einer Freiheit
und persönlichen Selbständigkeit. Der christlichen Lehre von
der unendlichen Bedeutung der menschlichen Einzelseele und der persönlichen
Verantwortung setze ich mit eiskalter Klarheit die erlösende Lehre
von der Nichtigkeit und Unbedeutsamkeit des einzelnen Menschen und seines
Fortlebens in der sichtbaren Unsterblichkeit der Nation gegenüber.
An die Stelle des Dogmas von dem stellvertretenden Leiden und Sterben eines
göttlichen Erlösers tritt das stellvertretende Leben und Handeln
des neuen Führergesetzgebers, das die Masse der Gläubigen von
der Last der freien Entscheidung entbindet."
Es gibt in den Annalen der Weltgeschichte nicht viele Dokumente, aus
denen die Verheißung: "Ihr werdet sein wie Gott", der Trotz des Satans
gegen Christus schärfer herausleuchtete als aus diesen vermessenen
Worten. Führung von Menschen, Autorität ohne die Verankerung
an die Gebote Gottes ist nicht möglich. Sie führt auf dem Wege
der Selbsterlösung in den Abgrund. Die katholische Kirche hat Gott
und Christus zum Ausgangspunkt und zum Fundament.
(15) Wenn in der französischen Revolution die Erkämpfung der "Menschenrechte" mit dem Rufe der Freiheit eingeleitet wurde, so bleibt mit diesem Freiheitsbegriff die Guillotine unzertrennlich verknüpft. Ebenso geht die Blut- und Foltertechnik in den Konzentrationslagern auf die Wahnidee der Befreiung der Menschheit zurück. Die Erfahrung lehrt, daß die Menschen nur dann in Freiheit leben können, wenn sie sich unter die höheren Gewalten der Wahrheit, der Gerechtigkeit, der Ordnung beugen. Das aber bedeutet: Bindungen. Ihre Auslegung kann nicht dem einzelnen Menschen überlassen bleiben. Ohne Bindung an eine Autorität mit der Kraft der letzten Entscheidung gerät jede Freiheit in Gefahr Unfreiheit, Brutalität und Terror zu werden.
Trotzdem verkürzt Rost das Problem nicht auf die Person Hitlers, sondern sieht den Gesamtzusammenhang, der von den heutigen Deutschen im Zuge des Übernazitums gerne ignoriert wird:
Wir zitieren im folgenden einige Ausführungen von Rost über
Bismarck und Hitler. Was Rost hier erläutert, wird bei KzM-Lesern
keine Verwunderung hervorrufen. Bismarcks antichristliches Wirken wurde
bereits in "Der Christ und die Volksgemeinschaft"
angesprochen; die ausführliche Würdigung von Mein
Kampf enthielt auch die Schwärmerei Hitlers für Luther. Dass
die Freimaurerei antichristlich ist, ist darin
ebenfalls erläutert, und so verwundert es nicht, dass die V2-Sekte
ihren intensiven Kontakt zur Freimaurerei öffentlich zelebriert, dass
eine ganze Reihe von uns aus der V2-Ausbildung bekannten "Priestern" öffentlich
Mitglieder im Rotary-Club oder Lions-Club sind und dass am 29.08.2002 V2-"Diözesanbischof"
"Dr." Alois Schwarz in Klagenfurt dafür gedankt hat, dass es freimaurerische
Verbindungen wie den Lions-Club gibt (von der Freimaurerei hat Schwarz
aber möglicherweise nichts erwähnt).
Ebenfalls wurde bei KzM thematisiert, dass Hitler sich als Erlösergestalt
gesehen hat, von anderen als solche gesehen wurde und auch heute noch von
einigen Revisionisten mit Christus verglichen wird, wobei Christus aber
nur den zweiten Preis macht (s. "Heil Hitler?"
; vielleicht an anderer Stelle neuere Beispiele aus dieser Szene).
Dass die Staatsvergottung auch heute herrscht, ist besonders leicht
erkenntlich an dem Katholiken-Prozess, bei dem
der Staat treu nach Hitlers Maxime gehandelt hat: "Ich will die katholische
Kirche zertreten wie eine Kröte!" (zit. nach J. Lenz, Christus in
Dachau, Wien 1957, 137). Die Denic nennt das ganze dann noch ein "rechtskräftiges
Urteil", und alle Satansdiener freuen sich ob des Sieges der Lüge
über die Wahrheit. Sie werden noch erleben, wer das letzte Wort hat.
Was Religion in Deutschland heute zählt, hat der Kommunalpolitiker
Bernhard Hartard (SPD) auf den Punkt gebracht: "Jede Religion ist Gift
für die freiheitliche Demokratie" (ebd.).
Wie seinerzeit Hitler, so reißen heute die deutschen Propagandaführer
die Kruzifixe von den Wänden, hacken sie katholische Priester zu Boden,
fördern sie nach Kräften die Apostasie, alles streng "im Bewußtsein
ihrer Verantwortung vor Gott" (s. z.B. das Kruzifixurteil).
Die ärgsten Verstöße gegen das Naturrecht
werden als Gehorsam gegenüber "Recht und Gesetz", ja gegenüber
"Gott" verkauft - wer das den professionellen Demagogen noch abkauft, ist
selbst schuld.
Wie ist also die gegenwärtige Lage in Deutschland zu beurteilen?
Eine Antwort gibt der Auszug aus dem Text von Rost:
H. Rost
Die katholische Kirche, die Führerin der Menschheit
Eine Kultursoziologie
Westheim bei Augsburg 1949
(Ss. 336-355)
Wenn unsere Darlegungen den Anschein erwecken könnten, als läge
hier eine Abschweifung in die Politik vor, so muß erwidert werden,
daß auch die Politik sich nicht trennen läßt von der grundsätzlichen
Gesamthaltung im Sinne des katholischen Bindungsgedankens. Er allein hätte
das Abendland und unser Volk vor dem Abgleiten in unser heutiges Elend
bewahren können. Diese Erkenntnis steht heute klar vor aller Augen,
die diese inneren Zusammenhänge verfolgen. Die Suggestion von Historikern
wie Treitschke, Sybel u. a., daß Preußen der Garant für
Deutschlands Größe in der Welt sein müsse, die Betörung
des Volkes durch den Fridericus Rexkultus mußten wie Seifenblasen
zerplatzen, weil Macht ohne Gerechtigkeit, Staatsführung ohne den
obersten göttlichen Staatenlenker keine Fundamente sind, auf denen
ein Volk sich den Segen Gottes und die Achtung der Welt erwerben kann.
Es ist ein weiteres großes Verhängnis für Deutschland
gewesen, daß diese Macht- und Gewaltideologie friderizianischer Prägung
in der Politik Bismarcks ihre geradlinige Fortsetzung fand. Wir lassen
wieder den oben erwähnten evangelischen Pfarrer Berger zu Worte kommen,
um nicht in den Verdacht der Voreingenommenheit zu kommen. Berger beurteilt
Bismarcks Haltung vom Standpunkt des christlichen Gewissens aus. Bismarck
zeigt uns in seinen "Gedanken und Erinnerungen" mit seinen eigenen Worten
und mit einer verblüffenden Offenheit, "daß seine Politik völlig
losgelöst war vom christlichen Gewissen und sich bloß von rein
weltlichen Gesichtspunkten leiten ließ". Der Staat ging ihm über
alles, "im politischen Leben kannte er kein Gefühl für die Heiligkeit
des Menschenlebens und für Würde, Freiheit und Recht der Persönlichkeit"
(Christian Berger, Bismarcks Politik im Lichte des christlichen Gewissens,.
Ludwigsburg bei Stuttgart o.J., S. 10). Der unchristliche Charakter der
Staatskunst Bismarcks offenbart sich auf das deutlichste in der Frage der
skrupellosen Annexion der Herzogtümer Schleswig-Holstein, des Fürstentums
Hessen, des Königreichs Hannover, der freien Stadt Frankfurt am Main.
Zu wiederholten Malen erklärte Bismarck, daß er sich mit der
Revolution und dem Teufel alliiere, wenn es sich um die "heiligsten Interessen
Preußens" handle. Auch mit dem Ausland hat sich Bismarck verbündet,
wenn es ihm nur Vorteile gegen das verhaßte Österreich brachte.
Die Politik Bismarcks gegen den König von Hannover bezeichnete Berger
geradezu als "verbrecherisch". "Man sollte es nicht für möglich
halten, daß ein Deutscher so etwas (wie die Eroberung deutscher Staaten),
nicht vielleicht dem Ausland, nein deutschen Brüdern gegenüber
tun konnte." "Ohne mich", sagte Bismarck (M. Busch, Tagebücher, Bd.
