Die neuen Priester
- Ausschnitte aus dem Buch von Henri Fesquet: "Rom vor einer Wende?" -
(Kirche zum Mitreden, 17.01.2004)
Italienischer Priester bewarb sich um Rolle bei \'Big Brother\'
So titelte kath.net am 10. 01. 2004. Die "Show"
"Big Brother" gab / gibt es in mehreren Ländern; dafür werden
Freiwillige für einige Tage oder Wochen in einem kleinen Bereich eingesperrt
(z.B. Container mit Garten), wobei in allen Räumen ständig laufende
Kameras installiert sind. So kann man also den Bewohnern zugucken, wie
sie essen, sich gegenseitig anschreien, duschen, auf Toillette gehen usw.
Kurzum: Das ganze ist entwürdigend und dementsprechend sehr erfolgreich.
Nun hat sich also ein V2-"Priester" für diese öffentliche Entwürdigung
beworben. Wie kn im selben Artikel berichtet, wetterte "Kardinal" Ersilio
Tonini, "Alterzbischof von Ravenna" dazu: "Das ist unglaublich. Die Reality-Show
sei eine Beleidigung, die mögliche Teilnahme eines Klerikers ein Affront.
Es sei unverantwortlich und der Berufung eines Priesters unwürdig."
Wir stimmen Tonini zu, dass BB der Berufung eines Priesters unwürdig
ist, ja, wir meinen sogar, dass das ganze Konzept unwürdig ist, ob
nun Laien oder Priester eingesperrt und gefilmt werden. Aber wir halten
das ganze überhaupt nicht für "unglaublich", sondern für
durchaus folgerichtig, wenn man das "Priester"-Bild der V2-Sekte kennt.
Wir erinnern hier auch an Spindelböcks
Auftreten in diversen Foren, wo er sich selbst mit Vornamen ("Sepp" resp.
"Josephus") vorstellt und dem allgemeinen Duz-Trend
huldigt, dem wir kritisch gegenüberstehen. Oder man denke an den wenigstens
in Deutschland herrschenden Usus beim "Opus Dei",
dass es für die "Priester" keinerlei priesterliche Anrede (z.B. "Hochwürden"
oder "Pater") gibt. Wer im OD "Priester" ist und z.B. "Hans Müller"
heißt, wird von jedem entweder mit "Herr Müller" angeredet,
oder - vielleicht noch häufiger - einfach mit "Hans". Im Studentenheim
Schweidt wurden
Christoph Bockamp und Thomas
Schauff von fast allen dort wohnenden Studenten, die oftmals rein gar
nichts mit dem OD zu tun hatten, und von der "Leitung" des Hauses mit Vornamen
angeredet und geduzt (von uns allerdings nicht). Die V2-"Priester" sind
schlichtweg keine Respektpersonen, sie wollen es auch gar nicht sein, deswegen
z.B. der "Abschied von Hochwürden", oft
laikale, legere Kleidung usw. - und jetzt zumindest geplantes Posieren
vor der Kamera bei "Big Brother".
Henri Fesquet
Über die V2-Priester haben wir schon öfters
geschrieben. Nun stolperten wir kürzlich über ein Buch von Henri
Fesquet, einem römischen Korrespondenten der französichen Zeitung
"Le Monde", z.Th. V2. Zu den bekanntesten Büchern von HF gehört
wohl: "Ich bin ja nur der Papst. Humor und Lebensweisheit Johannes XXIII.",
wo man vermutlich ähnliche Peinlichkeiten gesammelt findet wie in
"Ein Papst lacht". Der Papst als Lachnummer
und Witzfigur - obwohl Roncalli nur Scheinpapst war, hat er dazu beigetragen,
dass dem Papsttum der schuldige Respekt verweigert wird. Hier präsentieren
wir Ausschnitte aus HFs Buch "Rom vor einer Wende? Drängende Fragen
an die Kirche nach dem Konzil", Freiburg 1968. "Die neuen Priester" - so
lautet die Überschrift des zweiten Buchkapitels. Schaut man nur auf
die Seitenzahlen der einzelnen Kapitel, merkt man bereits, dass HF der
Frage nach den "neuen Priestern" ein besonderes Gewicht beimisst:
Einleitung (7-11)
I. Lebendiges Brot und Entwicklung (13-32)
II. Die neuen Priester (33-53)
III. Die Goldene Regel des Ökumenismus (55-70)
IV. Zuerst die Armen (71-86)
V. Der Preis der Katholizität (87-93)
VI. Die öffentliche Meinung, das "Lehramt der neuen Zeit"? (85-104)
VII. Die Frau und die Kirche (107-116)
VIII. Die Angst, Eine Kinderkrankheit (117-125)
Schluß (127-141)
Zudem kommt HF auch in anderen Kapiteln, besonders in "Die Frau und
die Kirche", auf das Neo-"Priestertum" zu sprechen. Und natürlich
ist HFs Schwärmerei über "die neuen Priester" auch ideologisch
eingebettet in seinen apostatischen Wahn, wobei aber immer klar sein muss,
dass er keineswegs ausschließlich seine privaten Phantastereien zum
besten gibt. In der Tat spiegelt seine antichristliche Propagandaschrift
den Wahn wieder, von dem viele einflussreiche Persönlichkeiten des
"Vatikanum 2" besessen waren, insbesondere der "Geist der Konzils", i.e.
Karl
Rahner, und oft zitiert oder paraphrasiert HF die Führer der Revolution,
darunter selbstverständlich auch Roncalli und Montini. Zudem entsprechen
viele seiner Ausführungen denen von P. Wiltgen
(""Der Rhein fließt in den Tiber").
