Bundesverfassungsgericht auf dem Prüfstand

- Einblicke in das deutsche "Rechtssystem" -
(Kirche zum Mitreden, 21.05.2001)
Bundesverfassungsgericht der BRD bei G.
bvr Bundesverfassungsgericht abkürzung bei G.
di fabio bvg bei G.
Nicht immer, wenn wir über das Bundesverfassungsgericht berichtet haben (z.B. in Gotteslästerung in Staat und V2-Sekte), gab es Anlass, Lobeshymnen auf die dortigen Richter zu singen. Es war also nötig, eine Untersuchung über die Berechtigung unserer Kritik durchzuführen, was wir nun erfolgreich abgeschlossen haben. Als Ergebnis ist festzuhalten, dass all unsere Kritikpunkte in vollem Umfang berechtigt sind. Bestätigt wurde dies schließlich auch von der Staatsanwaltschaft Karlsruhe. Hier der Briefwechsel:

Der Einfachheit halber zitieren wir hier noch einmal unser Schreiben v. 26.01.2001 an die Staatsanwaltschaft Karlsruhe, Akademiestr. 6, 76133 Karlsruhe (s. Beleidigungsfreiheit für kath.de):


Hiermit erstatte ich Strafanzeige
gegen die Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts
- Präsidentin Limbach, Sommer, Jentsch, Hassemer, Broß, Osterloh, Di Fabio -
wegen Betrugs
im Zusammenhang mit der Verfassungsbeschwerde der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas in Deutschland e. V. (BVerfG, 2 BvR 1500/97 vom 19.12.2000)

Begründung:
In dem o.g. Urteil wiederholen die Beklagten die Lüge, in Deutschland würde "die ungestörte Religionsausübung gewährleistet" (Art. 4GG Abs. 2), s. z.B. BVerfG, 2 BvR 1500/97 vom 19.12.2000, B. I.: "Als eine Vereinigung, die sich die Pflege und Förderung eines religiösen Bekenntnisses und die Verkündung des Glaubens ihrer Mitglieder zum Zweck gesetzt hat, ist die Beschwerdeführerin Trägerin des Grundrechts der Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG." Bekanntermaßen ist diese Behauptung der "ungestörten Religionsausübung" aufgrund der vom deutschen Staat propagierten Zwangshäresie eine bloße Fiktion. Die Richter führen also wissentlich und willentlich die Bürger in die Irre.
Das Verhalten der Beklagten ist als äußerst schwerwiegender Betrug zu werten, der mit aller erforderlichen Härte bestraft werden muss. Mit ihrer Rebellion gegen das Sittengesetz sind die Beklagten u.a. mit Verweis auf Art 2GG Abs. 1 zur Verantworung zu ziehen: "Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt."

Anlagen:
Kaiser und Gott
Urteilsfindung beim BVG


Die Antwort der Staatsanwaltschaft Karlsruhe, Postfach 100211, 76232 Karlsruhe, Telefon(Durchwahl) 0721/926 6129, Telefax (Durchwahl) 9265005, Aktenzeichen: 22 Js 4089/01, 06.02.2001 / Klos:


Strafanzeige vom 26.01.2001
gegen Richterin am BVG Osterloh
Richter am BVerfG Di Fabio
Präsidentin des BVG Limbach
Richter am BVerfG Sommer
Richter am BVerfg Hassemer
Richter am BVG Broß
Richter am BVerfG Jentsch
wegen angebliche Straftat
Sehr geehrter Herr L.,
Ihrer Strafanzeige habe ich mit Verfügung vom 29.01.2001 gemäß
§ 152 Abs. 2 Strafprozeßordnung keine Folge gegeben.
Gründe:
Es gibt keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür, daß die Entscheidung des BVerfG im Verfahren 2 BvR 1500/97 in strafrechtlich relevanter Weise zustandegekommen ist.
 

Hochachtungsvoll
gez. Dietz
Staatsanwältin
Diese Mitteilung  wurde elektronisch  erstellt und enthält deshalb keine Unterschrift, wofür um Verständnis gebeten wird.

B e s c h w e r d e b e l e h r u n g
Gegen diesen  Bescheid können  Sie binnen  2 Wochen nach Zugang Beschwerde bei der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe erheben. Die Beschwerde kann innerhalb dieser Frist auch bei der Staatsanwaltschaft Karlsruhe eingelegt werden.