1, S. 115) im Herbste 1877 "hätte es drei große Kriege nicht
gegeben, wären 80 000 Mann nicht umgekommen und Eltern, Brüder,
Schwestern, Witwen trauerten nicht". Hartnäckig sträubte sich
Bismarck auch ursprünglich gegen die sozialen Reformen und bat den
Kaiser, dessen Entwürfe zu den sozialpolitischen Erlassen ins Feuer
werfen zu dürfen. Berger kommt zu dem Ergebnis, daß die Politik
Bismarcks im Lichte des christlichen Gewissens nicht bestehen kann. Sie
war nicht geleitet von Recht und Gerechtigkeit, sondern von roher Gewalt
und preußischer Herrschsucht" (S. 39). Dieser Geist des Eroberns
zwang dann Deutschland zu seinem System des Militarismus, "er starrte in
der furchtbarsten Rüstung, hatte die Faust ständig an dem besten
und schärfsten Schwert der ganzen Welt". Und so sehr durchdrang dieser
echt preußische Kriegsgeist das ganze Denken des im Grunde friedlichen
deutschen Volkes, daß man bei uns die erhabene Idee der friedlichen
Austragung von Völkerkonflikten vor einem Schiedsgerichtshof einfach
nicht zu fassen vermochte.
Preußen-Deutschland lebte im Geiste der Kriegsverherrlichung
und Machtanbetung. Im Jahre 1899 fand die erste, auf Anregung des Zaren
zusammengerufene Friedenskonferenz im Haag statt, die über die Abrüstung
der europäischen Staaten und die Möglichkeit einer schiedsgerichtlichen
Entscheidung internationaler Streitfragen beraten sollte. Die führenden
deutschen Nationalökonomen erklärten von vorneherein eine Abrüstung
für unmöglich. Der deutsche Jurist Kahle fürchtete, daß
sich "unsere germanischen Ahnen in ihren Gräbern umdrehen würden".
Der Kaiser hielt eine ablehnende Rede und der deutsche Delegierte im Haag
lehnte als erster Sprecher jeden Gedanken an Abrüstung mit einer unerhörten
Schärfe ab. Die Königsberger philosophische Fakultät, deren
ehemaliges Mitglied Immanuel Kant den berühmten Traktat "Zum ewigen
frieden" geschrieben hatte, ernannte daraufhin diesen deutschen Delegierten
sofort zu ihrem Ehrendoktor (nach R. Degkwitz, Das Alte und das Neue Deutschland,
Hamburg 1946). Der starre Glaube an den allein den Frieden schützenden
Säbel machte unsere amtlichen Vertreter auch auf der zweiten Konferenz
im Haag 1907 blind und taub gegen die ungestüme Friedenssehnsucht
der Völker. Auch auf dieser Konferenz, wo die Deutschen wieder "in
Kürassierstiefeln und mit gepanzerter Faust" (Berger S. 102) auftraten,
weigerten sie sich, auch nur eine Diskussion über eine allgemeine
Abrüstung einzutreten und brachten den Vorschlag eines obligatorischen
Schiedsgerichtes für all internationalen Streitfragen zu Fall. "Der
Geist der Selbsthilfe", schreibt Berger, "siegte über den Geist der
Gerechtigkeit. An Deutschlands militaristischem Denken erlitt die Idee
der Menschlichkeit Schiffbruch. Wir haben es büßen müssen."
Die Politik Bismarcks "stand im Widerspruch zu den sittlichen Mächten,
mit Recht, Gerechtigkeit, Wahrheit und Frömmigkeit, im Widerspruch
mit dem deutschen Wesen und Beruf und unserer historischen Entwicklung"
(S. 52). "Bismarcks Politik war heidnisch" Das ist Bergers Endurteil. Er
war als Preuße in die Zwangsidee von der Staatsvergottung und vom
deutschen Beruf Preußens vollkommen verstrickt. Wir wissen nun, daß
Bismarck dem Evangelium persönlich zugetan war und daß er aus
seinem Glauben an Gott und den Erlöser kein Hehl gemacht hat. Wie
konnte es nun kommen, daß Bismarck im persönlichen Leben ein
Christ, im Staatsleben aber ein Heide war? Diesen Widerspruch können
wir nur durch die Zwiespältigkeit des Gewissensindividualismus erklären.
Das Prinzip der Bindung im katholischen Sinne hätte Bismarck daran
gehindert, die Berufung Preußens so aufzufassen, wie er es tat, und
es hätte ihn auch daran gehindert, als Christ den Kulturkampf gegen
die katholische Kirche zu führen. Für Bismarck ist die katholische
Kirche nur ein konfessioneller Verein, nicht die von Christus gestiftete
Kirche Gottes auf Erden gewesen. Das konnte er als evangelischer Christ
nicht glauben, was ohne weiteres verständlich ist. Aber für die
höhere Sicht des Waltens Christi in der Weltgeschichte ist dieses
Nichterkennen von weittragendster Bedeutung gewesen.
Es haben auch weite Kreise des konservativen Protestantismus weniger
seine Eroberungen von Gebietsteilen deutscher Brüder, als vielmehr
seine Kulturkampfpolitik mißbilligt und verurteilt. Auch im streng
protestantischen Christentum können Grundsätze wie Wahrheit,
Gerechtigkeit, Toleranz nicht wie Schilfrohre umgebogen werden. Das ist
nur auf der Grundlage des subjektivistischen Gewissensindividualismus möglich.
Aber Bismarck fühlte sich in seiner Kulturkampfpolitik nicht im mindesten
seelisch belastet. Bei Bismarck, schreibt Alfred von Martin (Geistige Wegbereiter
des deutschen Zusammenbruchs: Hochland, Jg. 39, 177ff, S. 305), "bestand
keinerlei Zusammenhang mehr zwischen der subjektiven Christlichkeit seines
persönlichen Bewußtseins und seiner von reinen Machtgesichtspunkten
bestimmten Politik. Diese war objektiv und prinzipiell völlig achristlich
und konnte daher gegebenenfalls - wie im Kulturkampf - praktisch antichristlich
sein". "Wenn Bismarck sich mitten im Kulturkampf zu einem 'lebendigen evangelischen
christlichen Glauben' bekannte (im Landtag 10. 2. 72, Polit. Reden, hersg.
Kohl 1893. Bd. 5, S. 279) und in Abrede stellte, daß er dem 'heidnischen'
Glauben an 'die Gottheit des Staates' huldige (Landtag 16. 3. 75, Kohl
6, S. 249), so war das gewiß nicht nur Politik, sondern persönlich
aufrichtig gemeint, - nur entsprach die Faktizität seiner Art von
Realpolitik nicht solchem rein subjektiven Bewußtsein" (Martin S.
309). "Er hat Religion gehabt", so urteilt F. Overbeck (Christentum und
Kultur 1919, S. 149), "weil er sie einmal brauchte, aber gemacht hat er
damit, was er wollte." Reine Machtpolitik treibt eben unweigerlich zur
Lossage von christlichen Bindungen. Der Kulturkampf Bismarcks, der ja später
in breitesten politischen, auch protestantischen Kreisen schärfste
Verurteilung fand, ist das klassische Beispiel, wohin die Entfernung von
dem Prinzip der Bindung führt, das immer wieder auf allen Gebieten
seine Bedeutung als Wegweiser der Menschheit aufzeigt.
Der Kulturkampf Bismarcks war ein letzter Versuch, den verwerflichen
Grundsatz des "cuius regio, eius religio" ["wessen Gebiet, dessen Religion"
- das Staatsoberhaupt bestimmt die Staatsreligion] im 19. Jahrhundert noch
zur Durchführung zu bringen. Die törichten Phrasen von der Machtpolitik
der katholischen Kirche halten vor dem Forum der Wahrheit nicht Stand.
Kaiser Wilhelm I. hatte den Zweck dieses Kampfes klar angegeben, wenn er
sagte, das Ziel sei "die Vollendung der Reformation". Als hoher Protektor
der Freimaurerei in Preußen konnte er auf die starke Unterstützung
durch den herrschenden Liberalismus rechnen. Durch die völlige Entmachtung
der Kirche zugunsten der Allgewalt und Alleingewalt des Staates auch in
religiösen und kirchlichen Dingen sollte, - so sprach man's offen
aus -, die Reformation vollendet werden. So Mommsen (Verhandlungen des
preußischen Abgeordnetenhauses S. 556, Rede vom 28. Nov. 1877): "Wir
nahmen das Werk auf, das in der Reformation unvollendet geblieben ist."
Nach 400 Jahren konfessioneller Kämpfe und Zänkereien glaubten
die Hohenzollern und Bismarck, die Reformation vollenden zu sollen, nicht
mit den Mitteln des Geistes, sondern mit brutaler Gewalt durch Brotkorbgesetze,
Kanzelparagraphen und vor allem durch Aufhebung der bürgerlichen und
gesellschaftlichen Gleichberechtigung der katholischen Untertanen.
Diese Politik des Kulturkampfes war Antichristentum. Das haben auch
die orthodoxen altkonservativen Kreise tief empfunden und sich auf die
Seite der katholischen Kirche gestellt, weshalb man ihnen "Verleugnung
der Reformation" vorgeworfen hat. Ein Kampf um die Kultur war dieser "Kulturkampf"
nicht, weil er im Widersprach mit der ersten kulturellen Forderung der
Glaubens- und Gewissensfreiheit stand. Auch für das Herrscherhaus
der Hohenzollern selbst brachte er nur Unheil und Unehre. Während
die Flutwellen des Marxismus bereits stark ihren Thron unterspülten,
suchten sie den Altar der katholischen Kirche zu entwurzeln, die als Kirche
der Autorität, als Kirche der Bindung die stärkste Stütze
ihres Thrones gewesen wäre und nach dem Kulturkampfe dann auch gewesen
ist.