Häresienschleuder V2: Beispiel Religionsfreiheit
Dass V2 gespickt ist von offenkundigen Häresien, bestreitet niemand
ernsthaft. Eine der bekanntesten und in ihren Folgen deutlichsten Häresien
dürfte die der "Religionsfreiheit" sein. Papst Pius
IX. hat die Religionsfreiheit eindeutig als Häresie verurteilt
(Enzyklika "Quanta cura", 08.12.1864):
Ihr wißt sehr wohl, Ehrwürdige Brüder,
daß es heutzutage viele gibt, die das absurde und gottlose Prinzip
des sogenannten Naturalismus auf die staatliche und bürgerliche Gesellschaft
anwenden und zu lehren wagen. Die beste Staatsverfassung und der bürgerliche
Fortschritt erforderten unbedingt, daß die menschliche Gesellschaft
aufgebaut und regiert werde, ohne dabei irgendeine Rücksicht auf die
Religion zu nehmen, als ob diese nicht existieren würde, oder zumindest
keinen Unterschied zwischen der wahren und der falschen Religion zu machen.
Im Gegensatz zur Lehre der Heiligen Schrift, der Kirche und der heiligen
Väter behaupten sie ohne zu zögern: Der beste Zustand der Gesellschaft
sei, der Staatsgewalt nicht die Verpflichtung zuzuerkennen, durch gesetzlich
festgelegte Strafen die Übeltäter und Entehrer der katholischen
Religion in Schranken zu halten, außer wenn die öffentliche
Ruhe dies erfordern sollte. Von dieser absolut falschen Vorstellung über
die Regierung des Staates, scheuen sie sich nicht, die irrige Meinung zu
begünstigen, welche für die katholische Kirche und das Heil der
Seelen im höchsten Grad zum Untergang führt, die bereits Unser
unmittelbarer Vorgänger seligen Andenkens, Gregor XVI., als Wahnsinn
bezeichnet hat2, und zwar, die Gewissens- und Religionsfreiheit sei das
eigene Recht eines jeden Menschen. Dieses Recht müsse das Gesetz in
jeder wohlgeordneten Gesellschaft proklamieren und sicherstellen. Für
die Bürger bestehe ein Recht auf eine allgemeine Freiheit, die weder
durch die kirchliche, noch durch die staatliche Autorität eingeschränkt
werden darf, und die ihnen erlaubt, ihre Ansichten und Empfindungen durch
das gesprochene Wort, durch Druckschriften, oder auf andere Weise offen
bekanntzugeben und zu erklären. Während sie dies leichtfertig
behaupten, bedenken und erwägen sie nicht, daß sie die Freiheit
des Verderbens3 verkünden. Es wäre ihnen freigestellt, alles
mit den Mitteln menschlicher Überzeugung zu erörtern, da es an
solchen Menschen niemals fehlen würde, die es wagen, der Wahrheit
zu widerstehen und auf die Geschwätzigkeit der menschlichen Weisheit
zu vertrauen. Der christliche Glaube und die christliche Weisheit vermögen
es, aus der Lehre Unseres Herrn Jesus Christus selbst zu erkennen, wie
sehr diese höchst lügenhafte Eitelkeit gemieden werden muß4.
Wo die Religion aus der bürgerlichen Gesellschaft verbannt sowie die
Lehre und Autorität der göttlichen Offenbarung verworfen wurde,
wird sogar der wahre Begriff der Gerechtigkeit und des menschlichen Rechts
verdunkelt und geht verloren. Materielle Gewalt tritt an die Stelle der
Gerechtigkeit und des gesetzmäßigen Rechts. Daher ist es verständlich,
weshalb einige Menschen, indem sie die sichersten Grundsätze der gesunden
Vernunft mißachten und an die letzte Stelle setzen, miteinander auszurufen
wagen: Der Wille des Volkes, kundgegeben durch die sogenannte „öffentliche
Meinung“ oder auf irgendeine andere Weise, begründe das oberste Gesetz,
unabhängig von jedem göttlichen und menschlichen Recht. In der
politischen Ordnung haben vollendete Tatsachen bereits durch ihre Vollendung
die Bedeutung einer Rechtskraft. Wer versteht und empfindet nicht ganz
deutlich, daß die menschliche Gesellschaft, gelöst von der Bindung
an die Religion und des wahren Rechts, keine andere Ausrichtung mehr haben
kann, als sich den Erwerb und die Anhäufung von Reichtümern zum
Ziel zu setzen? Sie folgen in ihren Handlungen keinem anderen Gesetz mehr,
als der ungezähmten Begierde des Herzens, den eigenen Gelüsten
und dem persönlichen Vorteil zu dienen. [...] Inmitten einer so großen
Anzahl von verkehrten und entarteten Meinungen haben Wir, im vollen Bewußtsein
Unserer Apostolischen Pflicht und in Unserer höchsten Sorge um unsere
heilige Religion, die gesunde Lehre und das Uns von Gott anvertraute Heil
der Seelen sowie für das Wohl der menschlichen Gesellschaft selbst,
erneut Unsere Apostolische Stimme erhoben. Deshalb verwerfen, verbieten
und verurteilen Wir, kraft Unserer Apostolischen Autorität, alle und
jede in diesem Schreiben einzeln erwähnten verkehrten Meinungen und
Lehren. Wir wünschen und befehlen, daß dieselben von allen Kindern
der katholischen Kirche als verworfen, verboten und verurteilt betrachtet
werden.
V2 vollzieht dann den radikalen Bruch, cf. A.
Laun, Fragen der Moraltheologie heute. Wien 1992, irgendwo zwischen
167-176:
"Das Vatikanische Konzil erklärt, daß die menschliche
Person das Recht auf Religionsfreiheit hat."
Das Konzil hat formell kein Dogma verkündet, das ist wahr. Aber
das heißt natürlich nicht, daß in den Texten nicht viele
unumstößliche Wahrheiten ausgesprochen sind, die zu leugnen,
eine Häresie wäre. Man kann ohne weiteres sagen: Wer die sittliche
Forderung, das Recht auf Religionsfreiheit anzuerkennen, mißachtet,
handelt genauso gegen die kirchliche Lehre und gegen den Gehorsam gegenüber
dem Lehramt wie derjenige, der die Enzyklika "Humanae Vitae" zurückweist.
Mehr noch: Objektiv gesehen "wiegen" die Sünden, die sich gegen die
Religionsfreiheit richten, ungleich schwerer als jene im Bereich der Empfängnisverhütung.