Während wir sonst nicht so viel Wert darauf legen, das Schriftbild von Briefen wiederzugeben, halten wir es bei dem Dietz-Schreiben für angemessen. Bereits die Textausrichtung fällt aus dem Rahmen: Einmal links, einmal rechts, außerdem auch noch zentriert. Dietz hat es in eminenter Weise verdient, dass nicht nur der Inhalt, sondern auch die Form ihres Briefes den KzM-Lesern mitgeteilt wird. Wir haben sogar einen Teil des Briefes gescannt (Bild 43 kb); das Bild wird vielleicht auch diejenigen interessieren, die nur sehr extensiv KzM lesen.
Beim Aufzählen der Namen verwendet Dietz 3 x "BVerfG", 3 x "BVG" und 1 x "BVerfg". Um mit diesem Chaos aufzuräumen: Die einzig richtige Abkürzung ist "BVerfG", damit hat Dietz einleitend 4 x eine falsche und nur 3 x die richtige Abkürzung verwendet. Die Abkürzung BVG verwenden wir zugegebenermaßen bei KzM, aber damit hat sie noch keinen offiziellen Rang. Wir kürzen ganz nach Lust und Laune ab, was wir abkürzen wollen und wie wir abkürzen wollen; diese Angewohnheit hatte uns Hansjürgen Verweyen sogar einmal vorgeworfen. Es kann sein, dass bestimmte Abkürzungen in mehreren Texten vorkommen, z.B. V2 (Vatikanum 2), KzM (Kirche zum Mitreden), PRHL (unser Name). Es kann aber auch sein, dass nur für einen Text eine Abkürzung gewählt wird. Die Abkürzung BVG ist nun tatsächlich eine öffentlich gebräuchliche und sehr wahrscheinlich auch rechtlich geschützte Abkürzung (vergleichbar etwa mit Fernsehsender wie ARD und ZDF), allerdings nicht für "Bundesverfassungsgericht", sondern für "Berliner Verkehrsbetriebe". Wir halten uns zwar nicht sklavisch an offizielle Abkürzungen (z.B. schreiben wir EGH statt - offiziell - EuGHMR), allerdings lässt sich aus unserer Verwendung von Abkürzungen kein Recht ableiten, diesen Abkürzungen offiziellen Rang zuzuerkennen.
Es ist schon hochgradig peinlich, wenn die Staatsanwaltschaft nicht weiß, wie man "Bundesverfassungsgericht" abkürzt; dass hier auch noch verschiedene Abkürzungen bunt durcheinandergemischt werden, wirkt ebenfalls wenig vertrauenserweckend. Auf den Tatvorwurf der bewussten Irreführung entgegen den Bestimmungen §2 GG wird gar nicht mehr eingegangen, statt dessen heißt es nur noch "wegen angebliche Straftat", was wir mal großzügig als bloßen Druckfehler werten wollen.
Bzgl. der "Gründe" ein Zitat aus Beleidigungsfreiheit für kath.de: "Man kennt es schon von vielen anderen Justizschreiben, die bei KzM veröffentlicht wurden: Nicht überall, wo "Gründe" drüber steht, stehen auch Gründe drin [...] "Gründe" (statt "Grund" oder "Begründung") signalisiert, dass mehr als ein Grund angegeben wird." Statt auch nur einen Grund zu nennen, verabschiedet sich Dietz in die Irrealität und verkündet apodiktisch, dass unsere tatsächlichen Anhaltspunkte gar nicht existieren.
Wir haben überlegt, wie ein solches Schreiben überhaupt nur möglich sein konnte. Nachdem wir diesbezüglich mehrere Hypothesen aufgestellt hatten, die allesamt wenig schmeichelhaft für Dietz sind und für die wir v.a. keine hinreichende Beweise eruieren konnten, haben wir aufgegeben, nach den Ursachen für dieses unqualifizierte Schreiben zu fragen. Man muss den Brief nun einmal nehmen, wie der Brief nun einmal ist. Dennoch wollten wir der Staatsanwaltschaft eine zweite Chance einräumen und schrieben am 08.02.2001 wiederum an die Staatsanwaltschaft Karlsruhe, Postfach 100211, 76232 Karlsruhe:


Aktenzeichen 22 Js 4089/91
Ihr Bescheid vom 06.02.2001

In der Strafanzeige
gegen die Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts
- Präsidentin Limbach, Sommer, Jentsch, Hassemer, Broß, Osterloh, Di Fabio -
wegen Betrugs
im Zusammenhang mit der Verfassungsbeschwerde der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas in Deutschland e. V. (BVerfG, 2 BvR 1500/97 vom 19.12.2000)

lege ich hiermit Beschwerde gegen den o.g. Bescheid vom 06.02.2001 ein.

Ich räume Ihnen hiermit eine Frist bis zum
15. März 2001
ein, mir eine schriftliche Erklärung zukommen zu lassen, entweder
a) dass die Angeklagten verurteilt worden sind oder
b) dass meine Anklage unberechtigt ist.
Sollte Sie diese Frist ungenutzt verstreichen lassen, wird dies als Einverständniserklärung Ihrerseits gewertet, dass ich das angemessene Urteil auf meiner Homepage KzM veröffentliche.
Über eine Fristverlängerung wird nur in dem Fall überhaupt entschieden, dass Sie mir bis zum 15. März 2001 ein schriftliches Zwischenergebnis Ihrer Bemühungen vorlegen, das eine Fristverlängerung nach meinem Urteil sinnvoll erscheinen lässt.

Rechtsbelehrung:
"Wer z.B. sich zur Ansicht bekennt, [...] die Kirche sei dem Staate unterworfen, der ist ein Häretiker" (H. Jone, Katholische Moraltheologie, Paderborn (7)1936, 93).
"Die Obrigkeit hat die Pflicht, in erster Linie für das allgemeine Wohl zu sorgen. Sie muß deshalb nach Kräften alle Übel vom Staate fernhalten und sein Wohl fördern, Religion und Sittlichkeit beschützen, für gerechte Verteilung der Rechte und Pflichten sorgen, die Gesetze ohne persönliche Rücksichten durchführen, die öffentlichen Ämter nur geeigneten Personen geben und ungeeignete aus denselben entfernen" (a.a.O., 164).

Anlage:
Ausdruck meines Homepage-Textes sodom04.htm



Am 20.02.2001 schrieb uns dann die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe, Hoffstraße 10, 76133 Karlsruhe, Durchwahl (0721)926- 2086, Aktenzeichen ZS 246/01:

Anzeigesache - 22 Js 4089/01 -
der Staatsanwaltschaft Karlsruhe
gegen Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts Prof. Dr. Limbach u.a.
Ihr Schreiben an die Staatsanwaltschaft Karlsruhe vom 08.02.2001
Sehr geehrter Herr L., auf Ihr vorgenanntes Schreiben wurden die Akten der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe vorgelegt. Ihrer Beschwerde gegen die Entschließung der Staatsanwaltschaft Karlsruhe vom 29.01.2001, mit welcher von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abgesehen wurde, gebe ich keine Folge.
1. Ihre Beschwerde ist unzulässig. Sie sind nicht Verletzter im Sinne von § 172 Abs. 1 StPO und damit nicht beschwerdebefugt. Es ist nicht ersichtlich, dass Sie durch die behauptete Straftat im Zusammenhang mit dem Verfassungsbeschwerdeverfahren - 2 BvR 1500/97-, ihre tatsächliche Begehung unterstellt, unmittelbar in einem Rechtsgut verletzt wären.
2. Auch eine Überprüfung der genannten Entschließung im Wege der Dienstaufsicht ergab keinen Grund zu Beanstandungen. Um Wiederholungen zu vermeiden, nehme ich Bezug auf die zutreffenden Gründe der Entschließung, die durch Ihr Beschwerdevorbringen nicht entkräftet werden.