Der Bismarcksche Kulturkampf bedeutete rücksichtsloseste Staatsomnipotenz.
"Bismarck, der Cäsar, meinte und wollte die Macht und nichts als die
Macht." Unter dem Einfluß des antichristlichen Zeitgeistes stützte
sich Bismarck auf schlimme Bundesgenossen: auf den Aufklärungsliberalismus,
der im Namen des Fortschrittes seine Ziele mit tyrannischem Fanatismus
durchzudrücken suchte, auf den liberalen Neu- oder Aufklärungsprotestantismus.
Der christliche katholische Geist sollte aus der Schule und dem öffentlichen
Leben entfernt werden. Die Heiligkeit der Ehe wurde durch die Zwangszivilehe
ersetzt. Die allmähliche Entchristlichung des ganzen Staates war das
offen kundgegebene Ziel der Radikalen. Gutgläubige Illusionisten im
protestantischen Lager waren immer noch der Meinung, daß Preußen
ein christlicher Staat sei, wie ja Bismarck von sich selbst glaubte, er
sei ein Christ. Der Kulturkampf in seiner ganzen Tragweite war ein radikaler,
gehässiger Vorstoß gegen die Freiheit von Geist und Gewissen,
gegen die Grundsätze des Rechts, der Sittlichkeit, der Religion. Der
Gedanke der Staatsvergottung, der staatlichen Allgewalt hatte Bismarck
so stark erfaßt, daß er keinen anderen Gott daneben duldete.
In diesen Wahn der Unfehlbarkeit sind alle Staatsmänner ohne höhere
Bindung verfallen, von Julian dem Abtrünnigen an bis zu Adolf Hitler,
der in dem Wahnsinn der Selbstvergottung und der Vergötzung durch
seine Anbeter den Gipfelpunkt erreichte, indem er "Gott den Allmächtigen"
zum Schutzherrn seiner Haß- und Gewaltpolitik und seiner "Mission
für Europa" anzurufen sich erdreistete. Die Politik Bismarcks war
revolutionär gegen christliche Forderungen und verblendet. So sprach
August Vilmar (Hopf W., Vilmar 1913, Bd. 2, S. 422, 395, 411) geradezu
von einer das Reich des Antichrist vorbereitenden Politik. Der berühmte
Jurist Rudolf Sohm vermißte in den Kulturkampfgesetzen jede Respektierung
der inneren Lebensbedingungen der Kirchen. Der Leipziger Theologe Kahnis
(Der innere Gang des deutschen Protestantismus 1874, Bd. 2, S. 308) bedauerte
gleich Sohm die Zivilehegesetzgebung und schrieb: "diese Gesetze wollen
offenbar nicht dem Papsttum, sondern dem Christentum Schranken setzen."
Der Geheime Oberschulrat Ferd. Schröder konstatierte "die Stärkung
aller kirchenfeindlichen radikalen Mächte und die Schwächung
insbesondere der evangelischen Kirche durch die Kulturkampfgesetzgebung"
(von Martin S. 310).
Die Beraubung und Absetzung des Königs von Hannover, der Krieg
gegen Bayern und Österreich, alle Annexionen der Gebiete deutscher
Fürsten sind klare Beispiele, wohin die Macht ohne Recht führt.
Für Bluntschli war der österreichische Krieg "nichts anderes
als die deutsche Revolution in Kriegsform, geleitet von oben statt von
unten" (v. Gerlach (Aufzeichnungen 1903, Bd. 2, S. 271)). Auch die Methoden
der Wiedergewinnung Elsaß-Lothringens müssen als ein schwerer
Fehler bezeichnet werden. Mit den veralteten und ungerechten Grundsätzen
des "cuius regio, eius religio" konnte man Herz und Seele des überwiegend
katholischen und gemütlichen alemannischen Volksstammes nicht gewinnen.
Bismarck setzte in jedes Dorf einen Schullehrer, Förster, Gendarmen
aus dem Osten Preußens. Er schuf eine Universität in Straßburg,
an der von 50 Professoren fünf Taufscheinkatholiken gewesen sind.
Elsaß-Lothringen war schon in dem Augenblick wieder verloren, als
es erobert war. Mit preußisch-deutschen, antikatholischen Kulturkampfinstinkten
konnte man das alte Kulturland Elsaß-Lothringen dem deutschen Reichsverbande
nicht einverleiben. Ebensowenig war die Los-von-Rom-Bewegung geeignet,
das katholische Österreich für Preußen-Deutschland zu gewinnen.
Auch Hitler verfiel in seiner Machtdämonie in die Fehler Bismarcks.
Sofort nach dem Einmarsch in Straßburg 1940 vertrieb er den Bischof
und das Domkapitel aus der altehrwürdigen Kathedrale, nahm ihr den
kirchlichen Charakter, machte ein völkisches Museum daraus mit Hitlerfahnen
und Emblemen des Nationalsozialismus und ließ in der Öffentlichkeit
Phrasen ertönen von der herrlichen Schöpfung, die der germanische
Geist in dem Straßburger Dome errichtet habe. Ähnlich verkehrt
verfuhr Hitler mit Österreich, wo ihm die Entkatholisierung, die Beraubung
der Klöster und Abteien, die Plünderung ihrer Schätze, die
Verpreußung dieses alten katholischen Landes viel wichtiger dünkte,
als eine gerechte, die kirchliche und landeseigentümliche Art schätzende
Behandlung angesichts des Zieles: "Anschluß an Deutschland".
Für Bismarck wie für Hitler war nicht die Politik der Gerechtigkeit
und der Vernunft das leitende Motiv, sondern die rohe Gewalt. Das Prinzip
"Blut und Eisen" hat Bismarck bereits am 30. September 1862 im preußischen
Abgeordnetenhause für seine Politik festgelegt, indem er sagte: "Die
deutschen Zustände und Verfassungsverhältnisse zu verbessern
ist wünschenswert und notwendig, was jedoch nicht durch Majoritätsbeschlüsse,
Reden usw., sondern nur durch Eisen und Blut bewirkt werden kann" (Büchmann
(Geflügelte Worte 1910, S. 564)). Während des letzten Weltkrieges
wurde öfters von höheren Persönlichkeiten die Ansicht geäußert,
wir Deutsche müßten an der Gerechtigkeit Gottes und an dem Sinn
der Weltgeschichte verzweifeln, wenn wir den Krieg verlieren müßten.
Wer die berüchtigten Worte Bismarcks von "Blut und Eisen" und das
ebenso berüchtigte und verderbliche Schlagwort von "Blut und Boden
und Rasse" als letztes Staatsprinzip, gegen das es nicht den geringsten
Einwand geben darf, sich vor die Augen hält, dem ist es keinen Augenblick
zweifelhaft, daß eine solche Politik und Staatsführung unweigerlich
zum Ruin führen mußte. Wenn bedeutende Geschichtsschreiber wie
Ranke und Treitschke geglaubt haben, Deutschland sei durch die konstitutionelle
Monarchie und die Bismarcksche Staatskunst für immer und ewig festbegründet,
und wenn das Dritte Reich, ein Zwangsstaat, als tausendjähriges Reich
verbündet wurde, so war das eine gewaltige Verblendung. Der Wille
zur Macht, die Stütze von Kanonen und Bajonetten, die Brechung der
Persönlichkeit, die Suggestion der Masse können niemals die Garantie
für den inneren und äußeren Bestand eines Volkes, eines
Reiches sein. Erhaltend und siegreich bleibt im Gange der Weltgeschichte
und im Verkehr der Völker miteinander immer das Prinzip der Bindung,
wie es in den ewigen Grundsätzen der katholischen Kirche für
alle Zeiten und alle Nationen festgelegt ist.
Wenn wir ununterbrochen in unserer Beweisführung die Bindung an
die Gebote Gottes als die Bedingung des sine qua non [condicio sine qua
non, "Bedingung ohne die nicht", d.h. unverzichtbare Bedingung] für
die Herrscher und Führer der Völker betont haben, so haben wir
gleichzeitig gezeigt, wie die Abirrung von dieser Grundverpflichtung gerade
in Deutschland auf Abwege führen mußte. Die Führer des
deutschen Volkes haben mit aller Deutlichkeit bewiesen, daß ihnen
diese Bindung ferne lag. Wenn Bismarck den Satz aussprach, daß "Wir
Deutsche Gott fürchten auf der Welt; sonst niemand", so ist diese
Gottesfurcht durch seine Handlungen illusorisch gemacht. Bei der Kriegserklärung
des ersten Weltkrieges sprach der Reichskanzler Bethmann-Hollweg das verhängnisvolle
Wort: "Not kennt kein Gebot" und nannte geschlossene Staatsverträge
"Fetzen Papier". Der Reichskanzler Michaelis hielt sich an den Individualismus:
"Wie ich es auffasse". Männer wie Hindenburg und Ludendorff sprachen
vom gesunden "Stahlbad" des Krieges für das Volk. Solche Staatsideologien
sind mit der Grundhaltung einer katholischen Staatsauffassung unvereinbar
und wären von katholischen Staatsmännern nie ausgesprochen worden.
