a) Die Allgemeine IV. Kirchenversammlung von Konstantinopel (869-870)
Lehrsätze gegen Photius
(Einleitung NR) In den bewegten Jahren der Trennung des Ostens von
der römischen Kirche zur Zeit des Photius tagte in Konstantinopel
die 8. allgemeine Kirchenversammlung. Ihre Entscheidungen gegen Photius
waren ein letzter großer Sieg des Papsttums im Osten. Auf der Versammlung
wurden verschiedene Irrtümer verurteilt, die Photius gelehrt hatte,
darunter auch die Ansicht von den zwei Seelen. Ob Photius sie selbst in
dem Sinn verstanden, wie sie hier verurteilt ist, läßt sich
aus seinen vorliegenden Schriften nicht mit Sicherheit erweisen. Die Kirchenversammlung
will ein Doppelprinzip des Seelenlebens ausschließen: Im Menschen
gibt es nicht ein gesondertes Prinzip des sinnenhaften und des geistigen
Lebens, sondern einen einzigen Träger sämtlicher menschlichen
Lebensfunktionen. Der Sinn der Entscheidung ist also die Einheit des Menschen
und des menschlichen Seelenlebens.
Die Einzigkeit der Seele
b) Die Allgemeine Kirchenversammlung zu Vienne (1312)
Gegen die Irrtümer des Peter Johannes Olivi
Die Allgemeine Kirchenversammlung zu Vienne (1312)
Gegen die Irrtümer Des Peter Johannes Olivi
Olivi (1248-1298) war in den Auseinandersetzungen über die Armut
innerhalb des Franziskanerordens ein Vorkämpfer der "Spiritualen",
d. i. der Verfechter des evangelischen Armutsideals in seiner ganzen Strenge
gegenüber der entgegengesetzten Richtung der Konventualen. Schon zu
seinen Lebzeiten mußte er sich vor dem Generalkapitel seines Ordens
in Paris verantworten. Nach seinem Tode wurde seine Lehre nochmals von
den Konventualen angeklagt, um durch die Verurteilung des Vorkämpfers
die Partei der Spiritualen zu treffen. Die Frage kam vor die Kirchenversammlung
in Vienne. Dort wurde unter anderem seine Lehre von der Verbindung der
Seele mit dem Leib behandelt. Die vorliegende Entscheidung ist unfehlbare
Lehre einer allgemeinen Kirchenversammlung.
Der Sinn der Entscheidung: Das Problem liegt darin, daß die Seele
als geistiges Wesen innerlich unabhängig ist vom Stofflichen. Wie
kann sie sich im Menschen mit dem Leib zu Einem Wesen verbinden? Die Antwort
Olivis besagte: Die Seele selbst als geistiges Wesen verbinde sich nicht
unmittelbar mit dem Leib, sondern vermittels des von ihr sachlich verschiedenen
Prinzips des sinnenhaften und organischen Lebens. Die Lehre der Kirchenversammlung:
Die geistige Seele ist durch sich selber unmittelbar, ohne die Vermittlung
eines von ihr getrennten Prinzips, und icesenhaft, in innerer Hinordnung
auf die Verbindung mit dem Leib, Form des Leibes. Es ist also als kirchliche
Lehre festgelegt, daß die geistige Seele selbst Trägerin des
leiblichen Lebens ist. Die Bedeutung der Entscheidung liegt im Festhalten
an der wesenhaften Einheit und Ganzheit des Menschen. Die Zerreißung
des menschlichen Seelenlebens in ein geistiges und sinnenhaftes Leben hatte
sich gerade damals in den Irrlehren der Albigenser und Waldenser, die Geist
und Stoff, Gut und Böse als ebenbürtige Gründe der Welt
auffaßten, verderblich ausgewirkt. Sie zerstört die Grundlagen
jeder gesunden Auffassung vom Menschen.
Die Seele als Form des Leibes
c) Die Allgemeine V. Kirchenversammlung im Lateran (1513)
Petrus Pomponazzi (1460-1525) hatte zu Padua die Seelenlehre des Aristoteles
vorgetragen, aber nicht in dem Sinn, in dem sie in der scholastischen Tradition
weiterlebte, sondern wie sie durch den Einfluß der Araber über
Spanien eingedrungen war. In seinen Anschauungen folgte er den Auslegungen
des Averroes: Die menschliche Seele könne wegen ihrer Fähigkeit,
das Allgemeingültige zu erfassen, nicht individuelles Einzelwesen
sein; da sie in ihrer Betätigung im Einzelmenschen wesentlich an die
Materie gebunden sei, so erlösche ihr Dasein, soweit es individuell
ist, mit dem Tod. (Indirekt ist diese Lehre ja schon in Vienne verurteilt,
da eine Seele, die nicht selber individuell ist, auch nicht Form des individuellen
leiblichen Lebens des Einzelmenschen sein kann.) Gegen diese Lehre sprach
sich die allgemeine Kirchenversammlung im Lateran aus und verkündete
als unfehlbar die Individualität der menschlichen Einzelseele und
ihre Unsterblichkeit.
Die Individualität und Unsterblichkeit der Menschenseele
d) Lehrentscheid Papst Benedikts XII. über die beseligende Gottesschau
und die Letzten Dinge (1336)
Konstitution "Benedictus Deus"
Der Avignoneser Papst Johannes XXII. hatte 1331 in einer Predigt behauptet:
Die Seelen der Auserwählten werden erst nach dem Endgericht und der
Auferstehung des Leibes der seligen Gottesschau sich erfreuen; vorher besitzen
sie nur eine unvollkommene Seligkeit. 1332 predigte er die gleiche Auffassung
über die Strafe der Verdammten. Die Predigten waren keine feierliche
Lehrentscheidung, sondern nur private Meinungsäußerungen des
Papstes. Sofort erhob sich von seiten der Dominikaner, besonders in Frankreich,
und der Franziskaner, vor allem der papstfeindlichen Anhänger Ludwigs
des Bayern in Deutschland, großer Widerspruch. Der Papst gab seine
private Meinung zugunsten der herkömmlichen kirchlichen Lehre auf,
die er in feierlicher Lehrentscheidung vorlegen wollte. Aber erst sein
Nachfolger, Benedikt XII., konnte nach genauer Untersuchung diese feierliche
Entscheidung in der Konstitution "Benedictus Deus" erlassen.
e) Die Allgemeine Kirchenversammlung zu Trient, 25. Sitzung (1563)
Lehrbestimmung über den Reinigungsort
(200-202) Christus besaß eine vollständige, der unsrigen
wesensgleiche menschliche Natur, insbesondere auch eine vernünftige
menschliche Seele. De fide.
Arius (gest. 335) lehrte, daß der Logos keine Seele, sondern
nur einen Leib angenommen und selber durch sich alles in diesem Leibe gewirkt
habe, was sonst die Seele im Menschen wirkt. Arius wollte sehr wahrscheinlich
auf diese Weise seiner Leugnung der Gottheit des Sohnes eine Stütze
verschaffen. Denn wenn die geschöpflichen seelischen Tätigkeiten,
und Leiden, welche die Hl. Schrift von Christus aussagt, dem Logos selbst
in seiner eigenen Natur zukommen, so erweisen sie ihn als ein Geschöpf.