Rechtsmittelbelehrung:
Gegen Nr. 1 dieses Bescheids steht Ihnen, soweit Sie den Vorwurf einer konkreten von Amts wegen zu verfolgenden Straftat zu Ihrem Nachteil erheben, binnen eines Monats nach der Bekanntmachung der Antrag auf gerichtliche Entscheidung über die Anklage-erhebung zu. Der Antrag muss die Tatsachen, welche die Erhebung der öffentlichen Klage begründen sollen, sowie die Beweismittel angeben und von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Der Antrag ist beim Oberlandesgericht Karlsruhe, Hoffstraße 10, 76133 Karlsruhe, einzureichen und muss bei diesem innerhalb der obengenannten Frist eingegangen sein. Hochachtungsvoll
Dr. Schäfer



Peinlich, peinlich, was sich die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe da geleistet hat. Wieder nichts, was einen argumentativen Wert besitzt, statt dessen wieder Flucht in die Irrealität. Was die "Beschwerdebefugnis" betrifft, so ignoriert Schäfer sträflich die Tatsache, dass wir permanent durch den Staat terrorisiert werden, eben weil wir uns der Religionsdiktatur nicht unterwerfen wollen. S. auch unsere Anzeige gegen Margret Chatwin:
"Mit seiner Behauptung, wir seien "nicht persönlich betroffen", wenn der Katholizismus durch den Schmutz gezogen wird, kann Stern keinen Erfolg haben. Mit einem ähnlichem Versuch ist bereits der Berliner Staatsanwalt Heitmann kläglich gescheitert, als er behauptete, wir seien bzgl. der verleumderischen Geschichtsfälschung, die Paul Spiegel sich herausgenommen hat, nicht "antragsberechtigt". Also: Als römisch-katholischer Priester sind wir durch alles direkt betroffen, was die Belange der Kirche betrifft. Es gehört unverzichtbar zu unserer Aufgabe, für die Rechte der Kirche einzutreten, und unser Ansehen ist unlösbar mit dem Gesamtansehen der Kirche verknüpft, daher z.B. auch unsere Anzeige gegen Karl Lehmann. Wir sprechen daher auch immer direkt im Interesse der Katholiken und indirekt im Interesse derer, die noch nicht der katholischen Kirche angehören, weil alle Menschen der katholischen ("allgemeinen") Kirche angehören müssen und ein Recht darauf haben, dass wir unsere Pflicht der Mission erfüllen - eine Grundwahrheit, die von der V2-Sekte eifrigst geleugnet wird. Also hilft auch der Hinweis auf § 170 Abs. 2 StPO nichts."
Unser Rechtsgut der Freiheit wird also durch den Staat permanent verletzt bzw. wird uns vollständig vorenthalten, und das monierte Zeugen-Jehovas-Urteil ist ein Mosaikstein in diesem Terrorsystem. Deshalb ist eine Bestrafung der Richter auch in Bezug auf dieses Urteil unumgänglich.
Dass Schäfer dem Dietz-Schreiben "zutreffende Gründe" andichtet, ist nur noch lächerlich.

Somit bleibt die Berechtigung unserer Anklage der Verfassungsrichter unangefochten.

Verweilen wir noch kurz bei dem Phänomen des "Verfassungsrichters". In der V2-Zeitschrift "Konradsblatt" gab im März 2001 einen Artikel: "Ist das Gewissen auf dem Rückzug?. Wie es um die letzte Instanz persönlicher Verantwortung bestellt ist." Leider fehlt in dem Artikel das genaue Veröffentlichungsdatum resp. die Ausgabenummer, weshalb wir die Quelle nicht genauer angeben. Wir haben das Konradsblatt auf diese Nachlässigkeit hingewiesen, und von dort wurde uns versichtert, dass in Zukunft dagegen Abhilfe geschaffen würde, wenngleich wir davon bislang noch nichts feststellen konnten. Wie auch immer: Der Text wird eingeleitet mit der Bemerkung:
"Das 9. Allmannsdorfer Gespräch befasst sich mit der Frage nach dem Gewissen. Thema der diesjährigen Veranstaltung: „Das ruinierte Gewissen.“ Wie ist es hierzulande um das Gewissen bestellt? In Ost- und Westdeutschland scheint dieses Wort bereits zum Fremdwort geworden zu sein. Nach persönlichen Erfahrungen im Umgang mit dem Gewissen befragte das konradsblatt eine Auswahl an Vertretern aus Kirche und Gesellschaft."

Was folgt, sind bloße Zitate, die unkommentiert und wohl auch unzensiert wiedergegeben werden, m.a.W. es herrscht wie üblich Chaos total. Man könnte jetzt im einzelnen untersuchen, was etwa "Elke Martin-Ehret, Vorsitzende der Diözesangruppe Freiburg des Bundes katholischer Unternehmer" ("Das Gewissen ist für mich der Sitz der persönlichsten Moral") zu bieten hat, aber aufgrund unseres Themas betrachten wir nur einen der insgesamt acht Gedankenergüsse, u.z. den von Ernst-Wolfgang Böckenförde, Richter am Bundesverfassungsgericht a. D.