Wir sprechen es frei aus, daß diese Verstrickung führender Staatsmänner
in nichtkatholische Grundhaltungen das deutsche Reich seit vierhundert
Jahren auf falsche Geleise gebracht hat. Das wird uns klar durch das ablehnende
Urteil eines angesehenen protestantischen Theologen, der sich eine katholische,
maßgebende Staatsideologie nicht auszudenken vermag. Zu Beginn der
Hitler-Ära schrieb der Professor der Theologie Dr. Allhaus in Erlangen
in seiner Schrift: Staatsgedanke und Reich Gottes (Langensalza 1931, 4.
Aufl.) "Der deutsche Staatsgedanke Rankes, Treitschkes und Bismarcks ist
auf dem Boden der lutherischen Kirche gewachsen und bedeutet selber ohne
Frage ein Stück Luthertum ... Wir wissen, daß das Verhältnis
der Nationen, wie immer es sich gestaltet, gesund nur dann werden kann,
wenn nicht die katholische Staatsidee, nicht die anglo-calvinistische Reich
Gottes- und Völkerbundideologie, sondern das Beste der deutschen und
auf lutherischem Boden erwachsenen Staatsphilosophie Gemeingut der Völker
wird" (Klerusblatt 1948, Nr. 21).
Die Macht- und Gewaltideologie dieser Beherrscher des deutschen Volkes
war auf einer falschen Auffassung nationalen Denkens aufgebaut. Wir müssen
daher auch dem "Nationalismus" sowohl in seiner Zuspitzung in der Bismarckära,
wie in der nationalsozialistischen Ausmünzung und falschen Ausdeutung
unsere Aufmerksamkeit schenken. Wenn die katholische Kirche auch die auf
Erden fortlebende Kirche Christi ist und naturgemäß in ihrer
Lehre und ihrer Seelsorge über den Nationen steht, so steht sie der
Entfaltung des nationalen Lebens nicht im mindesten im Wege. Überall
in der Welt tragen die französischen, italienischen, spanischen, irischen,
holländischen, ungarischen, amerikanischen Katholiken ihr nationales
Gepräge zur Schau. In Deutschland haben die Katholiken niemals an
nationaler Gesinnung und vaterländischem Opfersinn fehlen lassen.
Es gehört zu den größten Unwahrheiten, wenn Katholiken
als "vaterlandslose Gesellen", als "ultramontane Verräter" beschimpft
wurden, während gleichzeitig von ihnen in den letzten drei großen
Kriegen wie selbstverständlich die größten Opfer an Gut
und Blut verlangt wurden. Den deutschen Katholiken wurde vielfach deswegen
die nationale Gesinnung abgesprochen, weil sie nicht gewaltpreußisch,
nicht kulturkämpferisch, nicht nationalliberal, nicht nationalsozialistisch
sein wollten. Die Katholiken haben sich nicht gegen das nationale Empfinden,
gegen die Freude an Heimat und Vaterland, gegen die staatlichen Verpflichtungen
gewendet, sondern gegen den Deutschland zerstörenden Geist Friedrich
II., gegen den auf die Zerstörung ihrer Kirche gerichteten Kulturkampf,
gegen die Los-von-Rombewegung, gegen das Unrecht einer ihnen versagten
staatsbürgerlichen Gleichberechtigung. Die deutschen Katholiken haben
jahrhundertelang den großdeutschen Gedanken unter der Führung
der Habsburger verfochten, wie er eben nur auf der Grundlinie des Heiligen
Römischen Reiches Deutscher Nation möglich gewesen ist. Sie hatten
sich um die großen führenden Geister eines Görres und der
Historisch-politischen Blätter geschart. Und aus diesem großdeutschen
und christlichen Gedanken des Abendlandes heraus bildeten sie auch in konsequenter
Haltung den stärksten und zielbewußtesten Block im Kampfe gegen
den Nationalsozialismus, den heute mehr deutsche Menschen verfluchen, als
ihn vorher angebetet haben.
Auch nationale Haltung muß an unveränderliche Gesetze gebunden
bleiben, wenn sie nicht eine Karikatur auf den sinnreichen Namen werden
will. Eine wesentliche Forderung des echten Nationalismus ist die Treue
zum Volke und die Achtung vor dem nationalen Dasein anderer Völker,
zu deutscher Ehrlichkeit und Treue, die uns in der Weltgeschichte geehrt
dastehen ließen. Die deutsche Geschichte kennt jedoch Versündigungen
gegen die nationale Gesinnung, die man am liebsten aus den Annalen ausradiert
sehen möchte. Wenn z.B. der Kurfürst von Brandenburg in einem
Allianzvertrag mit Ludwig XIV. von Frankreich (1679) dem französischen
Könige oder dem Dauphin bei der Wahl zum deutschen Kaiser seine Stimme
zu geben verspricht, so ist das ein Hohn auf deutsche Gesinnung und Treue.
Wenn der König von Preußen und seine Generäle im Jahre
1866 darauf bestanden, daß zwei sächsische Kreise und die nordwärts
vom Main gelegene Hälfte der averischen Provinz Oberfranken an Preußen
hätten angegliedert werden sollen, so ist das ein schwerer Verstoß
gegen das Nationalempfinden der betreffenden Völker. Bismarck hat
diese gewaltsame Eingliederung nicht aus Rücksicht auf nationales
Empfinden abgelehnt, sondern aus Gründen der Vernunft im Hinblick
auf den geplanten Krieg mit Frankreich. Wenn ferner der deutsche Kronprinz,
der nachmalige Kaiser Friedrich auf den Schlachtfeldern von Metz und Sedan
nach der Gefangennahme der französischen Armee von Bismarck die Entwaffnung
der gesamten bayerischen und württembergischen Armee ertrotzen wollte,
um ein sofortiges deutsches Kaiserreich unter Ausschaltung selbständiger
süddeutscher Staaten errichten zu können, so war eine solche
Haltung gegen jedes anständige nationale Empfinden und eine seltene
Perfidie gegen die Truppen, die ihm soeben zum Siege verholfen hatten.
Der Nationalismus als unbedingter Höchstwert, als Prinzip der
Vergottung der Nation führt zu Nationalhader und zu nationalem Verderben.
Es gab einmal in der politischen Polemik eine Zeit, in der man die katholische
Kirche wegen des Schlagworts: "Katholizismus bricht Nationalismus" verächtlich
machen zu können glaubte. Die damit angestrebte ungerechte Beleidigung
birgt aber in sich eine tiefe Wahrheit, denn die Bindung des katholischen
Wesens ist in ihrem Einfluß auf den Nationalgedanken von größtem
Segen gewesen.
Bereits vor dem ersten Weltkriege gab es in Deutschland Kreise, die
den alldeutschen Gedanken, das heißt die Vormachtstellung und Weltgeltung
Deutschlands in allen Teilen der Erde als nationales Ziel erklärten.
Auch da wo nur wenige Deutsche wohnten, sollte die deutsche Herrschaft
angemeldet werden. "Das Zweite Reich", schreibt Degkwitz (Das Alte und
das Neue Deutschland, Hamburg 1946, S. 70), "das aus den siegreichen Kriegen
von 1864, 1866, 1870/71 hervorgegangen war, einen unerhörten Aufstieg
erlebte, sehr rasch reich wurde und völlig dem Materialismus verfiel,
bot alle Zeichen eines zum blinden Nationalismus entarteten Nationalgefühls
und mußte dafür ebenso wie das Dritte Reich, in dem sich diese
Entartungserscheinungen zu einer Massenpsychose gesteigert hatten, mit
seinem Leben bezahlen. Daß eine solche Geisteshaltung in dem übervölkerten
Europa für die betreffende Nation, aber auch für Europa selbst
einem Selbstmordversuch gleichkommt, war allen Einsichtigen seit langem
klar." Die katholische Staatsauffassung war naturgemäß gegen
diese Ideologien gerichtet. Sie fanden ihre Verkörperung in den Vertretern
des "Herrenstandpunktes" mit seiner "Herrenmoral", in den Junkern, in der
Armee, in der mit ihnen verbündeten Großindustrie und in einem
großen Teil des akademischen, liberalen gehobenen Bürgertums.
Zum Träger dieser Geisteshaltung hatte sich der "Alldeutsche Verband"
gemacht, der vom Geiste dieses erobernden Militarismus, von dem Gelde der
Großindustrie und von der Wertschätzung allerhöchster Kreise
getragen war.
"Diese Alldeutschen", urteilt zutreffend Degkwitz (ebd. S. 98), "sind
die geistigen Väter der Nazis gewesen ... Das außenpolitische
Programm der Alldeutschen, die sich als die 'wahren Deutschen' bezeichneten,
war die gewaltsame Vereinigung 'allen deutschen Blutes in der Welt' zu
einen straff organisierten 'Alldeutschland' mit einem starken mitteleuropäischen
Kernland - und die Beherrschung der Welt. Ohne irgendwelche falsche Bescheidenheit
wurde dieses Programm in Wort und Schrift und Bild Jahr für Jahr der
Welt verkündet. Ein Buch, z. B., das vom Vorstand des Alldeutschen
Verbandes ausdrücklich gebilligt wurde, und sich 'Großdeutschland
und Mitteleuropa im Jahre 1950' betitelte, verlangte die Niederlande, die
flämischen Provinzen Belgiens, Luxemburg, die deutsche Schweiz, Ungarn,
Polen, Rumänien, Serbien und ganz Österreich für Deutschland.