Auch Apollinaris von Laodicea (gest. um 390) leugnete die menschliche Seele
Christi, aber aus einem anderen Grunde als Arius. Er trat für die
Gottheit des Logos ein, meinte jedoch, die Verbindung zweier Geistwesen
zu einem Christus sei unmöglich und außerdem sei die Sündenlosigkeit
des Erlösers und damit die Erlösung selbst nur dann sichergestellt,
wenn statt der Seele der göttliche Logos im Leibe Christi wohne und
wirke. In. seinen letzten Schriften gab Apollinaris unter Heranziehung
der Platonischen Trichotomie ["Dreiteilung"; der Mensch soll aus drei Teilen
bestehen, besitzt also außer einem Körper und einer vernünftigen
Geistseele auch noch zusätzlich eine Seele als Prinzip des sensitiven
und vegetativen Lebens; mit Trichotomie ist also nicht die platonische
Unterscheidung der Seelenbereiche gemeint (eine Vernunft- oder Geistseele
(logistikon), eine muthafte Seele (thymoeides) als Sitz edlerer Regungen
wie z.B. Ehrgeiz und Hoffnung und eine Begierdeseele als Sitz der Triebe
wie Nahrungs- und Geschlechtstrieb (epithymetikon))] allerdings zu, daß
der Logos außer dem Fleische (sarx) auch eine sinnliche Seele (psyche)
mit sich vereinigt habe. Aber die menschliche Geistseele (nous oder pneuma)
müsse im Erlöser fehlen und durch den Logos ersetzt sein.
Positiver Beweis des Dogmas
1. Kirchliches Lehramt. - Die Kirche verwirft die genannten
Irrlehren entschieden und lehrt die Vollständigkeit der Menschheit
Christi und i!hre Gleichartigkeit mit der unsrigen. Synoden zu Konstantinopel
381 und 382 und römische Synoden unter Papst Damasus 380-382 verwarfen
den apollinaristischen Irrtum. Eine der letzteren erklärte, der Logos
habe nostram id est rationabilem et intelligibilem sine peccato animam
angenommen [unsere, d.h. eine vernünftige und geistige Seele ohne
die Sünde] (Denz. 65). Sodann bekennt das Chalzedonense 451 von Christus:
perfectum in humanitate ... ex anima rationali et corpore ... consubstantialem
nobis secundum humanitatem (Denz. 148) [vollkommen der Menschheit nach
... bestehend aus einer vernünftigen Seele und dem Leibe ... wesensgleich
uns der Menschheit nach]. Ähnlich das Athanasianum (Denz. 40). Nach
dem fünften allgemeinen Konzil (zu Konstantinopel 553) ist das vom
Logos angenommene Fleisch sarx empsychomene psyche logike kai noera (Denz.
216) [Fleisch, das durch eine vernünftige und denkende Seele belebt
wird]. Noch genauer stellt das allgemeine Konzil von Vienne 1311 fest,
der Sohn Gottes sei wahrer Mensch geworden, indem er die miteinander vereinigten
Teile unserer Natur annahm: humanum videlicet corpus passibile et animam
intellectivam seu rationalem, ipsum corpus vere per se et essentialiter
informantem (Denz. 480) [nämlich einen menschlichen leidensfähigen
Leib und eine Geist- oder vernünftige Seele, die den Leib selbst in
Wahrheit durch sich und wesentlich mit der Form ausstattet].
2. Die Offenbarungsquellen
a) Hl. Schrift. - [...] Die Seele Jesu wird wiederholt Geist (pneuma,
spiritus) genannt. Lk. 23,46: Pater, in manus tuas commendo spiritum meum
[Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist]. Mt. 27, 50: Emisit
spiritum [Er gab seinen Geist auf]. Joh. 19, 30: Tradidit spiritum. Joh.
11,33: Infremuit spiritu [er wurde im Geist erschüttert]. Daß
seine Seele hierdurch als ein wahrhaft geistiges Wesen bezeichnet werden
soll, wird bestätigt durch die Worte Jesu von seinem Willen, den er
von dem des Vaters unterscheidet (Mt. 26, 39; Lk. 22, 42; Joh. 6, 38).
Wir lesen ferner von seinen häufigen Bitt- und Dankgebeten zum Vater,
den Akten des Gehorsams und der Demut, Affekten der Verwunderung, des Mitleids,
des Zornes, der Trauer - lauter deutliche Beweise für seine geistige
menschliche Seele. Denn alles dieses verlangte ein geistiges Prinzip; der
Logos als solcher aber kann das unmittelbare Prinzip dieser geschöpflichen
Vorgänge nicht sein, da er wahrer Gott ist.
Die den Irrtum scheinbar begünstigenden Worte Joh. l, 14: Et Verbum
caro factum est erklären sich aus der Sprachgewohnheit der Hl. Schrift.
Der Teil steht für das Ganze. Wie "Seele" ein Ausdruck für Mensch
ist (z. B. Ex. l, 5), so auch "Fleisch" (z. B. Lk. 3, 6: Videbit omnis
caro salutare Dei [und alles Fleisch wird schauen das Heil Gottes]). Joh.
l, 14 wird der Ausdruck Fleisch passend verwendet, weil die Sichtbarkeit
des Logos (et vidimus gloriam eius) betont werden soll. Auch wird uns die
Größe der Herablassung Gottes durch die Hervorhebung des niedrigsten
Bestandteiles des Menschenwesens besonders eindringlich vor Augen gestellt.
Vgl. 3 q. 5 a. 3 ad 1.
b) Die Überlieferung lehrte schon vor Arius und Apollinaris aufs
bestimmteste die Vollständigkeit der Menschheit Christi und die Gleichartigkeit
seiner Seele mit der unsrigen. Bereits Ignatius Smyrn. 4, 2 nennt Christus
teleios anthropos [vollkommener Mensch] Klemens von Rom l Cor. 49, 6 und
Irenäus Adv. haer. V, l, 2 schreiben übereinstimmend, er habe
"sein Fleisch für unser Fleisch, seine Seele für unsere Seelen
hingegeben". Nach Tertullian De carne Christi 10 hat er "unsere Seele,
d. i. eine Seele unserer Art", angenommen. Origenes De princ. II, 6, 5
erklärt: Naturam animae illius hanc fuisse, quae est omnium animarum,
non potest dubitari [Dass die Natur Seiner Seele diejenige gewesen ist,
die allen Seelen eignet, kann nicht bezweifelt werden]. Auch Athanasius,
dem neuere Forscher nachsagen, er teile die Anschauung des Arius von der
Menschheit Christi, hat zweifellos nie daran gedacht, dem Erlöser
die menschliche Seele abzusprechen. Das ergibt sich schon daraus, daß
er ihm oft und ohne alles Zögern Tätigkeiten zuschreibt, die
eine menschliche Seele zur Voraussetzung haben, wie Beten, Leiden, Weinen,
Verwirrtsein. Er versichert zudem, der Ausdruck sarx Joh. l, 14 bedeute
soviel wie anthropos (C. Arian. III, 30). Auf der Synode zu Alexandrien
362 tritt er ausdrücklich dafür ein, das von dem Logos angenommene
soma [Leib] sei ouk apsychon oude anaistheton oude anoeton [nicht seelenlos
noch wahrnehmungslos noch vernunftlos]. An Epiktet n. 7 schreibt er: "Nicht
der Leib allein, sondern der ganze Mensch, Seele und Leib sind in Wahrheit
errettet worden in dem Logos selbst".