"Recht und Gewissen
Das Gewissen ist eine kostbare Gabe. Irgendwie ist es uns eingeschaffen, als eine Art moralischer Gerichtshof, wie Kant gesagt hat. Manche Theologen sprechen von der Stimme Gottes in uns. Aber das Gewissen bedarf auch der Bildung und Information, damit es wirklich sprechen und seine Urteile fällen kann; es ist nicht einfach ein Automat. Das Gewissen spricht auch nicht jeden Tag; verrichte ich meine tägliche Arbeit, treffe ich nicht laufend Gewissensentscheidungen. Das Gewissen meldet sich im besonderen Fall, zumeist, wenn es um einen Konflikt geht.
Als ich Verfassungsrichter war, meldete sich das Gewissen zuweilen, wenn ich schwierige Fälle zu entscheiden hatte. Es meldete sich im Hinblick darauf, dass diese Fälle allein nach 'Gesetz und Recht', das hieß hier nach der Verfassung, zu behandeln seien, nicht nach eigenen persönlichen Auffassungen und Überzeugungen. Besonders aktuell wurde das 1992 beim Verfahren über das vom Bundestag beschlossene Gesetz zum Schwangerschaftsabbruch, das beim Verfassungsgericht zur Prüfung gestellt war.
Als Katholik habe ich zur Abtreibung eine deutliche Position, die sich nahezu ganz mit der Lehre der Kirche deckt. Aber das Gewissen mahnte mich nun nicht, diese Auffassung in der Beratung im Senat mit allen Kräften durchzusetzen, sondern gerade unabhängig von dieser Auffassung danach zu fragen und für das einzutreten, was das Grundgesetz in seinen verschiedenen Gewährleistungen zu diesem Problem selbst sagt oder sich aus ihm entnehmen lässt, auch wenn dies hinter meiner katholischen Überzeugung zurückbleibt, ihr womöglich sogar widerspricht. Warum wohl hat das Gewissen sich so und nicht anders gemeldet? Ich hatte, als ich das Richteramt übernahm, geschworen, als gerechter Richter das Grundgesetz und die Gesetze zu wahren und Gerechtigkeit gegen jedermann zu üben. Dies und dies allein war in diesem Amt meine Aufgabe und Pflicht, nicht die Vertretung katholischer Belange. Und ich hatte diesen Eid mit der religiösen Beteuerung 'so wahr mir Gott helfe' geleistet.
So mahnte mich das Gewissen, diese Pflicht voll und ganz zu erfüllen und davon nicht etwa zugunsten meiner persönlichen, im Glauben gegründeten Überzeugung abzuweichen. Für diese Überzeugung kann und soll man im politischen Raum kämpfen, damit sie durch die Gesetzgebung in das Recht eingeht, aber als Richter darf man sie nicht einfach der Verfassung unterlegen, wenn sie darin nicht enthalten ist.
Ernst-Wolfgang Böckenförde, Richter am Bundesverfassungsgericht a. D."

Wer hat nur den Böckenförde zum Richter gemacht? Nun, einer der Amtsvorgänger von Bundespräsident Johannes Rau. Bevor wir unsere Würdigung von EWB verfassen, dürfen wir einen Blick auf den Rau-Text werfen, in dem wir aus A. Göpfert, K. Staab, Moraltheologie, Erster Band, Paderborn (9)1923, zitiert haben. Man möge uns die Überschneidung der Zitate verzeihen:


"Das Naturgesetz hat von Gott seine verpflichtende Kraft, unabhängig von dem geschriebenen oder geoffenbarten göttlichen Gesetz. Der erste Teil unseres Satzes richtet sich gegen die von Kant, Fichte u. a. proklamierte "Autonomie" der Vernunft (kategorischer Imperativ, unabhängige Moral). [...] Der zweite Teil unseres Satzes, daß das natürliche Sittengesetz zwar von Gott, aber nicht aus der positiven Offenbarung seine verpflichtende Kraft habe, bekämpft den Traditionalismus, der alle Verpflichtung dieser Gebote nur aus der positiven Offenbarung herleiten will" (A. Göpfert, K. Staab, Moraltheologie, Erster Band, Paderborn (9)1923, 15f).
"Es gibt keine Majestät des Gesetzes vor der göttlichen im Naturgesetze sich offenbarenden Majestät. Dies muß die katholische Moral festhalten gegenüber den Behauptungen der historischen Rechtsauffassung, der menschliche Gesetzgeber solle zwar seine Prinzipien und Ideen aus Gottes Weltordnung schöpfen, kein ungerechtes, gottwidriges Gesetz machen oder bestehen lassen; aber wenn er es doch tue, so habe sein Gesetz Rechtskraft und verpflichte den einzelnen ebenso wie ein gerechtes Gesetz." (a.a.O., 21f).