Ein kondom-geschützter Verkehr verhält sich zur Gewaltanwendung
in Fragen des Glaubens wie der berühmte Splitter im Auge zu einem
Balken ebendort. Das ändert nichts daran, daß auch ein Splitter
im Auge schlimm ist. Aber, so Johannes Paul II., "dem Gewissen Gewalt anzutun,
ist ein schwerer Schaden, der dem Menschen zugefügt wird. Es ist der
schmerzlichste Schlag gegen die Menschenwürde, ja in gewissem Sinne
schlimmer als der physische Tod" [FN: Johannes Paul II., Gewalt 38.]. Wenn
man die Lehre von "Dignitatis Humanae" wirklich als verpflichtende Auslegung
des göttlichen Gebotes durch das Lehramt der Kirche begreift, dann
ergibt sich daraus eine weitere, oft übersehene Einsicht: Dogmen,
feste Überzeugung, Gewißheit führen nicht von sich aus
zur Intoleranz. Vielmehr hängt es entscheidend vom Inhalt der jeweiligen
Überzeugung ab, ob sie zur Toleranz oder Intoleranz führt. Die
Relativierung aller absoluten Wahrheiten durch nationalsozialistische oder
marxistische Ideologen hat keineswegs den Terror hintangehalten; umgekehrt
führt die unerschütterliche Überzeugung eines Mahatma Gandhi
ebenso zum Frieden wie das "Dogma" von der Religions- und Gewissensfreiheit.
Wie bereits der erste Laun-Text dokumentiert,
leugnet Andy den Zusammenhang zwischen Dogma und Häresie. Deshalb
überrascht auch nicht, dass Andy einerseits erzählt, V2 habe
"formell kein Dogma" verkündet, dann aber trotzdem diejenigen zu Häretikern
abstempelt, die die V2-Häresie von der Religionsfreiheit ablehnen,
und schließlich dann doch von einem "'Dogma' von der Religions- und
Gewissensfreiheit" phantasiert. Die hemmungslosen Kapriolen wider die Vernunft,
die Andy seinen Lesern aufzwingen möchte, sind schon bemerkenswert.
Und liest man den ganzen Artikel, kommt man aus dem - äh - Staunen
über Andys Kapriolen kaum noch heraus. Weil sich Andy durchaus bewusst
ist, dass sein "'Dogma' von der Religions- und Gewissensfreiheit" beim
besten Willen nicht in Einklang zu bringen ist mit der Lehre der Kirche,
erklärt er: "Damit ist nicht bestritten, daß die Kontinuität
der Lehrentwicklung mit einer gewissen Diskontinuität 'gemischt' war
und manchen Lehräußerungen des kirchlichen Lehramtes im 19.
Jahrhundert eine gewisse Einseitigkeit tatsächlich anhaftet [FN: Vgl.
Fuchs, Moral 2, 132ff.]. Aber das ist ja auch eines der erstaunlichen Phänomene
der kirchlichen Lehre: daß sich nämlich trotz gewisser Mißverständlichkeiten
dann doch ein roter Faden entdecken läßt, den man ohne unredliche
Tricks und ohne historische Einäuigkeit als eine "bleibende", "kontinuierliche"
Lehre "der" Kirche bezeichnen kann." Fürwahr - äh - erstaunlich:
Also eine "gewisse Diskontinuität" - wobei ungewiss bleibt, wie gewiss
diese Gewissheit nun ist - und "Einseitigkeit" (?) gilt es bei "manchen
Lehräußerungen" schon zu ertragen - und besser noch auszumerzen.
Nun ist bei der Verurteilung der Religionsfreiheit zwar keinerlei "Diskontinuität"
festzustellen (allerdings ein radikaler Bruch bei V2), aber an solchen
Kleinigkeiten hält sich Andy gar nicht erst auf. So stimmt er denn
ein in den V2-Schlachtruf, den sein Komplize Walter
Kasper so formulierte: "Dogmen können durchaus einseitig, oberflächlich,
rechthaberisch, dumm und voreilig sein." Wir sehen bis heute keine Möglichkeit
- und auch das "Priesternetzwerk" bot da keine
Hilfe -, diesen V2-Schlachtruf in Einklang zu bringen mit dem Dogma: "Wer
sagt, es sei möglich, daß man den von der Kirche vorgelegten
Glaubenssätzen entsprechend dem Fortschritt der Wissenschaft gelegentlich
einen anderen Sinn beilegen müsse als den, den die Kirche verstanden
hat und versteht, der sei ausgeschlossen" (NR 61, cf. DS 3043). Offen gestanden
sehen wir darin noch nicht mal den Hauch einer Möglichkeit der "Diskontinuität"
zugegeben.
Dass vor V2 letztlich kein Dogma Gnade findet, hatte auch Montini bekannt,
als er gegenüber Lefebvre äußerte,
dass V2 "keine geringere Autorität hat, das unter gewissen Aspekten
sogar noch bedeutsamer ist als das von Nicäa". Wie "gewiss" die Aspekte
nun sein mögen, wird zwar auch dort nicht beim Namen genannt, aber
eben: Man vergleiche die unfehlbare Lehre der Kirche mit den Häresien
von V2, und schon weiß man, woran man bei der V2-Sekte ist.
Angesichts Andys Devise, dass "die Sünden, die sich gegen die
Religionsfreiheit richten, ungleich schwerer als jene im Bereich der Empfängnisverhütung"
"wiegen", erinnern wir an unsere Würdigung von Humanae
vitae - mit der Montini ebenfalls die traditionelle Lehre der Kirche
aufbrach. Das Toleranz-Geschwafel der V2-Sekte
wird auch dadurch nicht glaubwürdiger, dass sie mit brutalsten
Mitteln diejenigen auszuschalten versucht, die noch an der Wahrheit
festhalten. So ein sadistischer Abschaum wie Andy samt Komplizen sollte
vielleicht nicht allzulaut das Wort "Toleranz" auf den Lippen führen.