Spekulative Betrachtung
Die Väter wie auch der hl. Thomas legen überzeugende innere
Gründe für die Geistigkeit der menschlichen Seele Christi vor:
a) Die persönliche Vereinigung mit einem toten oder tierisch belebten
Körper wäre Gottes unwürdig. Angemessen ist die Annahme
des Fleisches nur, wenn die durch ihre Geistigkeit Gott viel näherstehende
Seele gleichsam als Vermittlerin dient, so daß der Leib zwar unmittelbar
(§ 15, 2), aber doch nur mit Rücksicht auf die Seele vom Logos
angenommen wird (Origenes De princ. II, 6, 3; Augustinus Ep. 137,3,11;
140,4,12; De fide et symb. 4, 10; De agone Christ. 18,20; vgl. 3 q. 5 a.3.4).
b) Unser Mittler ist nach l Tim. 2,5 "der Mensch Christus Jesus". Er
wäre aber nicht wahrhaft Mensch, wenn ihm die Geistseele fehlte. Sein
Tod wäre kein menschlicher Tod, der Abstieg zu der Hölle wäre
unmöglich, Christi Auferstehung wäre kein Vorbild der unsrigen,
sondern eine neue Fleischwerdung (Gregor von Nyssa Adv. Apoll. 17.34.35).
c) Unsere Erlösung durch Christus setzt voraus, daß er eine
menschliche vernünftige Seele besaß. Ein berühmtes Wort
Gregors von Nazianz sagt: "Was nicht angenommen worden ist (scil. vom Sohne
Gottes), ist nicht geheilt worden (to aproslepton atherapeuton). Was aber
mit Gott vereinigt worden ist, wird gerettet" (Ep.101,7; vgl. Tertullian
De carne Christi 10; Athanasius Ep. ad Epict. 7; Ambrosius Ep. 48, 5; Augustinus
in loh. tract. 23, 6 usw.). Ferner kann ja ein sühnender Gehorsam,
ein heilbringender Opfertod nur durch eine geistige Seele mit freiem Willen
vollbracht werden (Gregor von Nyssa Adv. Apoll. 21. 41; vgl. C. gent. IV,
32. 33).
Das ist ganz und gar Bibel und Ehrenrettung des Leibes (soma), des Fleisches (sarx), der Materie (hyle). Sie stammt ebenso von Gott, sie ist ebenso erlöst, sie kann ebenso das Heil vermitteln und muß im Heilstun eingesetzt werden ebenso wie die Seele, natürlich! Vor allem den Gnostikern klangen die Ohren: Sie vertraten die These, daß das Fleisch heilsunfähig ist (sarx mê dektikêkês sôterias). Wir verstehen nun, daß die altchristlichen Symbola dezidiert formulieren die Christen glaubten, so das Apostolicum, "carnis resurrectionem", in einer Vorform aus Aquileja liest man sogar "huius carnis resurrectionem" (9) "Auferstehung des/dieses Fleisches", "resurrectionem mortuorum", so im Großen Symbolum: der Toten Auferstehung, will meinen: des ganzen Menschen.
Das Fatale liegt nun darin, daß sich nahezu unvermeidlich zwei Gedanken festgesetzt haben. Der erste folgte zwar nicht logisch, aber doch wohl psycho-logisch aus der Argumentationsfigur: Aus dem Überbieten wird eine Sukzession, ein zweiphasiger Vorgang. Erste Phase: Die Seele trennt sich im Tod vom Leib (das sah man an der Folge des Sterbens, am Leichnam) und lebt, da unsterblich, weiter (immortalitas). Zweite Phase. Sie wird am Ende der Zeiten mit dem dann auferweckten Leib vereinigt (resurrectio mortuorum). Damit ist auch der berühmte Zwischenzustand geschaffen: Irgendwo muß die leibfreie Seele bis zum Jüngsten Tag ja sein. Der zweite Gedanke liegt in der Luft der Spätantike: Gegen die übersteigerte, schon lange morbid gewordene Zivilisation erhebt sich der Protest der Aussteiger, die sie und mit ihr Hygiene, Ehe, Sexualität, die leiblichen Freuden aller Art ablehnen - und wer konnte das besser legitimieren als Platon mit seiner Katharsis-Theorie? Der Asketismus des Mönchtums, der das ganze Mittelalter hindurch auch die monastischen Bewegungen des Westens als Vorbild formte (10), lebt aus dem platonischen, durch den Neuplatonismus noch verschärften Dualismus: Verachtung des Leibes, Hochbewertung der Seele als des eigentlichen Kerns des Menschen. Da das Mönchtum sich wesentlich als eschatologische Bewegung verstand, die dem Wiederkommen des Herrn entgegenfiebert, wird der eschatologische Akzent der Anthropologie beherrschend, um nicht zu sagen: aus der Anthropologie wird Eschatologie. Wir können jetzt die früher schon leise gestellte Frage beantworten, warum die theologisch-anthropologischen Bemühungen der Dogmatik sich auf die "Lehre von den Letzten Dingen" konzentriert hatten.
Dieses Verständnis der Leib-Seele-Relation hatte durchaus praktische, sogar politische Folgen. Asexualität und Christentum wurden so identifiziert, daß der Vollzug des letzteren ohne die erste nicht erlaubt schien. Das führte im 11. Jahrhundert zur rigorosen Durchsetzung des Priesterzölibates. Wer den reinen jungfräulichen Leib Christi in der Konsekration berührt, muß selber jungfräulich rein sein.
[...]
Der platonische Dualismus ist also bestimmend geworden. Damit liegt auch das Leib-Seele-Problem auf dem Tisch; keiner hat es je wieder herunterbekommen. Auch Thomas von Aquin nicht, obschon er sich beim Versuch nicht mehr der Dienste Platons, sondern der seines Schülers Aristoteles bediente. Dieser hatte im Leib das Prinzip der Materie, in der Seele jenes der Form entsprechend seinem hylemorphistischen Weltbild gesehen und den Menschen als Einheit aus beiden Prinzipien, also nicht mehr aus zwei subsistierenden Entitäten bestehend, wie sein Lehrer annahm, betrachtet. Das Problem war freilich der Geist: Aristoteles läßt ihn von außen (thýrathen) in den Menschen gelangen. Thomas verbessert Aristoteles dahingehend, daß er die Seele subsistent sein läßt, übernimmt dann aber dessen Fundamentalaussage, daß der Mensch eine Einheit zweier Prinzipien, des Leibes als Materie, der subsistenten Seele als "unica forma corporis" sei. Die Seele vermag also nichts ohne den Leib; im Leib drückt sie auch ihre Gottesbeziehung aus. Nach dem Tod lebt die Seele als unzerstörbares subsistentes Geistwesen - das ist nun doch wieder platonisch gedacht - weiter, aber nicht mehr als aktuierende forma des Leibes. Tod ist also jetzt wirklich Menschentod, nicht nur Absterben des Körpers. Zurück bleibt etwas, das nicht mehr wirklich Leib, sondern Leichnam des X ist; weiterleben kann nur etwas Fragmentarisches, kein eigentlicher, personaler Mensch, obschon dieses über den Tod hinaus Träger des Menschseins bleibt. Ausdrücklich sagt der Aquinate, daß die anima separata sich in einem unnatürlichen Zustand befinde (13). Doch dann fällt er in Inkonsequenzen. Er besteht auf der vollkommenen Seligkeit dieser anima. Aber wie kann ein Fragment glücklich sein? Er besteht weiter auf der Selbigkeit des Auferstehungsleibes, obschon diese doch gar nicht postuliert werden muß, wenn die Seele allein Identitätssubjekt des Menschen ist.
[...]
