J. Dörmann, Der theologische Weg Johannes Paul II. zum Weltgebetstag
der Religionen in Assisi, Bd. II.1. Die "trinitarische Trilogie": Redemptor
Hominis, Senden 1992, 36f:
Die universalere Gotteslehre des Papstes verkündet
den Gott aller Religionen: den Gott von Assisi.
Dieser ist für den Papst der "Gott von unendlicher Majestät"
und der "Gott des Bundes". Im Schöpfungsakt mit gleichzeitigem Bundesschluß
hat er Adam die ganze Fülle seiner Schöpfer- und Erlöserliebe
unwiderruflich und unzerstörbar mitgeteilt. Aufgrund der Offenbarung
des NT weiß der Christ:
Der Schöpfer- und Bundesgott ist der dreifaltige Gott: Der Vater
sendet den Sohn und den Heiligen Geist in das Herz eines jeden Menschen.
So lautet die "Hauptwahrheit des Glaubens": "Alle (Menschen) sind von einem
Schöpfergott geschaffen und alle sind von Christus, dem Erlöser,
erlöst" [FN: Johannes Paul II., Ansprache an den Klerus von Rom, 2.
römische Synode nach dem 2. Vatikanum (OR, dt., 8. 3. 1991): "Das
Zweite Vatikanische Konzil ist als umfassendes Dokument, das aus etlichen
Einzeldokumenten verschiedenen Charakters besteht, ein gewaltiger lehrmäßiger
und pastoraler Entwurf für die Kirche der Zukunft. Ich bin mir persönlich
tief bewußt und sicher, daß es ein Werk des Heiligen Geistes
war, der uns zur Seite stand und uns geholfen hat, dieses Konzil durchzuführen
und uns in dieser Weise in der damaligen Stunde auszusprechen ... Unsere
Synode ist anders, sie kann nicht genau wie die erste sein. Sie muß
anders sein wegen des Zweiten Vatikanischen Konzils, das uns eine neue
Sicht der Kirche geschenkt hat, eine mehr für die Universalität
des Volkes Gottes offene Sicht: Die katholische Universalität, die
sich in der katholischen Kirche verwirklicht, und auch die menschliche
Universalität, die sich in gewissem Sinn in der ganzen Menschheit
verwirklicht, weil alle Menschen den gleichen Schöpfer und den gleichen
Erlöser haben. Alle sind von einem Schöpfergott erschaffen und
alle sind von Cnristus, dem Erlöser, erlöst. So findet die Ekklesiologie
des II. Vaticanums am Ende in dieser Hauptwahrheit des Glaubens den Schlüssel
für ihre Deutung. Das stellt uns viele Probleme ökumenischer
Art, hinsichtlich des Dialogs mit den anderen Religionen und geistlichen
Überlieferungen, mit allen Lebensverhältnissen des Menschen,
mit der gesamten heutigen Welt in verschiedenen Dimensionen".]
Die "Hauptwahrheit des Glaubens", die im Sinn der Allerlösung
zu verstehen ist, enthält in nuce eine neue universalere dogmatische
Gesamtschau des Glaubens. Nach der universaleren Christologie hat "der
Sohn Gottes durch seine Menschwerdung sich mit jedem Menschen (formell)
vereinigt" [FN: Kardinal Wojtyla, Zeichen des Widerspruchs, S. 121]. Die
Inkarnation bedeutet demnach nicht nur die Vereinigung des Sohnes mit der
menschlichen Natur in Jesus Christus, sondern die formelle Vereinigung
des Sohnes mit jedem Menschen, mit der ganzen Menschheit, vom Anfang der
Schöpfung bis zum Ende der Welt. Das Axiom der Allerlösung wurzelt
also konkret in der Universalität der Menschwerdung. Die universalere
Soteriologie ist schon mit der universaleren Christologie gegeben: Das
Werk des Erlösers ist nicht nur objektiv, sondern auch subjektiv universal:
"Alle Menschen seit dem Beginn bis zum Ende der Welt sind von Christus
durch sein Kreuz erlöst und gerechtfertigt worden" [FN Ebda., S. 103].
Die nichtchristliche Menschheit ist "anonymes Christentum". Die "Grenzziehung
zwischen Christen und Nichtchristen in der Heilsfrage" ist aufgehoben.
Die traditionelle Unterscheidung objektiver Universalität der Erlösung
und subjektiver Rechtfertigung ist hinfällig.
[...]
Die universalere Ekklesiologie folgt direkt aus der "Hauptwahrheit
des Glaubens". Die Erkenntnis: "Die Kirche des lebendigen Gottes vereint
alle Menschen", hat die Konzilskirche (= "die Kirche unserer Zeit") veranlaßt,
im Licht dieser Wahrheit "im Zweiten Vatikanischen Konzil ihr eigenes Wesen
neu zu bestimmen" [FN: Kardinal Wojtyla, Zeichen des Widerspruchs, S. 27].