Andy unterstreicht also mit seinem geballten Schwachsinn noch einmal
deutlich, dass die V2-Lehre eine offenkundige Häresie ist. Dementsprechend
nimmt jeder die Häresie zur Kenntnis, aber fast keiner stört
sich daran ernsthaft, s. z.B. den V2-Sektierer J.
Dörmann (Der theologische Weg Johannes Paul II. zum Weltgebetstag
der Religionen in Assisi, Bd. II.1. Die "trinitarische Trilogie": Redemptor
Hominis, Senden 1992,170f (hier ohne Fußnoten)):
Die neue Sicht des missionarischen Verhältnisses
der ökumenischen Kirche zu den nichtchristlichen Religionen, Völkern
und Kulturen (vgl. RH 11,2; 12,1) veranlaßt den Papst, das Problem
der Religionsfreiheit aufzuwerfen und vom Standpunkt der Deklaration Dignitatis
Humanae des Konzils aus zu betrachten (vgl. RH 12,2). Uns geht es hier
nur um die theologische Begründung des Rechtes auf Religionsfreiheit
im Kontext der Erlösungslehre der Enzyklika, also nicht um die Frage
der Verwirklichung dieses Rechts im staatlichen Bereich. Dazu äußert
sich der Papst später ausführlicher (vgl. RH 17). Die traditionelle
Lehre hat das Recht der Religionsfreiheit mit der allein wahren Offenbarungsreligion
begründet: Da sich Gott selbst geoffenbart und in seinem Sohn das
Erlösungswerk zum Heil der Welt vollbracht hat, war es nur konsequent,
auch allein der von Gott stammenden Religion das Recht auf freie und öffentliche
Religionsausübung zuzugestehen. Die sich aus dem Ernstnehmen der göttlichen
Offenbarung ergebende dogmatische Intoleranz verband sich jedoch mit praktischer
Toleranz. Unstreitig war, daß die Bekehrung zur wahren Religion nicht
erzwungen werden darf, sondern absolut frei sein muß, - mag auch
in früheren Zeiten das biblische "compelle intrare" (Lk 14,23) Anlaß
zu Fehlinterpretationen des Evangeliums gegeben haben. Im Evangelium selbst
wird niemand gezwungen, sich zu bekehren und zu glauben. Aber das bedeutet
nicht, daß der Mensch Gott gegenüber ein religiöses Freiheitsrecht
hätte (ius ad libertatem religiosam). Prinzipiell galt der Grundsatz:
Das Recht der Freiheit gründet im Recht der objektiven Wahrheit. Die
traditionelle Lehre ging vom Primat der Wahrheit gegenüber der Freiheit
aus und von der These, dem Irrtum könne an sich kein Recht gegenüber
der Wahrheit zukommen. Die Erklärung Dignitatis Humanae ist von der
traditionellen Lehre nicht nur graduell, sondern prinzipiell abgerückt.
Sie anerkennt das äußere Recht jedes Menschen auf religiöse
Freiheit und versteht es als ein unabdingbares Recht der menschlichen Person.
Es umgreift die private und öffentliche Ausübung der Religion
nach den Forderungen des Gewissens. Dieses Freiheitsrecht gründet
nicht in einer bestimmten subjektiven Verfassung der Person, etwa ihrem
wahren Glauben, sondern in ihrem objektiven Sein und Wesen. Damit ist der
prinzipielle Schritt vom "Recht der Wahrheit" zum "Recht der Person" getan.
Die Erklärung stellt klar, daß das Recht auf religiöse
Freiheit unabhängig von der objektiven Wahrheit der religiösen
Überzeugung des einzelnen und unabhängig von seinem subjektiven
Bemühen um diese Wahrheit besteht. Es bleibt auch dem erhalten, der
seiner Pflicht, die Wahrheit zu suchen und daran festzuhalten, nicht nachkommt.
Die Konzilserklärung hat damit das Prinzip des modernen liberalen
Freiheitsgedankens anerkannt, - mit Berufung auf das Evangelium! Die Enzyklika
steht grundsätzlich und ohne Vorbehalt auf dem Boden der Konzilserklärung
Dignitatis Humanae (vgl. RH 12). Dennoch hat die Lehre des Papstes im Kontext
der Enzyklika eine völlig eigene Struktur und theologische Begründung.
Johannes Paul II. gründet das Recht der Religionsfreiheit sowohl auf
die allein wahre Offenbarungsreligion als auch auf die Würde der menschlichen
Person. Das "Recht der Wahrheit" ist zugleich das "Recht der Person". In
der Enzyklika wird das Problem der Religionsfreiheit im Horizont der missionarischen
Haltung der ökumenischen Kirche zu den nichtchristlichen Religionen,
Völkern und Kulturen aufgeworfen (vgl. RH 12). Die theologische Beurteilung
des Verhältnisses der ökumenischen Kirche zu den Religionen erfolgt
vom Standpunkt der Erklärung Nostra Aetate. Demnach ist die missionarische
Haltung geprägt von der Hochschätzung der anderen Religionen,
in denen auch der Heilige Geist am Werke ist (vgl. auch RH 6,3).
Geschichte statt Wahrheit
Kommen wir nun zu den Ausschnitten aus dem HF-Buch. Der Leser wird regelrecht
bombardiert mit den "Erneuerungsforderungen" von HF. Wenn "Rom vor einer
Wende" steht, dann muss man sich zunächst fragen: Was war das Ziel
von Rom vor V2, und was soll das Ziel von Rom nach V2 sein? Eine ähnliche
Frage hatte bereits "Kaplan" André Müller
bei seiner Metapher aufgeworfen: "Die Kirche ist ein großes Schiff
und macht nun eine Wendung; weil die Kirche so groß ist, ist der
Wendekreis auch sehr groß." Das Ziel der "vorkonziliaren Kirche"
war der Himmel; welches Ziel hat also die "nachkonziliare Kirche"?