'Teut' forderte in der alldeutschen Zeitschrift 'Heimdall' Deutschland
von Jütland bis zur Adria und von Boulogne bis zum Schwarzen Meer."
Während des ersten Weltkrieges wurde der deutsche Nationalismus so
verstanden, daß ganz Belgien einverleibt werden müsse und daß
im Osten die Bedingung gelten solle: Von Berlin bis Bagdad! Nach der Eroberung
Polens 1939 bedeutete der Papst dem Reichsaußenminister Ribbentrop,
daß Polen nach dem Kriege wieder als selbständiger Staat hergestellt
werden müsse. Das war eine Forderung des abendländischen christlichen
Völkergedankens. Selbst die Schweiz, die mit uns doch im Frieden leben
wollte, sollte gewaltsam einverleibt werden. Einen derartig aufgefaßten
"Nationalismus" bricht der Katholizismus ganz selbstverständlich.
Der Vorwurf: "Katholizismus bricht Nationalismus" erweist sich daher als
eine eminent völkerversöhnende, ja einzig mögliche Grundhaltung.
Es gibt eben höhere sittliche Bindungen und übernationale Gebote,
die niemals mißachtet werden dürfen. "Erkennt eine Nation eine
göttliche Weltordnung an", sagt Degkwitz (ebd. S. 67), "die alle Nationen
einschließt und bindet, so kann sie nationales Selbstbewußtsein
zeigen, aber nicht dem Nationalismus verfallen. Völkisches Bewußtsein
und Selbstachtung einer Nation entarten dagegen zwangsläufig zum Nationalismus
oder Chauvinismus, wenn sie in Materialismus absinkt... Zur Gründung
höherer, übernationaler, alle Völker einschließender
und dem Wohle der ganzen Menschheit dienender Organisationen sind nur solche
Nationen fähig, die an eine göttliche, alle Völker einschließende
Weltordnung und an eine brüderliche Verpflichtung der einzelnen Nationen
den anderen gegenüber glauben."
Mit einer logischen Folgerichtigkeit ohnegleichen mußte ein von
solchem Geiste beseeltes deutsches Volk in seiner verblendeten politischen
Selbsterlösung zu einem solchen Ende gelangen. Die Nationalliberalen,
die Alldeutschen, die Nationalsozialisten waren allen Vernunftgründen,
aller Kritik gegenüber völlig unzugänglich und setzten jedem
Einwand teutonischen Trotz und Haß entgegen. Ihre geistige Einstellung
war infolge ihrer Abkehr von jeder christlich orientierten Erwägung
derart, "daß sie gar nicht nach den sittlichen Idealen des christlichen
Europa strebten. Was den christlichen europäischen Kulturvölkern
als sittliche Ideale, sittliche Forderungen und sittliche Fortschritte
erscheint, betrachteten sie als Symptome des Alters, des Greisentums und
des Niedergangs Europas ... Der lebensstrotzende, nur sieh selbst liebende,
amoralische, antichristliche, lediglich von einem Willen zur Macht getriebene
Übermensch, Nietzsches mißverstandene 'blonde Bestie', das war
das Ideal der Nazis. Das Christentum ist in ihren Augen ein Sklavenaufstand,
der die Instinkte des deutschen Herrenvolkes schon allzu lange geschwächt
hat" (Degkwitz ebd., S. 172). Mit aller Klarheit steht es uns heute vor
Augen, welche Folgen es für das deutsche Volk gehabt hat, daß
es sich von Christus weg dem Gotte der Germanen zugewendet hat. "Salus
ex Germanis: ein germanischer Heil- und Lichtbringer sollte Christus ersetzen",
schrieb Theodor Haecker mit seherischem Blick im Jahre 1940 in seinen Tag-
und Nachtbüchern.
In der Linie dieser Staatsauffassung der Selbsterlösung mußte
es in unerbittlicher Konsequenz liegen, daß der Krieg mit einer Gloriole
der Verherrlichung umgeben und als Evangelium der Weltanschauung des preußisch-friderizianisch-Bismarck-Hitlerschen
Staatsgedankens wie ein Glaubensartikel dem Volke eingehämmert wurde.
Die Kriegsvergottung war eine Selbstverständlichkeit geworden. Die
Forderung des totalen Staates führte zur Auslöschung der freien
menschlichen Persönlichkeit und schuf das Prinzip, daß der Mensch
für den Staat geschaffen sei und ein willenloses Werkzeug in den Händen
der Führer des Staates sein müsse. Wir wollen diese seit Jahrhunderten
maßgebende Auffassung an zahlreichen Beispielen belegen.
Wenn Friedrich II., einer der größten Menschenverächter
aller Zeiten, in der Schlacht bei Leuthen auf die weichenden Soldaten mit
den Worten einhieb (si non e vero, e ben trovato [italienisches Sprichwort:
Wenn es nicht wahr ist, ist es jedenfalls gut erfunden]): "Ihr Racker,
wollt ihr denn ewig leben", und wenn Adolf Hitler in einem Wehrmachtserlaß
forderte: "Dein Leib gehört nicht dir, sondern dem Staate", so ist
das die Linie, auf der in Deutschland seit langem der Wert der Persönlichkeit
untergraben und ausgelöscht worden ist. Daß der Soldat im Kriege
sein Leben opfern muß, ist eine Selbstverständlichkeit. Daß
aber diese Notwendigkeit bis zu dem Äußersten des absoluten
Kadavergehorsams getrieben werden darf, ist nur auf Grund der Staatsomnipotenz
und der Kriegsvergottung möglich. Namentlich unter der Herrschaft
des Nationalsozialismus wurde der Krieg als "Stahlbad" für lebenskräftige
Völker gepriesen. Aber schon früher schrieb Moltke einmal an
Bluntschli: "Der ewige Frieden ist ein Traum und nicht einmal ein schöner
und der Krieg ein Glied in Gottes Weltordnung... Ohne den Krieg würde
die Welt im Materialismus versumpfen." Verhängnisvoll wird in dieser
Ideologie der "preußische Reklamechef", wie ihn Degkwitz nennt, der
Berliner Historiker Heinrich v. Treitschke, der von 1875-1899 in Berlin
Zehntausende deutscher Oberlehrer infizierte, zum glühenden Anhänger
des Macht- und Kriegsgedankens machte und damit die ganze Jugend dieser
Jahrzehnte dem preußischen Kriegsgott überlieferte. Dieser auf
allen hohen deutschen Schulen verbreitete Treitschke ist mit eine der Ursachen
für die tiefe Spaltung der Nation und für den Weltkrieg gewesen.
Der Kernpunkt seiner Lehren war: daß der Staat Macht, sein Leben
Machtentfaltung sei und daß er den Krieg als Mittel dieser Machtentfaltung
benötige. Diese Anschauung machte er zum Credo der gebildeten und
halbgebildeten Massen. Der Krieg galt Treitschke als 'heilig'. Er pries
ihn als den 'mächtigsten Völkerbildner', als das einzige 'Heilmittel
für kranke Völker'. Völkerrecht, Verträge und Versuche
zur Aufrichtung einer internationalen Rechtsordnung fanden vor den Augen
dieses Kriegsverherrlichers wenig Gnade. Für ihn lag die 'Hoheit des
Krieges' darin, "daß der kleine Mensch ganz verschwindet vor dem
großen Gedanken des Staates".
"Das geistige und sittliche Niveau und das Augenmaß für
nationale und internationale Politik waren im zweiten Reiche schon so tief
gesunken, daß man Treitschkes Lehren als 'Geist einer großen
Zeit' und die durch die alldeutschen Pläne hervorgerufene Geistesverwirrung
als 'Zeichen der inneren Erstarkung der großen Nation betrachtete'.
Aber noch viel Schlimmeres wurde als groß und erhaben empfunden.
So schrieb der Alldeutsche Tannenberg 1911: 'Der Krieg darf dem Unterlegenen
nichts lassen wie die Augen zum Weinen über sein Unglück.' Und
Kaiser Wilhelm II. hielt im Jahre 1900 anläßlich des Chinakrieges
eine Rede, über deren Torheit und Barbarei sich die Welt entsetzte,
die aber der deutsche Untertan bejubelte und bewunderte: 'Pardon wird nicht
gegeben. Gefangene werden nicht gemacht. Wer euch in die Hände fällt,
sei euch verfallen. Wie vor tausend Jahren die Hunnen unter ihrem König
Etzel sich einen Namen gemacht, der sie noch jetzt in Überlieferungen
und Märchen gewaltig erscheinen läßt, so möge der
Name Deutscher in China auf tausend Jahre durch euch in einer Weise betätigt
werden, daß niemals wieder ein Chinese es wagt, einen Deutschen auch
nur schief anzusehen' " (An die ausrückenden Truppen in Bremerhaven
27. Juli 1900) (Degkwitz, S. 104).
Die Mehrheit des deutschen Volkes freilich dachte nicht so. Es darf
nicht weiter wundernehmen, daß Ludendorff, der den ersten Weltkrieg
bis zum Weißbluten geführt hat, folgende Auffassung vom Krieg
hatte: "Jede menschliche und soziale Tätigkeit hat nur dann Berechtigung,
wenn sie den Krieg vorbereitet. Die neue Ordnung der Nation kann nur eine
permanente Kriegsverfassung sein ... Der Mensch darf an nichts mehr denken
als an den Krieg. Der Gedanke an den 'totalen Krieg' soll seine einzige
Leidenschaft, seine einzige Lust, sein Laster und sein Sport sein" (cit.
bei Degkwitz, S. 142).