Und die Theologie? Wir wissen bereits: Eine ausdrückliche und direkte anthropologische Diskussion findet nicht statt. Das Problem bleibt wie im Mittelalter so auch in der Neuzeit eschatologisiert, d.h. die Frage, was der Mensch sei, konzentriert sich auf jene, was aus ihm postmoral werde. Die Eschatologie, die lange Jahrhunderte auf vorwissenschaftlichem Niveau verharrt hatte, gerät in der Mitte des 20. Jahrhunderts in Bewegung, heftige Bewegung sogar - und da ist selbstverständlich das Leib-Seele-Thema ebenso heftig berührt. Es bilden sich, nicht ohne auf teilweise sehr gravierende Opposition zu stoßen, folgende Erkenntnisse heraus:
1) Wenn ein Mensch stirbt, stirbt er ganz. Der Platonismus ist damit grundsätzlich (das Wort ist dick zu unterstreichen) überwunden.
2) Trotzdem ist an einem jenseitigen Leben festzuhalten: Gottes Schöpfertreue kann sich nicht als göttlich erweisen, es sei denn, die Menschen seien unvergänglich. Diese Feststellung impliziert die These, daß die Hoffnung über den Tod hinaus nicht auf der Offenbarung allein beruht, sondern sich auch auf rationale Erwägungen stützt, die deren Botschaft absichern und plausibilisieren.
3) Damit stellt sich die Notwendigkeit, ein Kontinuum zwischen prä- und postmortaler Existenz anzunehmen, damit man tatsächlich von einer bleibenden Identität dieses Menschen reden kann. Die Ganztod-Lehre lutherischer Theologie wird daher abgelehnt.
4) Dieses Kontinuum nennen wir traditionellerweise Seele.
5) Eine nicht platonische Anthropologie kann diese Annahme unter Absehung eines Zwischenzustandes, der aus dem Platonismus, aber eben nur aus ihm notwendig folgt, nur halten, wenn sie eine Auferstehung im Tod. annimmt. Der Mensch wird, bedeutet dies, von Gott mit Leib und Seele, also als ganzer Mensch von den Toten auferweckt und lebt in der jenseitigen Seinsform in verwandelter Identität weiter.
Es ist vor allem diese letzte These, vom Freiburger Systematiker Gisbert Greshake eloquent vorgebracht, die heftige Kritik erregt. Die Kritik erlangt dann auch dogmatische Relevanz, als zunächst Joseph Ratzinger als Privattheologe, dann die Glaubenskongregation auf der Realität eines Zwischenzustands besteht, also nochmals Platon zu Ehren verhilft (15). Allerdings geht es beiden nicht eigentlich um den alten Philosophen als vielmehr um den Schutz der "kleinen Leute", die durch die modernen Ansichten schwer und glaubensgefährdend verunsichert würden. Das ist aber eher ein pastoraltheologisches als ein systematisches Problem. Die meisten Theologen lassen sich infolgedessen von den Insistenzen auf der traditionellen Seelenlehre auch wenig beeindrucken.
[...]
Wir schließen diesen ersten Teil unserer Betrachtungen mit einem Blick auf den von Papst Johannes Paul 11. 1992 promulgierten Katechismus der katholischen Kirche", vulgo "Weltkatechismus" (18). Nach dem Willen des Papstes, festgestellt in der einführenden Apostolischen Konstitution vom 11.Oktober des nämlichen Jahres, soll er "gültiges und legitimes Werkzeug im Dienst der kirchlichen Gemeinschaft" und "sichere Norm für die Lehre des Glaubens" sein (19). Die Leib-Seele-Thematik wird innerhalb der Systematik des Werkes im 2. Abschnitt, der eine Auslegung des Apostolischen Symbolums ist, abgehandelt, und zwar gemäß der klassischen Einteilung der Dogmatik anläßlich der Schöpfungslehre. Absatz 6 ist betitelt "Der Mensch"; er umfaßt die Nummern 355-384 auf sechseinhalb von 816 Druckseiten. Abschnitt II = Nr. 362-368 trägt die Überschrift "In Leib und Seele einer". Abgehoben wird zuerst auf die schöpfungsgegebene Einheit des Menschen, auf seine Personalität. Seele wird als "das geistige Lebensprinzip im Menschen" und, gut thomanisch, als Form des Leibes bezeichnet, die die Materie erst zum menschlichen Leib macht. Dann jedoch geht es mit Verve wieder zurück nach Griechenland. Nr. 366 erklärt:
"Die Kirche lehrt, daß jede Geistseele unmittelbar von Gott geschaffen ist - sie wird nicht von den Eltern 'hervorgebracht' - und daß sie unsterblich ist: sie geht nicht zugrunde, wenn sie sich im Tod vom Leibe trennt, und sie wird sich bei der Auferstehung von neuem mit dem Leib vereinen".
Zu Beleg der unmittelbaren Erschaffung wird auf die schon apostrophierte Lehre Papst Pius XII. rekurriert; die Seelenunsterblichkeit wird mit dem V. Lateran-Konzil (1513) bezeugt. Daß das keine sehr schwergewichtigen dogmatischen Eideshelfer sind, weiß der Dogmatiker; es ist auch in der eschatologischen Debatte wieder und wieder erörtert worden, ob und gegebenenfalls welche (sehr eingeschränkte) Verbindlichkeit diesen Aussagen innewohnt. Der "Katechismus" ignoriert alle diese Einsichten der modernen Theologie - bekanntlich nicht nur in diesem Kapitel.
Damit kann also die Akte nicht geschlossen werden.
[...]
Theologie steht als kirchliche Theologie - und nach christlichem Verständnis kann es eine andersgeartete legitim gar nicht geben - wie die Kirche selber in der Nachfolge Christi. Diese vollzieht sich, wie das Bild es bereits nahelegt, darin, daß sie sich auf den Wegen der Zeit durch die Zeit bewegt, aber daß sie das in Richtung auf ein Ziel tut, das die Zeit immer schon transzendiert, nämlich Gott in Jesus Christus. Dieser Duktus ist bereits ein Teil des Lebensvollzuges von Kirche und Theologie, sofern sie dem menschgewordenen Gott verpflichtet ist, welcher wesensgleich nicht nur dem Vater, sondern auch uns ist (1). Eine zeitenthobene Theologie kann es schlechterdings nicht geben. Das hat zwei Konsequenzen. Weil Theologie immer zeitverhaftet ist, gibt es auch keine Orthosprache und keine Orthodenkform für das Christentum, die zeitunabhängig die ewige Wahrheit in ewigkeitsresistenten Wahrheitsformeln referieren könnte. So sehr also die Rede von Leib und Seele traditionell sein mag, so sehr sie von allen möglichen kirchlichen Lehrentscheidungen verwendet und gedeckt sein mag - mit alledem ist noch lange nicht entschieden darüber, ob diese Rede unaufgebbar, erst recht nicht, ob sie in der bisher tradierten Form unentbehrlich ist. Zum mindesten ist zu sagen: Sie ist zu kommentieren. Theologie ist nicht die Aufarbeitung der jeweils historischen Datensätze. Doch das ist nur die Hälfte dessen, was zu sagen ist. Die zweite Konsequenz der Zeitbedingtheit der Theologie besteht darin, daß sie stets in der Sprache und in den Denkformen ihrer jeweiligen Zeit reden und denken muß, wenn sie ihre Aufgabe und ihr Anliegen der Glaubensreflexion erfüllen möchte.
[...]