[HF 7] Unser 1962 erschienenes Buch "Katholizismus, Religion
von morgen?" [FN: H. Fesquet, Le catholicisme, religion de demain? (Paris
1962)] - im wesentlichen 1958 verfaßt, also noch bevor Johannes XXIII.
den überraschten Kardinälen seine Absicht anvertraute, ein Konzil
[FN: Ansprache vom 25. Januar 1959] einzuberufen - wies auf die Dringlichkeit
bestimmter Reformen hin und stellte einige Richtpunkte für eine Erneuerung
der römischen Kirche auf, nicht ohne dabei ein unerschütterliches
Vertrauen in die Zukunft des Katholizismus zum Ausdruck zu bringen.
[8f] Das Ingangbringen einer Reform - vor allem wenn sie zu lange aufgeschoben
wurde - vollzieht sich nicht reibungslos, nicht ohne einen Bruch, nicht
ohne Gefahr, ohne Stockungen, ja vielleicht nicht ohne Qualen. Das genaue
Maß der Erneuerung bleibt zu bestimmen. Wer vermag genau zu sagen,
wo das „Zuviel" und das „Zuwenig" liegt? Es genügt nicht, Dekrete
oder Konstitutionen zu promul-gieren, damit sich die Richtung durchsetzt.
Glückliche Ungewißheit des Keimenden . . . Wenn Reformen in
gewisser Hinsicht auch schmerzhaft sind, so sind sie noch mehr eine Quelle
der Freude. Ist es nicht erhebend, die Umrisse der Kirche von morgen allmählich
am Horizont hervortreten zu sehen? Gewiß, manchmal tritt das Unerwartete
ein, und man muß sich vor leichtfertigen Voraussagen hüten.
Doch das Recht, sich zu täuschen, gehört notwendig zum Fortschritt,
und der Spielraum der Freiheit - Voraussetzung allen Forschens - muß
groß sein. Im übrigen behält die Laune des Geistes immer
das letzte Wort. Niemals sind es die Funktionäre, sondern die Troubadoure
des Geistes, die in der Kirche Vorsprung haben. Die sprudelnden neuen Ideen
verwirren zuweilen den einen oder anderen. Diese sind mehr zu bedauern
als zu tadeln. Man muß alles tun, um unnötige Wunden zu vermeiden.
Es ist wohl wichtig, darauf zu achten, daß rückständige
Menschen unaufschiebbare Entwicklungen nicht in ungehöriger Weise
hemmen, doch muß ebenso vor Augen bleiben, daß die Kirche die
Kirche aller ist - oder vielmehr wird.
[10] Ist das Zweite Vatikanische Konzil das letzte Zucken einer im Verfall
befindlichen Religion oder vielmehr - wovon wir fest überzeugt sind
- ein großartiger Vorgang des Wiederaufrichtens? Bezeichnet das 20.
Jahrhundert den Beginn einer neuen religiösen Epoche der Menschheit,
insofern das Christentum dabei ist, gleichsam seine Mauserzeit durchzumachen
und - endlich! - die großen menschlichen Aufgaben aufzugreifen, nachdem
es allzu lange den Schimären des Idealismus und des bürgerlichen
Individualismus huldigte? Wird der Katholizismus nach dem Beispiel eines
Teilhard de Chardin die durch den Menschen als Ebenbild Gottes beschleunigte
Evolution in Auftrag nehmen?
[13] Die vorkonziliare Situation war absurd und lebensgefährlich:
die römische Kirche, die ein Sauerteig zu sein trachtet, schien in
empörender Weise zu schlafen und sich von der allgemeinen Entwicklung
nicht betroffen zu fühlen. Und der Gipfel an Ironie: es geschah sogar,
daß sie sich dieser Lethargie als einer Tugend rühmte. Unter
dem trügerischen Vorwand, Hüter immerwährender Wahrheiten
und Sachwalter eines heiligen Erbes zu sein, brüstete sich Rom seiner
Unbeweglichkeit, war stolz darauf, gegenüber der Veränderung
der Welt, die sie gern auf einen allgemeinen Verfall der Sitten und achtenswertester
Grundsätze zurückführte, eisern zu bleiben. Wie ein Leuchtturm,
der die verborgenen Strudel des Meeres hoch überragt, thronte die
Kirche unerreichbar und pharisäisch, verwechselte absolut mit Absolutismus,
Festigkeit mit Verkalkung, Unnachgiebigkeit mit Unverständnis, Bildung
mit Geschwätz, Gewißheit mit Vorurteil, Transzendenz mit Irrealismus,
Reform mit Verrat. So bot sich zumindest das offizielle Gesicht dar, das
die römischen Behörden der Kirche gaben, und die meistens nur
eingriffen, um zu verurteilen, Forschungen zu bremsen, weltliche Werte
herabzusetzen, Pioniere zu entmutigen. Die Furcht, der Obrigkeit zu mißfallen,
machte das Denken unfruchtbar, rief Heuchelei hervor, erstickte Initiativen.
Die Ungläubigen spotteten oder bedauerten uns bestenfalls.
Gemäß HF ist die "vorkonziliare" Religion "im Verfall befindlich".
Diese - nicht zuletzt angesichts der Verheißungen Christi - recht
kühne These wird zwar nirgends begründet, aber dafür umso
eifriger dem Leser eingehämmert. Das ist Propaganda, wie sie im Lehrbuch
steht. Für die "rückständigen Menschen" darf es zwar vielleicht
Mitleid, aber definitiv keine Gnade geben. Alles hat sich dem Ruf zum "Bruch",
zur "Erneuerung", zu "Reformen", zum "Wiederaufrichten" zu unterwerfen.
Wer noch an der katholischen Lehre festhalten möchte, dem werden kurzerhand
schlimmste Vorwürfen wie "Absolutismus", "Verkalkung" etc. gemacht.