Wir müssen die Möglichkeiten zu Ende denken, die sich aus
dieser Auffassung der Kriegsvergottung, des totalen Krieges und der Rasse
als dem menschlichen Höchstwert ergeben und die auch schreckliche
Wirklichkeit geworden sind. Wir erinnern an die Mordpraxis des Nationalsozialismus.
Einst hatte Goethe im Westöstlichen Diwan den Satz geprägt: "Volk
und Knecht und Überwinder, sie gestehen zu jeder Zeit, höchstes
Glück der Erdenkinder, Sei nur die Persönlichkeit." Der Nationalsozialismus
hat dieses wertvolle Wort Goethes verleugnet. Die Pflege der Untertanengesinnung,
der Kadavergehorsam hatte durch den Fridericus Rex-, den Bismarck- und
Hitlerkultus einen solchen Grad von sklavenhafter Unterwürfigkeit
heranwachsen lassen, daß ihm das eiserne Gesetz der zehn Gebote Gottes
abhanden kam und daß es seinen Führern eine Souveränität,
eine Machtbesessenheit einräumte, die mit Menschenleben spielen konnte.
Die Überspitzung des Nationalismus zum Nurnationalismus ließ
den Zweck alle Mittel heiligen. Sie führt zur Untergrabung jeglicher
Achtung vor der Persönlichkeit und wurde schließlich die Wurzel
der nationalsozialistischen Praxis. Der Nurnationalismus warf sich zur
Erreichung seiner Ziele ohne jedes Bedenken dem Gebote Gottes entgegen:
Du sollst nicht töten! Er stellte den Satz auf, daß alles Leben,
das keinen praktischen Nutzen mehr hatte, seinen Sinn und Wert verloren
habe, also aus Motiven der materiellen Nützlichkeit beseitigt werden
müsse. Nur der starke, der kraftstrotzende, der schaffende und schöpferische
Mensch habe ein Recht auf Raum und Bewegungsfreiheit. Während Christus
die Forderung aufstellte, daß er alle die Mühseligen und Beladenen
erquicken wolle, verlangte und befahl Adolf Hitler ihre Ermordung. Er maßte
sich das Recht an, Hunderttausende von Insassen der Irrenhäuser und
Anstalten für geistig Minderwertige, in eigens dazu gebauten Verbrennungsöfen
zu ermorden. Katholische und evangelische Bischöfe haben gegen diese
unerhörte Mordpraxis Protest erhoben. Es gab Millionen von Christen,
die mit den Zähnen knirschten. Aber es gab auch Väter und Mütter,
die in gewissem Sinn froh waren, daß ihnen auf diesem Wege ihre finanziellen
Opfer abgenommen wurden. Zur Selbstbesinnung unseres Volkes gehört
es, daß jeder Rest jener Gewissenlosigkeit ausgemerzt werden muß,
die solche bethlehemitischen Kindermorde auch nur einen Augenblick gebilligt
hat.
Der Mord hat in der Weltgeschichte als politisches Instrument immer
eine Rolle gespielt. Aber zur Massenerscheinung zur Erreichung politischer
oder nationaler Ziele ist er erst in unseren Zeitläuften geworden.
Die schärfste Zuspitzung erfuhr der Nationalismus in der Ideologie
der Rasse. Die Wissenschaftler der Rassenbiologie und der Bevölkerungspolitik
hatten im Zusammenhalt mit den Verfechtern eines extremen Nationalismus
den Wahnglauben erzeugt, daß die nordische Rasse die höchststehende
unter allen der Erde sei. Unter völliger Ignorierung der Lehre Christi,
daß vor Gott alle Menschen Kinder eines Vaters sind, daß die
Völkerversöhnung, die gegenseitige Achtung und Verträglichkeit
Aufgabe der Menschheit ist, hat Adolf Hitler die Pflege der Rasse und den
gegenseitigen Kampf der Rassen als den Höchstwert des Daseins verkündigt
und die Rasse zum Gott erhoben.
Da für ihn und seine Ideologie Dekalog und Bergpredigt völlig
ausgeschieden waren, konnte es für ihn auch keine Hemmungen geben,
Kampf und Sieg der deutschen Rasse folgerichtig darin zu erblicken, alle
sogenannnten minderwertigen Rassen, vor allem die jüdische Rasse,
durch Massenmord auszurotten. Die Hemmungslosigkeit dieses verbrecherischen
Wahnsinns bezog sich nicht allein auf die Angehörigen der Rasse, sondern
selbst auf alle diejenigen, die aus religiösen oder sonstigen Motiven
widerstrebten. Darin liegt das Rätsel der Ermordungen in den Konzentrationslagern.
Es ist auch durchaus keine Phantasie, daß Hitler und seine Jakobiner
nach einem Siege Millionen von Katholiken, Protestanten und Marxisten hätten
ermorden lassen, die dem Dogma von der Unfehlbarkeit des Höchstwertes
Rasse Widerstand geleistet hätten.
Dieser Mordpsychose folgte die Mordpraxis auf der Spur. Fehmemörder
wie Heines und andere standen an der Wiege der Partei. Wir erlebten das
Blutbad vom 30. Juni 1934, wo Hitler Hunderte von Freunden, Parteigenossen
und Gegnern seines Wahnsinns auf die gräßlichste Weise aus dem
Wege räumte. Der Mord blieb sein Begleiter. Tausende von Soldaten,
Offizieren, Generälen und Laien baumelten an Ästen und Laternenpfählen,
weil sie den Glauben an den Endsieg und an die Rasse nicht mehr mitmachten.
Tausende von Frauen und jungen Burschen sollten zum Ende in Wehrwolfpraxis
heißes Wasser auf die einziehenden Amerikaner gießen und sie
nach Partisanenart ermorden. Die Todesvergötzung lag auch schon früher
in der Linie eines entmenschten Militarismus. Es wäre schamlos, den
Mut und die Tapferkeit deutscher Soldaten in den Schmutz zu ziehen, die
bei Langemarck und Stalingrad zum Opfer gebracht wurden und denen man beigebracht
hatte, sie müßten lachenden Auges dem Tode ins Auge sehen. Nur
weil der letzte Rest christlicher Hemmungen fehlte, konnte angesichts des
bevorstehenden Untergangs kein Schluß gefunden werden. Auch den Selbstmord
hat Adolf Hitler in seine Mordpraxis miteinbezogen. Leider konnte er da
an eine frühere Praxis im Ehrbegriff des deutschen Offizierskorps
und eines Teiles der Akademikerschaft anknüpfen, die ihre Ehre mit
der Waffe auf Leben und Tod herzustellen genötigt waren und sich einem
geisteskranken Ehrbegriff unterwarfen. Dieser falsche Ehrbegriff machte
es möglich, daß unbequem gewordene Politiker oder Generäle,
im Kadavergehorsam: "Befehl ist Befehl" sich selbst töteten, wenn
ihnen der "Führer" einen Revolver oder eine Giftphiole zusandte. Daß
dann eine so große Anzahl von Nationalsozialisten, darunter die Führer
an der Spitze, mit Selbstmord endeten, ist kein Wunder.
Die Giftsaat Adolf Hitlers hätte niemals emporschießen können,
wenn für die führende Schicht noch Gebote und Gesetze des Christentums
maßgebend gewesen wären. Sonst wäre es nicht möglich
gewesen, daß Dinge als Staatsnotwendigkeiten hingestellt worden wären,
die in ihrer entsetzlichen Verwirklichung zum Himmel schreien. Das Grundgesetz
Christi für die Menschheit ist die Gottes- und Nächstenliebe,
die Gleichheit aller durch Christus erlösten Menschen vor Gott, die
Versöhnlichkeit, die Freiheit der Einzelpersönlichkeit, die Bindung
an die zehn Gebote Gottes und an das Naturrecht. Der Nationalsozialismus
hat diese Bindungen alle umgestoßen und ein neues Prinzip für
das Staatenglück und Völkerwohl entdeckt und zur absoluten Grundlage
seiner Politik und Weltanschauung gemacht: die Erlösung der Menschheit
durch die Rasse und das Blut. Mit diesem materialistischen Prinzip war
der Kampf aller gegen alle in die Welt geschleudert. Als die beste und
stärkste, also die herrschende und führende Rasse hat Hitler
die arische Rasse erklärt, den germanischen, nordischen Herren- und
Übermenschen hat er zum höchsten Menschheitsideal proklamiert.
Aus dem Siege dieses Rassenprinzips über die übrigen Völker
der Erde sollte dann die Ordnung der Welt emporsteigen. Nicht Christus
war für ihn der Erlöser, sondern er war der Erlöser mit
den Mitteln der Selbsterlösung durch Rassenkampf und Aufnordung des
deutschen Blutes. Mochte der Weg zu diesem Ziele auch Hekatomben von Menschenopfern
erfordern, mochte das Blut in Strömen fließen: Diesem Zwecke
diente seine Politik, und der Zweck heiligte ihm die Mittel.