Es ist erkenntlich, dass die Lebensmaxime von EWB das Antichristentum ist. Kant wurde bereits in Staat und Legalität erwähnt: "Kant u.a. für seinen 'Kategorischen Imperativ', der da lautet: 'Handle so, daß die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könnte.' Mit anderen Worten: Mach, was du willst, erlaubt ist, was gefällt. Haargenau das ist die Forderung des 'Kategorischen Imperativs': Die reinste Willkür ist das vollkommene Moralprinzip. Hitler und Stalin sind vom Standpunkt des K.I. die perfekt tugendhaften Gestalten: Die Maxime ihres Willens konnte erwiesenermaßen als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten."
Trotzdem bringt EWB es fertig, sich auf Kant zu berufen. Und dann kommt es tatsächlich knüppeldick: EWB unterschlägt, dass die Verfassung a) die Verantwortung vor Gott (Präambel), b) die Würde des Menschen (§ 1) und c) das Sittengesetz (§ 2) - angeblich - als Richtschnur hat. Das spielt aber für EWB - und überhaupt für das Bundesverfassungsgericht - keine Rolle. Entscheidungen sollen "allein nach 'Gesetz und Recht', das hieß hier nach der Verfassung" gefällt werden. EWB rebelliert vehement gegen den richtigen Gesetzesbegriff und huldigt dem Rechtspositivismus. Gegen diese hartnäckige Sturheit EWBs scheinen wir chancenlos. Die Zurückweisung von "eigenen persönlichen Auffassungen und Überzeugungen" setzt EWB direkt in Zusammenhang mit seiner "deutlichen Position, die sich nahezu ganz mit der Lehre der Kirche deckt". Wo die Differenzen zur "Lehre der Kirche" bestehen, erläutert EWB nicht, hier ist also unbegrenzt Platz für Spekulationen. Jedenfalls ist diese "deutliche Position" nichts weiter als eine "Auffassung", eine "Überzeugung", die dem Nonplusultra "Grundgesetz" (bzw. dem, was die Verfassungsrichter dareininterpretieren) unterzuordnen ist.
Damit ist das Bild vom "gerechten Richter" in der Ideologie des Nazitums und auch des Übernazitums im Prinzip deckungsgleich. Ungerechtigkeit wird zur Gerechtigkeit erklärt und umgekehrt - das ist eindeutig das Werk des Teufels. Spontan erinnerte uns EWBs Gewissensverfälschung an den berühmten Prozess gegen Karl Adolf Eichmann. Eichmann, geb. 1906, wurde 1962 von Juden in Israel zum Tode verurteilt und hingerichtet. Während des Nazi-Terrors war Eichmann verantwortlich für die Judentransporte in die Konzentrationslager. Nach dem Zusammenbruch der Hitler-Diktatur konnte er sich nach Argentinien fliehen, würde aber 1960 vom israelischen Geheimdienst dort aufgespürt und nach Israel entführt. Der dort stattfindende Prozess wurde gefilmt, das Filmmaterial wurde dann zusammengeschnipselt zu einem "Dokumentarfilm", aus dem wir einige Ausschnitte gesehen haben. Eichmann sagte u.a., dass er a) nur Befehle ausgeführt habe, insofern also frei sei von persönlicher Schuld, und dass b) der so gen. "Holocaust" "das größte Verbrechen aller Zeiten" gewesen sei.
Mittlerweile wird endlich auch von jüdischer Seite zugegeben, dass es völlig absurd ist, den Holocaust als "größtes Verbrechen aller Zeiten" zu werten. (N. v. 15.02.2001: Norman Finkelstein und die Holocaust-Industrie), wenngleich diese so offensichtliche Wahrheit von gewissen Kreisen gerne entstellt wird. Wie kann man sich ernsthaft auf Eichmann berufen, um den Holocaust entgegen jeder Logik zum "größten Verbrechen aller Zeiten" zu deklarieren?
Man darf dieses "Bekenntnis" Eichmanns nicht getrennt von seiner Beteuerung der Unschuld sehen. Wieso sollte man Eichmanns Aussage b) als Wahrheit, Aussage a) hingegen als Unwahrheit werten? Bleibt man realistisch, fällt auf, dass beide Aussagen objektiv unwahr sind dass sich Eichmann aus beiden Aussagen einen Vorteil ausrechnen konnte; bzgl. a) ist das selbstverständlich, bzgl. b) könnte er bezweckt haben, seine Richter durch die Vortäuschung einer Art von Reue milde zu stimmen. Wir halten es zwar für unmöglich, dass Eichmann an die Richtigkeit von b) geglaubt hat, allerdings nicht für unmöglich, dass er an die Richtigkeit von a) geglaubt hat. In einem seiner Texte, die er während seines Exils in Argentinien geschrieben hat, hat Eichmann - wenn man unserer englischen Quelle glauben darf - sich gesehen oder wenigstens dargestellt als "Befehlsempfänger, dessen Pflicht es war, seinem Eid gegenüber loyal zu sein und die erhaltenen Befehle und Instruktionen auszuführen", "nur ein treues, anständiges, korrektes, gewissenhaftes und enthusiastisches Mitglied der SS und des Reichssicherheitsdienstes, inspiriert einzig durch idealistische Gefühle gegenüber meinem Vaterland, dem anzugehören ich die Ehre habe."

Schließlich halten wir es auch nicht für unmöglich, dass sich die Bonner Landrichter für unschuldig halten, obwohl sie objektiv betrachtet größenwahnsinnige Schwerverbrecher sind. Und damit kommen wir wieder bei EWB:
"So mahnte mich das Gewissen, diese Pflicht voll und ganz zu erfüllen und davon nicht etwa zugunsten meiner persönlichen, im Glauben gegründeten Überzeugung abzuweichen." Eichmann erfüllte "seine Pflicht", er hatte "dem Führer" Treue geschworen, und diesem Schwur ist - nach EWB - absolut alles restlos unterzuordnen. An die Stelle Gottes ist der Staat als letzte und höchste Instanz getreten: die Entmachtung des Allmächtigen. Wir sehen keinen Grund, unsere Ablehnung des kategorischen Imperativs zurückzunehmen, und keine Möglichkeit, EWB oder einen anderen antichristlichen Richter vor einer Verurteilung in Schutz zu nehmen. Der EWB-Fall beweist zwar einmal mehr, dass das Übernazitum radikaler und gewissermaßen "erfolgreicher" ist als das Nazitum, er beweist aber nicht, dass sich das Übernazitum in seinen elementaren Prinzipien vom Nazitum unterscheidet.

Der Vollständigkeit halber noch einige Klarstellungen zum Schwur:


Zur Erlaubtheit eines Schwurs ist u.a. nötig, "daß die Aussage sittlich erlaubt ist. Sündhafte Mitteilungen (Ehrabschneidungen, Großtun mit Sünden) beschwören, ist eine läßliche Sünde, auch wenn die Aussage wahr ist. — Etwas Böses eidlich versprechen, ist eine schwere Sünde, wenigstens wenn die versprochene Sache schwer sündhaft ist" (H. Jone, Katholische Moraltheologie, Paderborn (7)1935, 150).
"Der Treueid oder Verfassungseid, wie er von Beamten usw. verlangt wird, besagt, daß man den staatlichen Gesetzen unterworfen sein, das Amt nach den Vorschriften der Gesetze führen und nichts Verbotenes gegen die rechtmäßige Obrigkeit unternehmen wolle, nicht aber, daß man sich zur Beobachtung aller Staatsgesetze durch einen Eid verpflichten wolle. Enthalten die Staatsgesetze einige Bestimmungen gegen göttliches und kirchliches Recht, so darf man den Eid nur leisten mit der Einschränkung: unbeschadet der göttlichen und kirchlichen Gesetze. Diese Klausel aber muß gewöhnlich (weil schon hinreichend bekannt) nicht ausdrücklich hinzugefügt werden, außer es wäre notwendig zur Vermeidung von Ärgernis" (a.a.O. 151).