Das ist das neue Gebot: Leistet V2 Gehorsam, wie Eichmann Hitler Gehorsam
geleistet hat. In diesem Eichmann-Gehorsam ist
für Wahrheit und Gerechtigkeit kein Platz mehr. Bzgl. Teilhard de
Chardin erinnern wir an die kleine Broschüre von Albert Drexel, Teilhard
de Chardin. Analyse einer Ideologie, Egg 1969, wo es einleitend heißt
(5-7):
In dem sieben Jahre nach dem Tode Teilhards, am 30. Juni
1962 erschienenen «Monitum» des Heiligen Offiziums lesen wir:
«Gewisse Werke des Paters Teilhard de Chardin, darunter auch posthume,
werden veröffentlicht und finden eine Anerkennung, die man nicht unbeachtet
lassen kann.» In den darauf folgenden Jahren, besonders seit dem
Abschluss des II. Vatikanischen Konzils, haben die Schriften Teilhards
in immer weiteren Kreisen bis in den Klerus, ja bis in geschlossene Klöster
von Frauenorden, Eingang gefunden. Dazu hat nicht zuletzt die zum grössten
Teil progressistische katholische Tagespresse beigetragen, von den Massenmedien
ganz abgesehen. [...] Der erste Grund dafür, dass besonders in der
katholischen Kirche so viele Kreise mit der Ideologie Teilhards sympathisieren,
ist seine Abwertung oder vielmehr Ablehnung der Uebernatur und damit der
Mysterien unseres Glaubens, der Wunder, der Gnade. Die Unverträglichkeit
seiner Hypothese der universalen Naturevolution mit der christlichen Lehre
und dem Glaubensgut der Kirche war Teilhard irgendwie bewusst, gesteht
er doch einmal: «Manchmal erschrecke ich ein wenig, wenn ich an die
Umformung (transposition) denke, der ich mein Denken unterziehen muss,
was die vulgären Begriffe 'Schöpfung', 'Inspiration', "Wunder',
'Erbsünde', 'Auferstehung' usw. betrifft, um sie annehmen zu können.»
Genau diese Werte und Begriffe werden von den Progressisten und Neomodernisten
des nachkonziliaren Katholizismus in Frage gestellt und bekämpft.
Der zweite Grund für die um sich greifende Sympathisierung mit dem
Teilhardismus ist Teilhards Ablehnung des Kreuzes und damit des fundamentalen
Mysteriums der Erlösung. Und will nicht der nachkonziliare Progressismus
innerhalb der Kirche Roms mit seiner Hinwendung zur Welt nicht mehr viel
wissen von der «Religion des Kreuzes»? [...] Der dritte Grund
dafür, dass heute so viele Menschen innerhalb des Christentums und
der Kirche der Ideologie Teilhards zuneigen oder anhangen, ist seine Abwertung
und Verwischung des Begriffes «Sünde». Für Teilhard
ist Sünde lediglich entweder ein geringerer Grad von Beitrag zum Evolutionsprozess
oder «Ausschussware». [...] Damit komme ich zu dem Hauptthema
des Teilhardismus, zu dem zentralen Wert und Begriff, von dem aus für
Teilhard alles zu beurteilen ist, um den sich ihm alle Probleme gruppieren.
Es ist der universale Evolutionismus des Seins und der Natur. Alpha und
Omega, Anfang und Abschluss des Prozesses der Entwicklung ist der «kosmische
Christus». Dieser Prozess führt schliesslich — nach Teilhard
— zur «Neuen Erde», zum «Vollkommenen Menschen»
und zum «Ewigen Frieden». Die Evolution ist für Teilhard
sein Eins und Alles, und von da aus begeistert er sich für die Welt
und die Materie. «Wenn ich infolge einer inneren Revolution meinen
Glauben an Christus verlieren würde, meinen Glauben an einen persönlichen
Gott, meinen Glauben an den Geist, dann — scheint es mir — würde ich
doch meinen Glauben an die Welt (den Wert, die Unfehlbarkeit und Gutheit
der Welt) behalten, das ist — endgültig — das erste und einzige Ding,
an das ich glaube.»
[Drexel zitiert auch aus einem Brief, den er von einer Teilhard-begeisterten
Ordensschwester erhalten hat, S. 35:] "Kennen Sie denn nicht auch das Wort
Papa Giovannis, des grossen und lieben Papstes, Teilhard werde nie indiziert,
wohl aber heiliggesprochen?"
Wenn also HF und überhaupt die V2-Sekte so Teilhard-begeistertert
sind, so eben wegen dieser Ideologie der permanenten (R)Evolution. Die
"Diskontinuität" gehört zu den elementaren Eigenschaften des
V2-Glaubens. In dem "kosmischen Christus" gibt es dann auch keine "dogmatische
Enge" oder "Starre" mehr, sondern nur noch einen "Glauben an die Welt",
die Selbstvergötterung des Menschen. Non serviam!
[HF 14f] Das Dogma von der Unfehlbarkeit des Lehramtes
des Papstes hatte beim gläubigen Volk eine abweichende Bedeutung erhalten,
ohne daß jemand daran Anstoß nahm. Es erfordert jedoch nicht
viel religiöse Bildung, um zu wissen, daß dieses Dogma auf eine
eigene Art einschränkend ist; es nimmt nämlich an, daß
der Papst bei allen Gelegenheiten einem Irrtum unterliegen kann (selbst
in Enzykliken), außer er definiert eine dogmatische oder sittliche
Wahrheit ex cathedra. Das geschieht ein- bis zweimal in hundert Jahren!
Diese von Katecheten mit unzureichender Bildung mehr oder weniger bewußt
unterstützten Abweichungen beriefen sich auf Klischees wie: Der Papst
ist gewissermaßen eine Inkarnation Gottes; die allwissende Kirche
hat die Autorität, über alles im Namen Gottes zu entscheiden.
Die einfachen Gläubigen haben nur passiv zu gehorchen; die Entwicklung
ist gefährlich; Pflicht eines bewußten Katholiken ist, sich
allem entgegenzustellen, dem ein Geruch von modernem Geist anhaftet; sich
eigene Gedanken machen, in der Tradition sichten, neue Traditionen vorschlagen
verträgt sich nicht mit dem Geist der Demut. In diesem Klima übernahm
Johannes XXIII. das oberste Hirtenamt, wurde das Konzil eröffnet.
Man kennt den weiteren Verlauf und weiß, wie einige mutige Bischöfe
- zunächst wenige, doch vom Papst unterstützt - den Bann der
Angst und des Konformismus brachen. Sie wurden bald von der Mehrheit der
Konzilsväter, die dem Verfall der Kirche ein Ende setzen wollten,
instinktiv eingeholt. Die von Mitgliedern der Kurie oder ihren willfährigen
Helfern vorbereiteten Konzilsschemata wurden unbekümmert zerrissen.