Aus den bisherigen Bemerkungen ergibt sich eine weitere: Die primäre
Aufgabe theologischer Arbeit kann es nicht sein, "den Glauben der kleinen
Leute" zu sichern. Das ist offenkundig die Intention von Joseph Ratzinger,
die er öfters gerade auch im Kontext der Eschatologie bekundet hat.
Die These von der Auferstehung des ganzen Menschen im Tode und damit die
Rückweisung des Dualismus lehnt er 1977 mit der Begründung ab,
daß man "danach trachten" solle, "möglichst schnell ein Denken
zu verabschieden, das die Verkündigung sprachlos macht und sich damit
als Weise des Verstehens selber aufhebt" (4). Augenscheinlich treibt die
gleiche Sorge das Schreiben der Glaubenskongregation "Recentiores episcoporum
synodi" von 1979 zu einigen Fragen der Eschatologie um (5), in dem auf
dem Vorhandensein eines Zwischenzustands wie auf dem Ausdruck "Seele" instistiert
wird für das, was in diesem existiert. Er sei "durch den Gebrauch
in den Heiligen Schriften und in der Überlieferung eingebürgert".
Obschon die Kongregation sieht, daß der Begriff eine breite Polysemie
in den "Heiligen Schriften" besitzt, erklärt sie, "daß es keinen
triftigen Grund gibt, warum der Ausdruck verworfen werden sollte, und sie
ist außerdem der Meinung, daß ein sprachliches Ausdrucksmittel
(verbale instrumentum) zur Aufrechterhaltung des Glaubens der Christen
durchaus notwendig ist" (6)
Termini schillernd, schwammig, zweideutig, unverständlich werden.
Sie können auch in ihrem historischen Schicksal dergestalt mit einer
bestimmten "Einfärbung" versehen worden sein, daß sie ohne diese
gar nicht mehr gebraucht werden können. Gerade das ist offenkundig
mit beiden Wörtern geschehen, die in unserem Thema zusammengekoppelt
sind, mit Leib wie mit Seele. Sie sind gerade in ihrem Alltagsverständnis
so platonisiert, daß es großer Mühe bedarf, um sie mit
anderen Konnotationen zu imprägnieren. Überdies werden sie bekanntlich
in den Humanwissenschaften jetzt ganz anders verstanden.
Damit stehen wir bei den einfachen Leuten.Sie sind allemal betroffen, wenn das Alltagsverständnis hinterfragt wird. Es kann auch keine Diskussion geben, daß es Christinnen und Christen gibt, welche damit verunsichert werden, zuweilen sehr tief, sehr existentiell. Wer in der Kirche Verantwortung innehat, darf darüber nicht einfach zur Tagesordnung übergehen; das liefe seiner pastoralen Verantwortung entgegen. Aber muß er allemal schon gleich kapitulieren und jeglicher Veränderung deswegen Absagen erteilen? Wer sind eigentlich "die kleinen Leute"? Die erste Antwort lautet: Wer jemanden so definiert, definiert sich eo ipso als zu den "großen Leuten" zugehörig. Das wiederum provoziert die Frage: Wer bestimmt die entsprechenden Kriterien und wer stellt sie als konkret gegeben fest? Nur das Amt und die Amtsträger? Da wäre die vom Zweiten Vatikanischen Konzil wieder erinnerte Lehre vom Glaubenssinn der Gläubigen (sensus fidelium) ins Gedächtnis zu rufen (7), wonach alle Gläubigen geistgeleitet sind. Da wäre vor allem auch die fundamentale Aussage der gleichen Kirchenversammlung aufzurufen, die in der Dogmatischen Konstitution "Dei Verbum" steht:
Die "apostolische Überlieferung kennt in der Kirche unter dem Beistand des Heiligen Geistes einen Fortschritt: es wächst das Verständnis der überlieferten Dinge und Worte durch das Nachsinnen und Studium der Gläubigen, die sie in ihrem Herzen erwägen ..., durch innere Einsicht, die aus geistlicher Erfahrung stammt, durch die Verkündigung derer, die mit der Nachfolge im Bischofsamt das sichere Charisma der Wahrheit empfangen haben; denn die Kirche strebt im Gang der Jahrhunderte ständig der Fülle der göttlichen Wahrheit entgegen, bis an ihr sich Gottes Worte erfüllen" (8).
Amt und Amtsträgern wird hier eine zwar herausgehobene, aber keine exklusive Stellung innerhalb der Zahl der Promotoren des geistlich-theologischen Erkenntnisfortschrittes zuerkannt. Jeder Glaubende, jede geistliche Erfahrung zählt zu den Impulsgebern neuer Durchdringung des Evangeliums. Daß solche Impulse des Neuen anstößig sein können nicht bloß im Sinne der Aufforderung zum Weiterschreiten, sondern auch im Sinne des Ärgernisses (scandalum), liegt nahe, um nicht zu sagen: ist unvermeidlich.
[...]
In diesem ersten Gang geht es um die Erhebung der Anthropologie in der norma normans non normata, also in der Heiligen Schrift. Das Material haben wir schon der Sichtung unterworfen (9). Das Fazit lautete: Es gibt dort das Leib-SeeleProblem im späteren Sinne überhaupt nicht. Das Auszeichnende der biblischen Anthropologie ist das Insistieren auf der Einheit des Menschen. Er ist, sehen wir von einigen Texten der späten, schon hellenistisch gefärbten Schriften ab, als Ganzheit gesehen. Diese ist selbstredend differenziert und diese Differenzierung ist sprachlich in den vier von uns rezensierten Termini (nefes, ruach, basar und leb) festgehalten. Es geht um reale Aspekte des Menschseins, die unter verschiedenen anthropologischen Perspektiven betrachtet werden. Es geht aber dabei nicht unmittelbar um die Fundamentalfrage, was der Mensch sei. Mittelbar ist sie natürlich angesprochen, sofern eben die Aspekte Aspekte des Menschen sind und daher etwas über ihn aussagen. Aber noch nicht das Entscheidende in sich!
Was aber ist dieses Entscheidende? Wiederum nicht die wie immer zu interpretierende Komposition aus Leib und Seele. Die christliche Theologie hat, wie schon berichtet, dieses biblische Distinktivum vielmehr auf den Begriff der Gottebenbildlichkeit gebracht. Damit bleibt aber noch offen, worin diese in der jüngeren Schöpfungserzählung genannte Qualität besteht, die, auch hier muß ich mich wiederholen, im Textbestand der Schrift eher eine Marginalfeststellung zu sein scheint, verstanden jedoch lediglich vom Begriff selbst. Die damit gemeinte "Sache" ist sehr wohl ganz zentral. Sie ist herauszuarbeiten.
[...]