Die Scheußlichkeit der nationalsozialistischen Weltanschauung
zwingt uns, den Geist und die Praxis noch etwas näher zu beleuchten,
um im Gegensatz hiezu das Glück der christlichen Bindungen klarer
zu erkennen. Während die Erlösung durch Christus den Kampf ums
Dasein erleichtert und abschwächt, hat ihn die Weltanschauung des
Nationalsozialismus außerordentlich verschärft. Sie mußte
in ihrem Selbsterlösungsdrange die christliche Erlösungswelt
verlassen und bekämpfen. Damit der Deutsche ein Kraftmensch des ewigen
Kampfes werde, mußten viele Hunderttausende von Insassen der Heime
mit sogenannten "minderwertigen Menschen", Geisteskranken usw. vergast,
verbrannt werden, um dem nordischen Aufstieg nicht im Wege zu stehen. In
völliger Verkennung der christlichen Erbsündenlehre galt der
Glaube, den Kampf ums Dasein auf diesem Wege erleichtern, wenn nicht beseitigen
zu können. Diesem Prinzip der Rassensuperiorität mußten
auch Millionen fremdrassiger Menschen, Polen, Russen und vor allem Juden
geopfert werden, da diese dem im Osten zu errichtenden Großgermanenreiche
als Hindernis im Wege standen. In den furchtbaren Konzentrationslagern
sind viele Millionen Menschen sadistisch gequält, vergast und ermordet
worden, weil der Nationalsozialismus Probleme eben nur durch Gewalt und
Mord lösen konnte. Der staatlich diktierte Haß feierte Orgien.
Christus hat den Menschen die Liebe auferlegt, Hitler den Haß. Haßgesänge
gegen Christus und seine Kirche haben die Hitlerjungen gesungen und schließlich
hat diese Haßpsychose es soweit kommen lassen, daß sinnlos
Eisenbahnen, Brücken, Wege und Stege, Nahrungsmitteldepots, halbe
und ganze Städte in die Luft gesprengt wurden. Eher sollte ganz Deutschland
eine einzigen Leichenhalle werden, als daß der Haß gegen unsere
Besieger zur Besinnung, zur Vernunft, und zu der verhaßten Demut
sich umgebogen hätte. Dieser Eroberungs- und Gewaltnationalismus mußte
mit unentrinnbarer Konsequenz zum Ruin des deutschen Volkes, zum Untergang
des abendländischen Gedankens führen.
Angesichts der Trümmerhaufen wäre es im Interesse der Selbstbesinnung
und des Wiederaufbaus falsch, für diesen Werdegang des deutschen Volkes
nur den größenwahnsinnigen Nationalismus Adolf Hitlers verantwortlich
zu machen. Wir müssen immer wieder darauf hinweisen, daß Adolf
Hitler nur das Vollzugsorgan der preußisch-deutschen Staatsideologie,
des Potsdamer Geistes, des Pflichtenfanatismus, der Staatsomnipotenz, der
Blut- und Eisentheorie, der "Umwertung aller Werte" Nietzsches gewesen
ist. Unser deutsches Unglück muß in den Wurzeln erfaßt
werden. Diese Wurzeln der Erkenntnis laufen stets wieder auf das Prinzip
der Bindung von Staat und Volk im Sinne der katholischen Kirche zurück.
Wenn wir bis jetzt mit aller Deutlichkeit zeigen konnten, daß die
katholische Kirche diese Ideologien von Friedrich II. bis Hitler nie gebilligt,
sondern sie grundsätzlich verworfen hat, also den Anspruch erheben
kann, von dieser Kumulativschuld der maßgebenden Lenker der deutschen
Geschicke und Geschichte frei zu sein, so können wir die Berechtigung
dieser Grundhaltung, die Stützung dieser Behauptung auch noch dadurch
unterstreichen, daß es nicht wenige deutsche Denker und staatsmännische
Geister außerhalb der katholischen Kirche gewesen sind, die auch
den gleichen Standpunkt einnehmen. Wir nennen Ernst Moritz Arndt, Uhland,
Gervinus, Wuttke, Rösler, Constantin Frantz, Friedrich W. Foerster
u. a. Andere wie Onno Klopp, Gfrörer, Frh. von Vogelsang traten nicht
zuletzt aus der Erkenntnis der abendländischen Notwendigkeit, der
föderalistischen Gestaltung des Reiches, der Ablehnung eines engherzigen
Nurnationalismus zur katholischen Kirche über. Wir haben es zu leicht
vergessen, daß es schon einmal eine Zeit gab, in der die Schweiz,
Burgund, Flandern, Elsaß-Lothringen, die Niederlande, Österreich-Ungarn
u. a. zum Deutschen Reiche gehörten. Das waren die sechshundert Jahre
der Führung Deutschlands durch die Habsburger. Das war die Zeit, für
die das Wort: "Katholizismus bricht Nationalismus" Geltung hatte, in der
der große Reichsgedanke nationalistische Überspannungen nicht
zuließ. Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation ist heute
ein schöner Traum von einer großen Vergangenheit.
Noch einmal hätte das deutsche Volk Gelegenheit gehabt, Ansehen
und Weltgeltung wieder zu gewinnen. Nach dem Tode Stresemanns (1930) hatte
Heinrich Brüning die Führung der Reichspolitik übernommen.
Es war", schreibt Harzendorf (So kam es. Der deutsche Irrweg von Bismarck
bis Hitler. Konstanz 1946, S. 39), "als ob sich im Kabinett Brüning
noch einmal die guten Geister des deutschen Volkes vereinigen wollten,
um sich dem drohenden Verderben entgegenzustemmen." Wir haben in letzter
Stunde einen Mann an der Spitze des Reiches gehabt, er uns aus dem Banne
materialistischer Dämonie hätte herausführen können.
Brüning hatte einen Gesundungsprozeß eingeleitet, der einem
erwünschten Erfolg geführt hätte. Er hatte den Mut, durch
unpopuläre Maßnahmen die Mark vor dem Abgleiten aufzuhalten,
die SS und SA aufzulösen, den Latifundienbesitz der ostelbischen Junker
anzutasten, um dort für fünf Millionen Menschen im übervölkerten
Deutschland Siedlungsboden zu gewinnen. In Verhandlungen mit den auswärtigen
Mächten lockerte er die schweren Zahlungsverpflichtungen aus ausländischen
Krediten und er versuchte in London und Paris den Ring des internationalen
Mißtrauens gegen Deutschland zu durchbrechen. Mit England hatte Brüning
gute Handelsverträge in der Hand. Frankreich gewährte 300000
Mann Polizei zur Aufrechterhaltung der Ruhe im Innern. Aber noch mehr.
Es kam die Stunde, wo die beiden Westmächte zu einem unerwarteten
weittragenden Zugeständnis bereit waren, das für Brüning
einen außerordentlichen Erfolg bedeutet, Hitler den Wind aus den
Segeln genommen und so in seinen Auswirkungen wahrscheinlich Deutschland
vor seiner Schreckensherrschaft und die Welt vor der späteren Katastrophe
bewahrt hätte. Ende Mai erschien eines Tages der britische Botschafter
bei dem Kanzler, um ihm die überraschende Mitteilung zu machen, daß
England wie Frankreich mit der Freigabe der Rheinlande einverstanden seien.
Welch ein Erfolg der Verständigungspolitik Brünings! Und doch
welche Tragik! Der Kanzler mußte dem Botschafter erklären, daß
er dieses überraschende Angebot nicht entgegennehmen könne, da
er soeben vom Generalfeldmarschall aus seinem Amte entlassen sei; der Botschafter
möge sich an seinen Nachfolger wenden. Das aber lehnte dieser ab,
da der Entschluß mit Rücksicht auf das persönliche Vertrauen
zu der Politik des jetzigen Kanzlers gefaßt worden sei" (Die Furche,
Wien, 3. Jg., Nr. 21). Brüning konnte mit bestem Gewissen und stärkster
Beschwörungskraft sich an das deutsche Volk wenden, daß es aushaken
sollte, "weil wir nur noch hundert Meter vor dem Ziel stehen".
Brüning besaß auch das restlose Vertrauen des Reichspräsidenten
Hindenburg. Aber dieser wurde auf seinem Familiengut Neudeck von den ostpreußischen
Junkern, die wegen der Siedelungspläne für ihren ungeheueren
Grundbesitz fürchteten, solange bearbeitet, bis er endlich zu der
Meinung gebracht war, "daß diese Pläne Brünings den Ruin
der Träger und Repräsentanten wahren Preußentums und damit
der eigentlichen Stützen des Staates bedeuten würden". Mit den
Junkern bäumte sich die ganze Schar der alldeutschen Geister, der
Anhänger der preußischdeutschen Geschichtsauffassung, vor allem
die Hitlerenthusiasten gegen diese aus abendländisch-christlichem
Geiste geborene Politik mit antikatholischen Haßinstinkten auf und
sie zerschlugen die letzte Gelegenheit zur Rettung Deutschlands. Fünf
Millionen deutscher Menschen könnten heute in Ostelbien angesiedelt
sein, während jetzt die Gutshöfe in russische Kolchosen umgewandelt
sind. Von den Entschlüssen des Reichspräsidenten Hindenburgs,
Brüning zu entlassen und Hitler in das Kanzleramt zu berufen, sagt
Meinecke (Die deutsche Katastrophe, 1946), sie seien es "in allererster
Linie gewesen, die Deutschland auf die Bahn zum Abgrund geführt haben".