Die von einer Schar von Fachberatern - manche gestern noch verbannt oder
verdächtigt - getragene bischöfliche geistige Elite hat das Zweite
Vatikanische Konzil mehr und mehr belebt. Sie hat gegen die Non-Reformisten,
die unterwegs - doch vergebens - versuchten wieder die Zügel in die
Hand zu bekommen, Schritt für Schritt angekämpft. Johannes XXIII.
und dann Paul VI. haben - oft mit Diplomatie und immer mit Liebe für
den einzelnen - darüber gewacht, daß das aggiornamento als das
Ziel des Zweiten Vatikanischen Konzils zum Erfolg gelangte. Mit einem Schlag
tritt nun die Kirche - nicht immer bewußt - in den Bewegungs- und
Entwicklungsprozeß ein. Das Erwachen war jäh, die Veränderung
schroff, um so mehr, als es in Rom geschah, an derselben Stelle, wo die
Kurie bis dahin ihre Vorherrschaft ausübte, ohne auf jemand Rücksicht
zu nehmen.
[16f] Wenn der Begriff des aggiornamento solch einen Erfolg errang,
so nicht zufällig. An diesem befreienden Wort hing die ganze Hoffnung
der Konzilskirche. Erkennen, daß die Kirche heutigen Erfordernissen
angepaßt werden muß, hieß ipso facto zugeben, daß
sie im Rückstand war. Das bedeutete diskret, aber unzweideutig, einem
anderen Schlüsselwort, nämlich dem der Reform, das Bürgerrecht
zurückzugeben. Reform . . . dieses Wort roch nach Schwefel. Es beschwor
automatisch den immer gefürchteten Protestantismus herauf, gegen den
das Konzil von Trient seine Kräfte konzentriert hatte. Seit vier Jahrhunderten
lebte die Kirche in der Triebkraft der Gegenreformation; sie hatte sich
so sehr daran gewöhnt, daß die Leute nicht einmal daran dachten,
diese Situation könnte zu Ende gehen. Ich erinnere mich an eine eifrige,
intelligente junge Katholikin aus bürgerlichen Kreisen, die in einem
katholischen Institut höhere Schulbildung erhalten hatte und sich
bei dem Gedanken entrüstete, daß die römische Kirche gegenüber
dem Protestantismus andere Gefühle als Ablehnung hegen und daß
sie die negative und polemische Darstellung, die sie von ihm gab, einmal
ändern könnte. Für diese Christin - konnte sie etwas dafür?
Man hatte es ihr zu Hause und in der Schule beigebracht - war Luther lediglich
ein kleiner Mönch, sinnlich und hochmütig, der die ganze Verantwortung
für seinen Bruch mit Rom trug; die Protestanten waren zwangsläufig
schlechte Christen, da „sie weder an die Jungfrau Maria noch an den Papst
glaubten". Wie viele einfache Seelen wurden von Johannes XXIII. verwirrt,
als er "die getrennten Brüder" für die Fehler der Kirche um Vergebung
bat? (Wie viele andere aber waren erleichtert?)
[17-19] Untersuchen wir zunächst die geläufigste Position:
Die Lehre, sagt man, ist unveränderlich; die Grundsätze sind
ewig; nur bestimmte Anwendungen und bestimmte Gewohnheiten sind Gegenstand
einer Überprüfung. Diese Unterscheidung ist gewiß einfach.
Sie ist beruhigend, sie ist bequem. Ist sie aber richtig? Die Lehre ist
unveränderlich? Was bedeutet jedoch dieses Wort: Lehre? Die ganze
Geschichte der Kirche neigt dahin, Vorsicht zu zeigen. Zwei Jahrtausende
christlichen Denkens lassen erkennen, daß der dogmatische Bestand
wie ein Baum herangewachsen ist. Ein Gärtner würde lachen, wollte
man ihm sagen, daß seine Pflanzen unveränderlich sind, leben
doch seine ganze Sorge und sein Hoffen gerade von den Veränderungen,
die Wetter und Jahreszeiten bringen. Was geschieht anderes auf dem großen
Feld der Kirche ? Nicht nur das Ausmaß dieses Feldes verändert
sich fortwährend nach geglückter odermißglückterEvangelisation,
sondern der dogmatische Baum selbst wächst von Jahrhundert zu Jahrhundert.
In dem Maß, wie Häresien entstehen, diese "toll gewordenen Wahrheiten",
gestaltet sich das Dogma aus. Manche seiner bisher noch unbemerkt gebliebenen
Konsequenzen treten hervor. Die dogmatischen Wahrheiten entwickeln sich
organisch wie lebende Wesen. [...] Das Dogma ist Leben. Der Glaube ist
Leben. Die geistige Aneignung und Durchdringung der Glaubensgeheimnisse
wechselt von Jahrhundert zu Jahrhundert und ist je nach Alter und Bildung
eines Christen individuell verschieden. Das Zweite Vatikanische Konzil
hat das Geheimnis der Kirche, das Geheimnis des Priestertums, das Geheimnis
der irdischen Wirklichkeiten, das Geheimnis des Menschen, das Geheimnis
der Freiheit, das Geheimnis des Heils, das Geheimnis von Heiliger Schrift
und Überlieferung, das Geheimnis der Armut Gottes - um mit Leon Bloy
zu sprechen -, das Geheimnis der Gnade usw. neu erhellt. Wäre es nicht
so, wozu diente sonst ein Konzil? Einige Bischöfe - eine Handvoll
- verlangten unablässig, das Zweite Vatikanische Konzil solle sich
mit den Texten der früheren Enzykliken neu auseinandersetzen und sich
an das halten, was die Konzile bereits gelehrt hatten. Sie betrachteten
das Glaubensgut und die Lehre der Kirche als einen unantastbaren Schatz,
der aus Furcht, er könnte verderben, in einem Panzerschrank gehütet
wird. Die meisten Bischöfe haben sich jedoch solch einem Immobilismus
entgegengestellt, eingedenk der Gleichnisse von den Talenten und vom Licht
unter dem Scheffel [FN: Vgl. Mt. 25,14-21 und Lk. 11,33].