Das war´s dann wohl. Ergänzend zu den zahlreichen KzM-Texten über das Verhältnis von Kirche und Staat hier abschließend einige Ausschnitte aus dem Standardwerk von A. Gisler, Der Modernismus, Einsiedeln (2)1912, 190 - 207. Soviel wir uns auch mit dieser Materie beschäftigt haben, wir haben nie etwas finden können, was den Staat und die V2-Sekte entlasten könnte. Deshalb bleibt unsere Treue zu Rom selbst dann bestehen, wenn uns der Staat zwingt, einen Scheinpapst anzuerkennen - was, wie die deutsche Geschichte beweist, heute nicht zum erstenmal geschieht (s. den Fall von Nikolaus V. in www.katholisch.de). Wer die Erneuerung der Kirche will, der muss bei der überlieferten Lehre Roms bleiben und darf sich nicht durch die Lügen Neu-Roms becircen lassen.
Gisler schreibt:


Wenn man heute Kirche und Staat zusammen nennt, mutet das manche an wie der feuchte Flügelschlag einer Eule aus der Nacht des Mittelalters, wie eine düstere Vision, umschwebt vom Feuerschein der "gesegneten Flammen " und vom Ächzen der Folterkammern. Und doch sind Kirche und Staat die zwei ehernen Säulen an der Pforte der christlichen Zivilisation, die zwei mächtigen Achsen, um welche die christliche Geschichte von jeher sich drehte, und wohl nirgends hat Klios [Klio, in der griechischem Mythologie des Dichters Hesiod eine der neun Musen, Töchter des Göttervaters Zeus, Göttinnen der schönen Künste; Klio ("die Rühmende") ist die Muse der Geschichtsschreibung; Anm. PRHL] Griffel Seiten von mehr Tiefe, Leben und Farbe geschrieben, als wo er den Frieden und Kampf zwischen Sacerdotium und Imperium geschildert.
Das Christentum hat in der Staatsgewalt eine tiefe Umwälzung erzeugt, indem es die Kirche vom Staate unterschied, zu einem selbständigen Gebilde erhob, und zwischen beiden Gewalten eine Grenzlinie zog. Im Heidentum finden wir Königskrone und Priesterkrone verschmolzen. Der römische Kaiser z.B. war zugleich Pontifex und Hohepriester; die Priesterämter wurden vergeben gerade wie die Staatsämter. Treffend sang Virgil: "Äneas war König der Menschen und Priester des Apollo" (Aeneis 3,28). Die Pflege der Religion war durchaus Sache des Staates. Und warum auch nicht, wenn nach damaliger Anschauung der Zweck der Religion und der Zweck des Staates im Grunde genau sich deckten?
Christus zog nun zwischen Kirche und Staat den Scheidungsmeridian. Er unterschied die beiden Gewalten wie Wasser und Land, indem er sprach: "Gebt dem Kaiser, was des Kaisers, und Gott, was Gottes ist." Wesentlich bestimmend waren dabei zwei Punkte. Erstlich gründete Christus eine sichtbare Kirche; die sollte sein Reich sein, nicht von, aber in dieser Welt. Er verglich dieses Reich einer Stadt auf dem Berge, einem Königreich, einem Baum, der sich über die Erde breitet, einer Herde, einem Schafstall, einem Leib, dessen Glieder die Gläubigen, dessen Haupt Christus. Den Petrus machte er zum Fundamente dieser Kirche. Ihm gab er die Schlüssel, ihm den Hirtenstab über alle anderen. So war die Kirche einem Turme gleich in die Welt hineingebaut, ohne Riß, ohne Bruch, ohne Fuge, wie aus dem Felsen gehauen, wie ein Monolith.
Und dieser Kirche wurde ein neues, ureigenstes Ziel vorgesteckt. Des Staates Aufgabe ist irdisch; sein nächster, eigentlicher Zweck ist die zeitliche Wohlfahrt den Bürger. Was hinausragt über den Gesichtskreis dieses Lebens, was die Seele berührt und die Ewigkeit, dafür ist nicht er zuständig. Der große Bischof der Seelen ist Christus, und seine einzige Erbin, Priesterin und Braut ist die Kirche, die sein Erlösungswerk unter den Menschen fortsetzen soll bis zum Abschluß der Zeit. Das Schwert dem Staate, Hirtenstab und Schlüssel der Kirche. Neben Tiberius Petrus, neben dem Kaiser der Papst.
Eine selbständige Kirche mit dem Seelenheil der Menschen als ureigenstem Zweck, das war der erste bestimmende Punkt zur Demarkationslinie zwischen Kirche und Staat. Der zweite bestimmende Punkt war dieser: Christus machte sein Kirche katholisch, d. h. allgemein. Keine von den alten heidnischen Religionen besaß Katholizität, d.h. Allgemeinheit.
[...]
Nur schwer ermessen wir die Wirkung, welche die Idee der Katholizität erstmals auf die Gemüter hervorgebracht. Eine Weltkirche! War das nicht den Juden ein Greuel, den Heiden ein Rätsel? Wie klein und eng war einst das Zelt der jüdischen Synagoge! Es reichte kaum weiter als man die Wasser des Jordan rauschen hatte - vom Libanon zum Hermon, von der Philistergrenze zur Wüste, und der Gott, den sie verehrten, das war ihr Gott, der Gott Abrahams. - Die Griechen und Römer hielten es geradezu für unsinnig, daß eine Menge von Völkern durch die Gemeinschaft eines Glaubens und eines Gottesdienstes, durch die Bande einer Kirche zum großen, einheitlich geleiteten Ganzen sich verknüpfen könne. Und nun diese weltweite Entschränkung der Religion! Die Nationalgötter abgetan, der allgemeine Gott verkündet! Wie ein Sonnenblick, sagt ein alter Schriftsteller, leuchtet das Christentum über die Erde dahin (Eusebius, Historia ecclesiastica 2,3). Der Name katholisch wurde zum leuchtenden Merkmal der Kirche Christi. Ich glaube an die katholische Kirche - so hieß es bereits in der ältesten Bekenntnisformel, und dieses Bekenntnis auf den Lippen gingen Tausende in den Tod.