Es hat nie einen Moment gegeben, in dem nur ein Mensch vorhanden gewesen ist. Das ist in Gen 2 bekanntlich anders geschildert, aber nur scheinbar anders gewertet und gewichtet. Wenn da zuerst der Mann existiert, soll abgehoben werden nicht auf eine Vorrangstellung dieser Ausprägung des Menschseins, sondern auf das Ungenügendsein und die Mangelhaftigkeit eines solchen Singulare tantum. Sie besteht zutiefst darin, daß der einsame Mensch kommunikationslos ist: "Alleinsein" ist nicht gut für eine solche wesenhaft auf Gott bezogene Kreatur. Aus dem Leib des Mannes, also aus dem Edelsten, was es in der Schöpfung zu diesem Zeitpunkt gibt, formt Gott nun dem ischdie ischa, dem Manne die Männin, wie wörtlich zu übersetzen ist. Sogleich tritt der Mann zu ihr in worthafte Beziehung: Der erste Satz des Menschen richtet sich an seine Gefährtin - und er ist die Anerkennung ihrer Gleichwertigkeit und Gleichbürtigkeit: "Das endlich ist Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch" (Gen 2,23 b; vgl. 18-24). Es ist zuhöchst verhängnisvoll gewesen, daß man diese Erzählung, die allenfalls in ihren Bildern patriarchalische Farben (neben anderen) verwendet, völlig patriarchalisch interpretiert hat - man hat auf diese Weise hineingelesen, was nicht drinnen steht - mit verhängnisvollen Resultaten, wie uns endlich bewußt geworden ist nach vielen langen Jahrhunderten ...
[...]
Alles, was über diese die ganze Bibel durchziehende Anthropologie hinausgeht, ist Interpretation, theologische Theoriebildung, Theologumenon: Welches Gewicht dem zukommt, bemißt sich nicht mehr von der Grundlage der Glaubensquellen, sondern von Gewicht und Stimmigkeit der Argumentation. Dazu gehören mithin die Leib-Seele-Theorie, die Theorie vom Menschen als Krone der Schöpfung", die eschatologischen Theorien über das Geschehen beim Tod, über den Zwischenzustand, die Auferstehung und dergleichen. Wohlgemerkt: Es wird nicht behauptet, alle diese Theorien seien nichtig oder unerheblich oder sinnlos. Es soll nur festgestellt werden, daß sie nicht zum verpflichtenden Glaubensgut gehören und das nach christlichem Verständnis auch gar nicht vermögen. Sie stellen keinen Teil der Offenbarung dar.
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Zwei Ansichten stehen sich gegenüber, die in der Dogmatik unter der Vox Generatianismus und Kreatianismus aufgerufen werden. Die erste hält dafür, Leib und Seele eines Fötus würden bei der Zeugung von den Eltern vermittelt, die andere meint, die Eltern zeugten nur den Leib, während die Seele des Embryo actu von Gott erschaffen werde. Die amtliche Kirche begünstigt klar den Kreatianismus, wie oben betont.
In der theologischen Begründung wird dafür ins Feld geführt, daß anders die individuelle Personalität des Menschen, die seine Einmaligkeit ausmacht, nicht entstanden gedacht werden kann. Dieses dem Individuum eigene Formprinzip könne nicht der Macht der zeugenden Eltern anheimgestellt sein. Dahinter steht gleich auch die These, daß allenfalls die Leibwerdung, nicht aber die Hominisation.in globo evolutiv erfolgt ist.
Wie schon vor etwa vierzig Jahren Karl Rahner nachgewiesen hat, impliziert der Kreatianismus, daß Gott nicht mehr als wahrhafter Schöpfer, sondern bestenfalls als Demiurg wirkt, der in Konkurrenz zu den Zweitursachen tritt und damit selber zu einer solchen degeneriert (15). Will man das vermeiden, muß man den Akt der Menschwerdung des Individuums ganz in das Zeugungsgeschehen verlegen. Hier werden die Eltern von Gott als der Erstursache ermächtigt, sich dergestalt fortzupflanzen, daß nicht einfach ein numerisch weiteres Exemplar der gleichen Art entsteht, sondern ein neuer, d.h. einmaliger, individueller, personaler Mensch, der in der beschriebenen Weise Gott gegenübersteht.
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Die Haupt- und Schaubühne der Theologischen Anthropologie, sprich: der LeibSeele-Diskussion war seit dem Ausgang der Antike die Eschatologie. Das kann nicht besonders verwundern. Beim Sterben eines Menschen, das anders als in der Gegenwart ein oft und oft gesehenes Ereignis war, war fast handgreiflich, daß der Mensch aus zwei "Stücken" bestand, deren eines im Tod (wenn auch nur auf begrenzte Zeit) "da" blieb, deren zweites nach allgemeiner Anschauung fortexistierte, da geistiger Natur und infolgedessen unzerstörbar. Genau genommen, starb also nicht der Mensch, sondern des Menschen Leib. Die christliche Lehre verschob zwar, wie gesagt, einige gewichtige Akzente: Die Unsterblichkeit der Seele war nun gnadenhaft gesehen; Gott verlieh ihr diese Qualität; ihre Leiblosigkeit wurde als Mangel und nicht mehr als ersehnte Befreiung verstanden; sie würde erst bei der Vereinigung mit dem Körper am Jüngsten Tag wieder voll und ganz zu sich kommen; die Auferstehung des Leibes ist also ein wesentliches Korrektiv, wobei dieser als identisch mit dem irdischen Leib vorgestellt wird (17). Die christliche Lehre änderte aber am fundamentalen Dualismus dieser Konzeption nicht einen Deut. Die Probleme wurden im ersten Teil angesprochen, die damit entstanden; sie brauchen nicht wiederholt zu werden.
Sie treten gar nicht erst auf, wenn man die Personalität als Wesensaussage der christlichen Anthropologie erkennt, wie das von der Bibel her unabdingbar erscheint. Wer ins Dasein dieser Welt als Geschöpf tritt, ist dieser Mensch; wer aus ihm scheidet aufgrund seiner (wie immer begründeten) Sterblichkeit, kann dann auch nur dieser Mensch sein. Der Tod ist mithin auch Tod dieses Menschen in allen seinen Dimensionen, wenn denn der Mensch sterblich ist. Damit erhebt sich natürlich unmittelbar die Frage nach der Bedeutung des Glaubenssatzes von der "Auferstehung der Toten".
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Wer lebt bei Gott?
In der Leib-Seele-Anthropologie ist die Antwort klar: Unmittelbar nach dem Ableben eines Individuums dessen Seele, ab dem Jüngsten Tag der auferweckte Leib zusammen mit der Seele in der ursprünglichen Einheit (= Mensch). Gibt man sie auf, bedarf man neuer Überlegungen. Der thomanischen Variante der Leib-SeeleTheorie wie der personalen Anthropologie gemeinsam ist die Überzeugung, daß Tod wirklich als Ganz-Tod, als Tod des Menschen als solchen zu verstehen ist. Von seiner puren Geschöpflichkeit her gibt es kein Überlebendes. Wenn der Glaube an einem Leben jenseits der Todeslinie festhält, dann kann der Grund, auch das ist beiden Anschauungen gemeinsam, nur Gottes Handeln selber sein. Aber was ist das Objekt dieses Tuns?