Unter der Kanzlerschaft Heinrich Brünings, des letzten Staatsmannes
im Geiste des christlichen Abendlandes stünde heute in Deutschland
und in der ganzen Welt noch jeder Stein auf dem ändern. Das ist eine
Tatsache, die vom Standpunkt des Weltgewissens ihre Bestätigung findet
und in die Geschichtsschreibung aller Völker für immer eingehen
wird. Weil aber nicht das Prinzip der abendländischen christlichen
Staatsideologie, sondern die Gewissenlosigkeit und die Vernichtung des
Gebotes der Völkerversöhnlichkeit siegte, darum mußte unter
dem Sturmbanner des Nationalismus das deutsche Volk so schwer gedemütigt
und als Reich zerschlagen werden. "Konsequenter", urteilt der schweizer
Theologe Karl Barth (Zur Genesung des deutschen Wesens, Stuttgart 1945,
S. 62), "konnte das Werk Friedrich des Großen und Bismarcks nicht
vollendet und gründlicher konnte es nicht zerstört werden, als
es durch Adolf Hitler geschehen... Die Idee des nationalen Einheitsstaates
dürfte ja im 19. Jahrhundert überhaupt mehr aus der Hölle
als aus dem Himmel auf die Erde gekommen sein; sie ist jedenfalls gerade
den Deutschen bisher in keiner Weise bekömmlich gewesen."
Der Nationalsozialismus hatte mit dem Katholizismus das Prinzip der
Bindung gemeinsam. Nur mit einem kleinen Unterschied! Die katholische Kirche
beruht auf dem Prinzip der Bindung, um die Menschen durch ihre Gesetze
der göttlichen Autorität, der kirchlichen Seelenleitung, der
Friedfertigkeit und Nächstenliebe frei und glücklich zu machen.
Die Bindung im Nationalsozialismus war totale Verneinung der freien Persönlichkeit,
war Knebelung, Erpressung, Fesselung in den brutalsten Formen. Der Nationalsozialismus
war die Vergewaltigung des Gewissens und der Seele des Menschen. Er war
Entpersönlichung, Versklavung von Geist, Verstand und Vernunft. Das
geschah in einem Volke, das auf die Errungenschaften seines Geistes und
seiner Gewissensfreiheit so stolz gewesen war. Wie war eine solche Versklavung
möglich, nachdem das deutsche Volk in schier zwei Jahrtausenden christlicher
Geschichte die höchsten Kulturstufen seines Werdeganges erklommen
hatte?
Die Ideologie und Schreckensherrschaft des Nationalsozialismus waren
nicht bloße Gewächse der jüngsten Vergangenheit. Sie waren
durch eine Periode der Entchristlichung und des Abfalls von Gott vorbereitet.
In der Symbiose von Christentum und Germanentum hat das deutsche Volk seine
höchsten Werte und Kulturerrungenschaften erreicht. Der Germane in
seiner überschäumenden Naturkraft und seinen ungebändigten
Trieben bedurfte der Mäßigung und Zähmung durch die bildenden,
erziehenden und bindenden Kräfte des Christentums. Das Wesen der deutschen
Kultur ohne die christliche Beseelung nicht denkbar. Ohne sie wäre
das Germanentum Barbarismus geblieben, wie er in der Edda und noch im Nibelungenlied
sich deutlich abhebt. Ein Abfall von dem Gott der Christen und eine Rückkehr
zu Wodan mußte die größten Erschütterungen nach sich
ziehen. Diese Erkenntnis hat in geradezu hellseherischer Weise einmal der
Dichter Heinrich Heine ausgesprochen. In einer Abhandlung: Zur Geschichte
der Religion und Philosophie in Deutschland schreibt er: "Das Christentum
- und das ist sein schönstes Verdienst - hat jene brutale germanische
Kampflust einigermaßen besänftigt (die dämonischen Kräfte
des altgermanischen Pantheismus), konnte sie jedoch nicht zerstören
und wenn einst der zähmende Talisman, das Kreuz zerbricht, dann rasselt
wieder empor die Wildheit der alten Kämpfer, die unsinnige Berserkerwut,
wovon die nordischen Dichter so viel singen und sagen. Jener Talisman ist
morsch und kommen wird der Tag, wo er kläglich zusammenbricht. Die
alten steinernen Götter erheben sich dann aus dem verschollenen Schutt
und reiben sich den tausendjährigen Staub aus den Augen und Thor mit
dem Riesenhammer springt endlich empor und zerschlägt die gotischen
Dome."
Diese Prophezeiung des Dichters ist buchstäblich in Erfüllung
gegangen. Hitler hat die deutschen Dome, die deutsche Kultur zerschlagen.
Mitgeholfen haben ihm alle jene deutschen Menschen, die seit Jahrhunderten
das Kreuz bekämpft haben. Die Wurzeln dieses Entwicklungsganges greifen
um Jahrhunderte hinauf. Das katholische Mittelalter hatte deutsches Wesen,
deutsche Kultur mit christlichem Geiste durchdrungen und zur glanzvollsten
Ausstrahlung gebracht. Auch Martin Luthers Glaube an Gott war unantastbar
und war im Glauben an Christus und damit im Prinzip der Bindung an göttliche
Gesetze verankert. Aber das emporkommende Prinzip des autonomen Individualismus
führte, wie wir schon des öfteren betont haben, im Laufe der
Zeit zum Prinzip der Voraussetzungslosigkeit ohne Gott. Der Glaube an das
Evangelium war im deutschen Volke wankend geworden. Wir können diese
Entwicklung an zwei Beispielen deutlich greifbar darstellen. In seinen
letzten Tagen band der deutsche Reichspräsident Paul von Hindenburg
als sein Vermächtnis einem kirchlichen Würdenträger die
Mahnung auf die Seele: Sorgen Sie dafür, daß in Deutschland
das Evangelium verkündigt wird. Aber wie einen Hohn auf dieses Wort
sprach bei der Leichenfeier Hindenburgs Hitler den Satz aus: "Toter Feldherr,
geh nun ein in Walhall!" Die Periode des germanischen Neuheidentums hatte
begonnen.
Es gehört zu den blutigsten Ironien der Weltgeschichte, daß
Hitler Gott den Allmächtigen in der beleidigendsten Weise zum Narren
halten konnte, ohne daß ihm tiefste Entrüstung entgegengetreten
wäre. Gott war für Hitler und für seine Verschworenen lediglich
eine Figur auf dem Schachbrett, die ihm zum Siege verhelfen sollte. Er
konstruierte sich einen Gott nach seinen Bedürfnissen, einen Gott,
den er zwang, auch seine Verbrechen noch zu segnen. Er erklärte vor
aller Welt, daß er von der göttlichen Vorsehung dazu ausersehen
sei, Europa neu zu ordnen. Das sollte geschehen auf der Grundlage des durch
und durch unchristlichen Rassenprinzips, durch das Prinzip des Hasses,
des Massenmordes, durch das Rezept: Kanonen, Unterseeboote, Flugzeuge +
der liebe Gott! Gott war für Hitler gleichsam der oberste Generalfeldmarschall.
"Wenn Hitler", schreibt Karl Barth (ebd.), "den Allmächtigen oder
die Vorsehung anruft, dann meint er damit den Krieg als die letzte Weisheit
und als den Vater aller Dinge."
Diese Verirrung des Nationalsozialismus, die die Verirrung und Verwirrung
eines ganz erheblichen Bruchteiles des deutschen Volkes gewesen ist, kann
ohne die geistesgeschichtliche Situation der Jahrzehnte vor Hitler gar
nicht verstanden werden. Diese atheistischen und antichristlichen Möglichkeiten
der nationalsozialistischen Weltanschauung gehen, wie wir schon öfters
erwähnt haben, in ihren Spuren in ihre Vorbereitungszeit zurück.
Der Geist von Potsdam, die Kasernierung des Geistes durch den Pflichtenfanatismus
Kants, die heidnische Staatsführung Bismarcks, die Atheistengalerie
seines Zeitalters, die Kämpfe der sogenannten Voraussetzungslosigkeit
im Sinne der Ausschaltung einer jeglichen christlichen Bindung, der sogenannte
Ferrerrummel, der Jubel über die Entdeckung der Abstammung des Menschen
vom Affen, der Anheimfall breiter Volksmassen an den Marxismus mit seiner
atheistischen Grundlage von damals, die Zivilehegesetzgebung Bismarcks,
die Ehescheidungen am laufenden Band, die Begeisterung für das Gewalt-
und Herrenmenschentum Nietzsches, der Rückfall in die Tragik des Heidentums
durch die Existentialphilosophie eines Heidegger, die Entmannung der freien
sittlichen Persönlichkeit und schließlich der Sadismus der Konzentrationslager:
alle diese Momente sind Glieder einer einzigen Kette, die auf das engste
miteinander verbunden sind und die so sich logisch miteinander und nacheinander
entwickelt haben. Mit voller Berechtigung dürfen wir diesen geistesgeschichtlichen
Werdegang im deutschen Volke den Entwicklungsprozeß der Entthronung
Gottes und des Abfalls von Christus nennen.