Die Kirche, selbständig und ausgeweitet zur Weltkirche, war nun mit einem unzerstörbaren Schutzwall umgürtet. Jetzt konnte sie nicht mehr nationalisiert werden. Die Kirche eines jeden Landes ist ein Teil der Gesamtkirche und hat ihren Hort und Herzpunkt in Rom. Dort und nur dort ist der oberste Richter ihrer Lehre und ihres Kultus. Aber gegen diesen Scheidungsmeridian schlug die Brandung des Kulturkampfes durch alle Zeiten. Immer wieder sehen wir zentrifugale, nationale Strebungen am Werk. Da und dort flammender Hader mit Rom, um eine Kirche zu haben nach eigenem Bauriß und eigenen Heften.
[...]
Aber da die Kirche als selbständig und als Weltkirche gestiftet wurde, erhielt sie gegen die Eisenhand des Staates für immer eine mächtige Rüstung. Weil autonom und katholisch, kann sie in die Wirbel menschlichen Auf- und Unterganges nicht hineingerissen werden. Systeme wechseln, Kronen fallen, große Männer und Mächte gehen vorüber: die Kirche bleibt. Als das alte Römerreich in Trümmer fiel, stand die Kirche lebensfrisch aufrecht. Und wenn ein neuer Diokletian die Kirche verfolgen und fesseln will, so kann er die Bischöfe seines Landes einkerkern, die Geistlichen verjagen, aber den Herzpunkt der Kirche zerstören kann er nicht. Vom ewig lebendigen Mittelpunkt wird immer wieder die Erneuerung kommen in die Lücken der Peripherie. Daher auch die Kraft des Ultramontanismus, den die Freisinnigen immer neu zu definieren suchen, und der im Grunde nichts anderes ist als die lebendige, allseitige Verbindung der Glieder mit dem Haupt, mit Rom.
Was sich sondert von Rom, baut auf Sand, verfällt der Umklammerung des Staates und früher oder später dem Untergang. Die Inschrift "romfrei " am Giebel einer Kirche ist jedesmal auch eine Grabschrift. Das ist kein bloßer Spruch der Schule, sondern der Erfahrung und Geschichte. Wie geschickt wußte Luther die Abneigung der Deutschen gegen die Italiener, gegen die "Wahlen " zur Flamme anzufachen! Vor dem Elstertor zu Wittenberg wirft er am 10. Dezember 1520 mit der Bannbulle auch das corpus iuris in die Flammen; das päpstliche Rechte, das Kirchenrecht überhaupt will er verbrennen. "Ei, so falle es ganz dahin in Gottes Namen, was in des Teufels Namen sich erhoben hat." Das Tafeltuch mit Rom war zerschnitten - damit aber auch das Schicksal von Luthers Kirche besiegelt.
Luther war jetzt gezwungen, die oberste kirchliche Gewalt dem Landesherren zu übertragen, und so erhielt das protestantische Deutschland nun so viele Päpste als weltliche Landesherren, und die Schweiz so viele als protestantische Kantonsregierungen. Luther mit den Seinen fielt unter das Joch des Staates. Nicht einmal eine deutsche Nationalkirche brachte er zustande; Zwinglianer und Kalvinisten brachen in seine Ernte, und die einzelnen Landesfürsten griffen nach dem Summepiskopat wie nach süßem Manna.
Ob die Reichskirche vielleicht in der Zukunft entsteht? Ob die Landesfürsten ihre päpstlichen und bischöflichen Rechte zu Füßen des Kaisers niederlegen werden? Und wenn die Landesfürsten sich dazu entschlössen, wären damit die inneren grundsätzlichen Unterschiede zwischen den zahlreichen Denominationen des Protestantismus beseitigt? Und wenn diese inneren Unterschiede sich nicht austilgen lassen, was wäre diese rein äußerliche Vereinigung grundsätzlich getrennter Christen anders als ein Pantheon des Protestanstismus, als der eiserne Reif der Büreaukratie um die "evangelische Freiheit"?
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Die Scheidelinie, die Christus zwischen Kirche und Staat zog, war nicht bloß ein Schutzwall für die Unabhängigkeit der Kirche, sondern auch ein Hort für die Freiheit der Völker. Die bloße Tatsache dieser Ausscheidung, abgesehen von den Natur, dem Ursprung und Zweck der geistlichen Gewalt, war ein ständiger Hinweis, daß die Staatsgewalt nicht schrankenlos ist, daß es Dinge gibt, wo man dem Staate sagen kann und muß: "Ich gehorchen dir nicht." Die greuelvolle Despotie Asiens war daher bei christlichen Völkern unmöglich; zugleich war es wieder bezeichnend, daß die großen absolutistischen Monarchien Europas vom 16.-19. Jahrhundert nichts Eiligeres zu tun hatten, als den Kirchenverband mit Rom zu lockern und sich in den Mitgenuß päpstlicher Befugnisse zu setzen. So in Spanien, Frankreich, Österreich, Rußland. Die Kirche, hieß es, ist ein Teil des Staates. Und die Rechte des Staates sind heilig wie die Bundeslade; kein Mensch soll sie nur anrühren, kein Blatt darf sich regen im Reich ohne Erlaubnis der Regierung.
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Die Kirche soll vom Staat verschieden, aber nicht geschieden und getrennt sein; wenigstens darf die Trennung von Kirche und Staat nicht als grundsätzliches Ideal hingestellt werden. Denn das wäre die Losreißung der Welt von Gott, des Geschöpfes vom Schöpfer, die Mißkennung des höchsten Zieles, die Zerreißung des Menschen in einen Staats- und  Kirchenmenschen. Die Stellung der Kirche in dieser Frage ist nicht zweifelhaft seit der Enzyklika Gregor XVI. (Mirari vos 14. August 1832 [s. Charta Oecumenica, Anm. PRHL]), Pius IX. (Quanta cura, 8. Dezember 1864), seit dem Syllabus (Thes. 55, 77, 78, 79) [vollständiger Text, Anm. PRHL], seit Leo XIII. (Immortale Dei, 1. November 1885 [s. Faustrecht, Anm. PRHL] und Longinqua oceani, 6. Januar 1895).