Hier scheiden sich die Geister. Wenn der Mensch aus Leib und Seele besteht, kann man sich (in der thomanischen Konzeption aber kaum überzeugend) einen sukzessiven Eingriff Gottes vorstellen - erst handelt er an der Seele, danach am Leib. Und die Schwierigkeiten bleiben. In der personalen Sicht dagegen ist zu sagen: Wenn Tod Nichtung des ganzen Menschen in seiner bisherigen Existenzform ist, dann ist Auferstehung Gnadentat Gottes am ganzen Menschen. Diese Tat ist nicht, wie dies in der evangelisch-lutherischen Ganztodtheorie vertreten wird, einzig und allein von der Treue des Gedächtnisses Gottes getragen und faktisch dann eine Neuschöpfung des Menschen. In dieser Sicht ist kaum zu sehen, wie noch von der Auferweckung dieses Menschen die Rede sein kann - einen menschlichen Identitätsträger gibt es ja gar nicht. Vielmehr ist in unserer Anschauung die Selbigkeit des Individuums in seiner Personalität begründet, die Selbständigkeit aus dem Gerufensein durch Gott bedeutet. Weil dieser Ruf die Stimme der Liebe Gottes ist - ein anderes Schöpfungsmotiv ist nicht ersichtlich - und weil Liebe ihrer Natur nach Ewigkeit (Treue) will, bedeutet die Konstitution dieser Person immer schon die Berufung zur Ewigkeit, und zwar in jeder Hypothese, auch in der Hypothese der Sterblichkeit des Menschen. Dabei steht auf einem ganz anderen Blatt, das hier nicht herangezogen werden muß, wo man den Grund der Sterblichkeit des Menschen ansetzt, in puren naturalen Konditionen, wie es heute üblich geworden ist, oder in der Sündhaftigkeit der (ersten) Menschen, wie es der klassischen Erbsündenlehre entspricht. Die Konsequenz daraus lautet: Die Auferstehung des Individuums im Sinn der biblischen Anthropologie ist zu denken "im Tod". Das ist übrigens ein der frühen Christenheit geläufiger Gedanke: Schon die Ignatiusbriefe, aber auch spätere Zeugnisse in der Linie der Martyrerakten bekunden, daß wenigstens im Fall des Blutzeugnisses sofort nach der Hinrichtung die leibliche Auferstehung geglaubt wurde (19).
Diese Ansicht konsentiert mit der paulinischen Auferstehungslehre in 1 Kor 15. Der Übergang von der sterblichen in die unsterbliche Existenz wird dort gezeichnet als Vorgang der Verwandlung. Diesem ist eigen, daß er einen Prozeß darstellt, in dem das Gleiche (Identität und Kontinuität) ein Anderes wird (Andersartigkeit und Neuheit). Wenn also ein Individuum zu Tode kommt, dann stirbt es ganz und gar. Im gleichen Moment (der aber nicht zeitlich zu denken ist, da die Kategorie von Raum und Zeit ans Leben in dieser Welt gebunden ist), im logischen Punkt des Todes siegt die Treue Gottes, indem die Kommunikation auf eine neue Ebene erhoben wird, die die Schöpfung dieses Menschenimmer schon konstituiert hat.
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Eröffnung des Mysteriums
Damit beschließen wir die Übersicht, die den Beitrag der christlichen Theologie zur Leib-Seele-Problematik schildern sollte. Man wird es wohl kaum bloß als beschwörende captatio benevolentiae auffassen, wenn ein weiteres, nun aber letztes Mal auf die Bruchstückhaftigkeit des Gesagten hingewiesen wird. Sie hat viele Gründe - äußere wie die Vorgaben von Raum und Zeit, persönliche wie die Grenzen des Referenten, innere wie die Kompliziertheit des Themas, perspektivisch bedingte wie die Beschränkung auf eine einzige Disziplin. Vielleicht kann aber gerade die theologisch-anthropologische Reflexion, die die Fixierung auf die Termini (und gemeinten Realitäten) "Leib" und "Seele" übersteigt, auf etwas hinweisen, das in einem schmerzliche Begrenzung wie auch selige Offenheit ins Unendliche ist und wirkt, und zugleich vermeldet, daß man beides nicht scheuen und umgehen darf, meint man es ernst mit dem Menschen und seinen Problemen. Anthropologie ist im letzten darum ein so hartes Brot, weil sie ins Mysterium Gottes führt, dessen Widerschein der gottebenbildliche Mensch ist. Er bleibt im tiefsten aus diesem Grund Geheimnis - aber ein Geheimnis, das in die Fröhlichkeit und Freude der kommunikativen und dialogischen Liebe Gottes geleitet -schon jetzt und in der Mühsal des Suchens mit Leib und Seele nach der Antwort: Was ist der Mensch? Er ist Gottes! Das ist die letzte Antwort der Theologie, die höchste, die der Mensch erwarten kann.
Man findet darin die Aussagen wieder, die wir im ersten Teil zitiert haben, allerdings nur insofern, als sie als Entstellung der "eigentlichen" christlichen Botschaft verurteilt werden. Der Kernsatz in WBs Geschwafel ist der, mit dem wir die Zitatsammlung begonnen haben:
"In unserem Fall lautet die Argumentation: 'Schon Platon und die Gnostiker vertreten die Unsterblichkeit der Seele, da diese irgendwie göttlich ist. Auch wir Christen vertreten die Unsterblichkeit der Seele, nur meinen wir nicht, daß diese göttlich, sondern gottgeschaffen ist, darüber hinaus glauben wir auch an die Auferstehung des Leibes, denn der Mensch ist eine unzerstörbare Einheit'."
Das Problem der V2-"Theologie" ist ihre rettungslose Lächerlichkeit,
die ihre geeignete Form im "zwar-aber"-Aufbau hat: "Zwar ist zwei und zwei
vier, aber zwei und zwei ist nicht vier". Ein Satz wie "zwei und zwei ist
fünf" wird auch von der V2-"Theologie" abgelehnt, aber nicht deshalb,
weil er als an sich falsch bewertet würde, sondern weil er eine unerträgliche
Fixierung bedeuten würde, denn Wahrheit ist ein "Geschehen" (Walter
Kasper), und wenn eine klare Aussage getroffen wird, dann immer nur
unter dem Vorbehalt, dass der formulierte Satz nur eine subjektive Momentaufnahme
ist und immer "überholt", "überwunden" o.ä. werden kann,
ja muss.
Archetypisch für die V2-"Theologie" ist der Satz von Karl
Rahner, zitiert in "Alma mater", Teil 2: "Selbstverständlich
gelten die Dogmen unserer Kirche, aber [!!] es sind allemal erst die Anfänge,
die es weiter zu entwickeln gilt und das immerzu [!!], so daß man
vielleicht schon in hundert Jahren die alten Glaubensformeln unter den
neuen nicht mehr erkennen wird" (K. Rahner, Bilanz der Theologie, Frankfurt
1970, S. 539; zum Vergleich dazu das entsprechende Dogma: "Wer sagt, es
sei möglich, daß man den von der Kirche vorgelegten Glaubenssätzen
entsprechend dem Fortschritt der Wissenschaft gelegentlich einen anderen
Sinn beilegen müsse als den, den die Kirche verstanden hat und versteht,
der sei ausgeschlossen" (NR 61, cf. DS 3043).
Konkret bei WB lautet die "zwar-aber"-Lehre: "Auch wir Christen vertreten
die Unsterblichkeit der Seele, nur ... der Mensch ist eine unzerstörbare
Einheit".
Der Sinn der V2-"Theologie" besteht also darin, Spott über Vernunft
und Fakten auszugießen bzw. über alle diejenigen, die noch an
Vernunft und Fakten festhalten; sie ist zwar konstruiert bis zum geht-nicht-mehr,
aber nicht konstruktiv, sondern zielgerichtet destruktiv. Besonders gerne
wird spöttische Kritik am "Weltkatechismus"
und an Ratzinger und seiner "Glaubenskongregation"
zelebriert, und auch WB wartet mit diesen altbekannten Stereotypen auf
("Der 'Katechismus' ignoriert alle diese Einsichten der modernen Theologie
- bekanntlich nicht nur in diesem Kapitel" etc.). Der Weltkatechismus hat,
wie von uns nachgewiesen, seine eigene Ungültigkeitserklärung
bereits ins Vorwort festgeschrieben und dann durch die Neuauflage eigens
für diejenigen, die den V2-Schwindel noch immer nicht wahrhaben wollen,
dick und fett unterstrichen. Ratzinger ist offensichtlich ganz zufrieden
mit seiner Rolle als Pausenclown; mit diabolischer Raffinesse schwingt
er ab und an ein paar "konservative" Parolen, um dadurch die breite Revolution
gegen das "zentralistische Rom" weiter vorwärts zu treiben.