Pius X.: "Der Grundsatz, daß Staat und Kirche getrennt werden müßten, ist fürwahr ein ganz falscher und in höchsten Grade verderblicher Grundsatz. - Denn wer sich auf den Boden der Annahme stellt, daß der Staat sich in keiner Weise um die Religion kümmern dürfe, fügt zuerst Gott ein großes Unrecht zu, der ebenso Begründer und Erhalter der menschlichen Gesellschaft als des Lebens des einzelnen Menschen ist. Deshalb kann sich der Kult nicht auf das Gebiet des Privatlebens zurückziehen, sondern er muß ein öffentlicher sein. - Ferner liegt diesem Grundsatz deutlich genug die Leugnung des Übernatürlichen zugrunde. Denn es werden hierbei die staatlichen Unternehmungen ganz allein nach den Aussichten für die Wohlfahrt dieses sterblichen Lebens bemessen, welche ja wohl die nächste Angelegenheit der bürgerlichen Gesellschaft ist; die höchste Angelegenheit der Bürger aber, die ewige Seligkeit, welche jenseits des kurzen Erdenlebens uns sich darbietet, vernachlässigt er vollständig als eine dem Staate fremde Sache. Und doch sollte das Staatswesen gemäß der ganzen Ordnung der wandelbaren irdischen Dinge für die Erreichung des absoluten, höchsten Gutes nicht hinderlich, sondern förderlich sein." Enzyklika "Vehementer".
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Kirche und Staat sollen also irgendwie verbunden sein; wie werden wir diese Verbindung genauer abgrenzen? Die Kirche soll nicht die rechtlose Magd des Staates sein. In der Urzeit des Christentum war sie freilich nicht einmal das: sie wurde blutig verfolgt. Immer wieder erscholl der Ruf des Pöbels: "Die Christen vor die Löwen!" Da kam das Jahr 312. Kaiser Konstantin hatte wunderbar gesiegt und erließ nun das berühmte Toleranzedikt. Wie ein Morgenstern ging es auf über dem Zelt der Kirche. Nun erhielt sie Duldung, bald sogar die Freundschaft des Kaisers; er wurde ihr weltlicher Arm - brachium saeculare.
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Die Kirche keine rechtlose Magd des Staates! Daher verwirft sie die Theorie Hegels, daß der Staat die Quelle alles Rechtes sei - ein Leviathan, der alles zermalmt und verschlingt. Die Kirche ist nicht von Staates Gnaden; von Christus hat sie ihre Schlüssel, nicht vom Cäsar.
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Weder ist die Kirche die rechtlose Magd des Staates, noch ist der Staat der rechtlose Knecht der Kirche; Kirche und Staat haben ihren eigenen Zweckbereich und besitzen innerhalb dieses Zweckbereiches die höchste Macht. Nun empfängt jede Fertigkeit, jede Kunst, jede kulturelle Tätigkeit ihre Richtlinien zunächst von ihrem Zwecke. Der Zweck ist denn auch, der die Politik in ihren Anschauungen, Urteilen, Entscheidungen und Maßnahmen leitet und bestimmt. Der wahre Zweck einer geordneten Politik ist aber in erster Linie kein anderer als der Zweck des Staates selbst, d.h. die irdische Wohlfahrt des Volkes. Die irdische Wohlfahrt des Volkes, das gesamte Staatswohl ist also das eigentliche und nächste Leitmotiv des Politikers und daher auch jeder politischen Partei als solcher.
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Aber der Politiker ist nicht nur Politiker; er ist auch ein ethisches Wesen, vielleicht auch Christ und Katholik. Er hat daher seine politischen Ziele in der Weise anzustreben und seine politischen Rechte in dem Maße auszuüben, daß dabei andere, vielleicht höhere Ziele, Rechte und Verbindlichkeiten, als die politischen sind, nicht ungebührlich verletzt werden. Der Politiker darf seine politischen Rechte und Pflichten nicht beziehungslos und rücksichtslos ausüben, sondern muß dieselben seinen übrigen Rechten und Pflichten harmonisch einordnen, bzw. unterordnen. Denn der Politiker, der Mensch, der Christ, der Katholik sind ein und dieselbe Person, die sich nicht spalten läßt; sie wohnen in der gleichen Kammer des Gewissens und haben sich zu verständigen (FN: Treffend Leo XIII.: Es ist nicht erlaubt, eine andere Verhaltenungsvorschrift für das private, eine andere für das öffentliche Leben aufzustellen, so nämlich, daß die Autorität der Kirche für das Privatleben hochgehalten, für das öffentliche Leben abgelehnt würde. Denn das hieße Gutes mit Schlechtem verbinden und den Menschen mit sich selbst im Widerspruch setzen, während er doch umgekehrt immer in sich konsequent bleiben muß, und in keiner Angelegenheit und auf keinem Lebensgebiet der christlichen Tugend sich entziehen darf." Immortale Dei)
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Die negative Pflicht des Politikers, die Rechte der Kirche nicht anzutasten, ist an und für sich und grundsätzlich eine schrankenlose und wenigstens in Bezug auf die primären Rechte eine ausnahmslose. So darf z.B. der Staat niemals hindern, daß ein Sterbender die Sterbesakramente verlange und daß die Kirche sie spende. Hingegen dürfte Staat darauf dringen, daß die Kirche auf die Ausübung gewisser sekundärer Rechte verzichtet, wenn und insoweit einem wichtigsten Staatsinteresse Gefahr droht; so würde in Zeiten ansteckender Krankheit die Abhaltung etwa einer großen Prozession polizeilich mit Recht beanstandet.
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Wem steht es zu, endgültig zu entscheiden, was ein primäres, unveräußerliches Recht der Kirche sei und was ihre Interessen entweder fördere oder hindere? Dies in letzter Linie zu entscheiden, ist Sache des kirchlichen Lehramtes, nicht aber des Politikers. (FN: Pius X.: "Kraft des Amtes, die Wahrheit und das christliche Gesetz zu schirmen, werden wir verpflichtet sein: ... die Grundsätze der Ordnung, der Gewalt, der Gerechtigkeit und Billigkeit, die heutzutage unterwühlt werden, zu stützen; jeden einzelnen, und zwar nicht nur die Untergebenen, sondern auch die Herrschenden ... im privaten und im öffentlichen Leben, auch auf dem sozialen und politischen Gebiet nach der Norm und Regel der Sittlichkeit zu leiten. - Wir sehen zwar voraus, daß einige Anstoß nehmen werden, wenn wir erklären, wir müßten uns auch mit Politik befassen. Aber wer die Dinge richtig beurteilt, sieht ein, daß der Papst vom Lehramt, daß er in Sachen des Glaubens unter Sitten besitzt, das Gebiet der Politik nicht trennen darf." Acta S. Sedis, vol. 36. S. 195). Wenn daher da und dort gesagt wurde: die Kirche kann religiöse Organisation überwachen, nicht aber politische, so ist das in dieser Allgemeinheit ein falscher Satz.



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