Mit den Dogmen, in denen immer wieder von der Seele die Rede ist (der
"traditionellen Seelenlehre"), darf man WB nicht kommen, weil Dogmen lt.
WB, wenn auch entgegen dem Dogma, rein zeitbedingt, ja sogar z.B. durch
antike Philosophie quasi "vergiftet" sind. Während Dogmen per definitionem
gerade nicht zeitbedingt sind, ist lt. WB die Zeitbedingtheit das einzig
Konstante an den Dogmen. Die wahre Aufgabe der Theologie besteht also darin,
die Dogmen von ihren Makeln, d.h. von ihrem Inhalt, zu befreien, und dies
kann nur dadurch geschehen, indem man sie schlichtweg leugnet:
"Der Mensch wird, bedeutet dies, von Gott mit Leib und Seele, also als ganzer Mensch von den Toten auferweckt und lebt in der jenseitigen Seinsform in verwandelter Identität weiter. Es ist vor allem diese letzte These, vom Freiburger Systematiker Gisbert Greshake eloquent vorgebracht, die heftige Kritik erregt. Die Kritik erlangt dann auch dogmatische Relevanz, als zunächst Joseph Ratzinger als Privattheologe, dann die Glaubenskongregation auf der Realität eines Zwischenzustands besteht, also nochmals Platon zu Ehren verhilft (15). Allerdings geht es beiden nicht eigentlich um den alten Philosophen als vielmehr um den Schutz der "kleinen Leute", die durch die modernen Ansichten schwer und glaubensgefährdend verunsichert würden. Das ist aber eher ein pastoraltheologisches als ein systematisches Problem. Die meisten Theologen lassen sich infolgedessen von den Insistenzen auf der traditionellen Seelenlehre auch wenig beeindrucken."
Die Dogmen sind also etwas - um es platt auszudrücken - für Doofe, also für diejenigen, denen Intellekt und Mut fehlen, um die Dogmen abzulehnen. Wir hingegen sind der Meinung: Es ist kein Zeichen mangelnden Intellekts und Mutes, die Dogmen zu bekennen; es ist aber Zeichen mangelnden Intellekts und Mutes, die Augen davor zu verschließen, dass die V2-Sekte eine Chaoten-Truppe ist, in der jede noch so abstruse Meinung zugelassen wird, während die Wahrheit mit Brachialgewalt bekämpft wird. Wir halten es demnach nicht für erlaubt, sich z.B. wie Thomas Floren in Illusionen zu flüchten und sich an "konservativen" Sprüchen aus Neu-Rom festzubeißen, während doch diese Sprüche unbezweifelbar nur dazu dienen, die antichristliche Revolution weiter vorwärts zu treiben. Man mag noch so sehr gegen uns schnauben, im Endeffekt ist nicht zu bestreiten, dass notorische Apostaten als römisch-katholische Theologen ausgegeben und unsere Texte - ohne auch nur eine einzige Begründung - als "in der Regel unzutreffend, teilweise schmähend" abqualifiziert werden. Und die "kleinen Leute" mischen bei diesem Freudenfest Satans eifrigst mit: So "begründet" Sven Stemmildt seine Beleidigungen gegen uns damit, dass er uns für verrückt erklärt, also nur damit, dass er Beleidigung an Beleidigung reiht. Die letzte Instanz ist für die "kleinen Leute" auch nicht das Dogma, sondern die "Justiz" als übergöttliche Instanz, s. im SS-Zusammenhang die Bemerkung von "jakob" über uns: "Wenn jemand ihn wirklich ausschalten wollte, würde er es schaffen, und zwar juristisch, aber bisher nimmt ihn ja niemand ernst. Oder ?" Dogmatisch haben die V2-Sektierer keine Chance, also muss die "Justiz" her - die hat sich ja bereits vor 2000 Jahren erfolgreich mit Jesus Christus beschäftigt.
Mit Recht weist WB darauf hin, dass gemäß der V2-Texte die immerwährende Wandlung des Glaubensinhaltes und die permanente Revolution gegen das kirchliche Lehramt "unvermeidlich" sind; diese ewige Ungewissheit wird den Treudoofen als "lebendiger Glaube" verkauft:
"Jeder Glaubende, jede geistliche Erfahrung zählt zu den Impulsgebern neuer Durchdringung des Evangeliums. Daß solche Impulse des Neuen anstößig sein können nicht bloß im Sinne der Aufforderung zum Weiterschreiten, sondern auch im Sinne des Ärgernisses (scandalum), liegt nahe, um nicht zu sagen: ist unvermeidlich."
WB interpretiert lügnerisch einen - "fundamentalen" - "Dualismus", eine Gegensätzlichkeit, in die katholische Lehre von Leib und Seele hinein, verurteilt diese von ihm erfundene Geschichte kurzerhand als "Platonismus", und auch das auf Lügen basierende Gehacke gegen das Zölibat darf dabei nicht fehlen, weil die V2-Religion eben nur eine Spaßreligion ist, in der der Opfergedanke (WB nennt konkret das Mönchtum) als irrig und verachtenswert gebrandmarkt wird (deswegen z.B. auch die Abschaffung der Fastenzeit), und ebenfalls lügnerisch ignoriert WB die biblische Seelenlehre. Und um seinem Rundumschlag gegen Vernunft und Fakten noch einen frommen Nachgeschmack zu verpassen, flüchtet er sich abschließend in hohle Phrasendrescherei:
"Was ist der Mensch? Er ist Gottes! Das ist die letzte Antwort der Theologie, die höchste, die der Mensch erwarten kann."
Gesagt ist damit eigentlich nichts Spezifisches über den Menschen, denn die gesamte Schöpfung gehört Gott, s. Psalm 24(23): "Des Herren ist die Erde und was sie erfüllt; Sein ist die Welt und was all darauf wohnt." WBs Abschlusssatz klingt aber etwas fromm und beruhigt damit die Treudoofen, die wegen der sonstigen Ausführungen WBs vielleicht den satanistischen Charakter der V2-Sekte durchschauen würden.
Alles in allem bietet WB also nur einen jämmerlichen Aufguss altbekannter
Häresien. Originell ist dabei rein gar nichts, da sowohl die Irrlehren
schon lange widerlegt als auch die Verrenkungen, mit denen WB seine Apostasie
zu verschleiern sucht, schon lange bekannt sind. Was die V2-Sektierer bei
ihrem ganzen ermüdenden Herumstochern in alten Wassern noch wach hält,
ist die diabolische Freude an der Lüge und an der Aussicht, viele
Menschen mit diesen Irrlehren in die Hölle zu führen. Ansonsten
ist WBs Vortrag definitiv nicht erfrischender als eine Überdosis Morphium.
Das beste Bild, um eine Leistung wie die von WB zu beschreiben, ist
vielleicht dasjenige, das wir in Bezug auf Gunnar
Anger gewählt haben: Sie liegt unter der intellektuellen Leistung
von Papageien. Wer sich mit solchen intellektuellen Leistungen zufrieden
gibt, ist nicht immer automatisch absolut frei von Schuld.