[20f] Das Zweite Vatikanische Konzil hat hoffentlich für immer
die schädliche Häresie des religiösen und philosophischen
starren Systems beseitigt, an dem die Katholiken der sogenannten „Elite",
die die Schriften Charles Maurras' dem Evangelium und die Action francaise
oder ihre Ersatzformen den großen Enzykliken der Gegenwart vorzogen,
gelitten haben. Sind diese selben Christen heute bereit, die Konzilsdokumente
zu akzeptieren und daraus den Originalbeitrag zu assimilieren, der ihren
Vorurteilen häufig widerspricht? Die richtig verstandene Entwicklung
hat für die Katholiken, die immer fürchten, ihren als unentbehrlich
angesehenen Bezugnahmen auf die Autorität würde dadurch der Boden
entzogen, dennoch nichts Beunruhigendes. Die Sünde der Christen unserer
Zeit besteht doch darin, die Stricke, an denen ihr mehr oder weniger kindlicher
Glaube hängt, ungebührend vermehrt zu haben. Sie ziehen nicht
in Betracht, daß der Glaube, der Freiheit ist, sie, genau genommen,
von den Idolen befreien müßte und sie dazu bringen sollte, sich
an die Spitze derer zu stellen, welche die Geschichte von morgen vorbereiten.
Katholisch ist mit konservativ gleichbedeutend geworden. Welch eine Verleumdung!
Diese Katholiken haben sich zur bedauerlichen Gewohnheit gemacht, gegen
alles zu sein, was Bewegung und Fortschritt ist. Weil sie politisch reaktionär
sind, bilden sie sich ein, bessere Christen als die Anhänger des Fortschritts
zu sein. Außerstande, neue Traditionen, wie sie das Evangelium hervorbringt,
zu schaffen, klammern sie sich an die alten, die sie kanonisieren; sie
denken, daß das, was sich bis dahin getan hat, grundsätzlich
besser ist als das, was gerade entsteht. Und wenn ihre Kirche sich endlich
zu regen und wieder lebendig zu werden beginnt, sind sie ratlos und denken
nur daran, den Klerus zu bitten, so wenig Änderungen wie möglich
vorzunehmen. In ihren Augen heißt entwickeln verraten! Doch was verraten?
Das ist die Frage! Lieb gewordene, Sicherheit schenkende Gewohnheiten oder
den Geist des Christentums ? Was für eine Aufregung verursachten doch
zehn lateinische liturgische Texte, die in lebendige Sprache übersetzt
wurden, damit alle Gläubigen sie verstehen! Welche Unruhe entstand,
als das Zweite Vatikanische Konzil auf den Gedanken kam, daß der
Antisemitismus in seinen Wurzeln ausgerottet werden muß. Welche Bestürzung
herrschte in Spanien nach der Promulgierung der Konzilserklärung über
die Religionsfreiheit!
[24] Spielen wir nicht mit Worten: nicht alles ist der Veränderung
und denselben Formen oder Schwankungen der Veränderung unterschiedslos
unterworfen. Die Veränderung ist kein Wert an sich, wie im übrigen
auch nicht die Unveränderlichkeit. Man darf sich weder dem einen noch
dem anderen verschreiben. Die Wahrheit liegt dialektisch zwischen diesen
beiden mehr einander ergänzenden als widersprechenden Begriffen. Der
Fortschritt setzt gewisse Veränderungen voraus und schließt
andere aus. Der Fortbestand bestimmter Werte ist Voraussetzung des Fortschritts.
Fortschritt, Fortschritt über alles! "Die Lehre ist unveränderlich?"
Ja, sagt das Dogma. Nein, sagt die V2-Sekte. "Das Dogma ist Leben. Der
Glaube ist Leben." Oder wiederum mit den Worten von Walter
Kasper: "Im Unterschied zu einem sonst weit verbreiteten Wahrheitsverständnis
ist die Wahrheit im Sinn der Bibel nicht einfach die Übereinstimmung
zwischen dem Denken und der Wirklichkeit (adaequatio rei et intellectus).
Die Wahrheit ist vielmehr ein Geschehen, in dessen Vollzug sich die ursprüngliche
Voraussetzung erst bewährt. Wahrheit kann man nicht festhalten, Wahrheit
stellt sich vielmehr heraus. Wahrheit und Geschichte gehören hier
unmittelbar zusammen." Erst durch diesen Abfall von der Wahrheit "beginnt"
die Kirche, "wieder lebendig zu werden". Solange Sie an der Wahrheit festhält,
muss sie folglich nach dem Urteil HFs eine "schlafende" oder gar "tote"
Kirche gewesen sein.
Die neuen Priester
[HF 32] Das Zweite Vatikanische Konzil wird das Entstehen
eines neuen Priestertypus ermöglichen. Das liegt auf der Hand, und
die Gläubigen werden es bald bemerken. Zur Beruhigung mancher sei
gesagt: Diese neuen Priester werden dasselbe Meßopfer feiern, dieselben
Sakramente spenden, dasselbe Glaubensbekenntnis lehren und dasselbe Brevier
beten. Dieselbe Messe, wenn sich auch ihre Länge, ihre Sprache, ihre
Gesänge, ihre Ordnung in einer Wandlung befinden. Dieselben Sakramente,
obwohl das Ritual verändert und ihre Spendung - endlich - mehr auf
die Erfordernisse ausgerichtet sein könnte. Dasselbe Credo, wenn auch
bestimmte Formulierungen nicht ewig sind und der Katechismus sich in Darstellung
und Inhalt fortentwickeln muß (um sich z. B. enger an das Evangelium
zu halten, um einen gewissen Formalismus zu überwinden, um den neuen
Aspekten der Gesellschaftsmoral oder des Ökumenismus besser zu entsprechen);
dasselbe Brevier, trotz der Erleichterungen des Betens und der in Gang
befindlichen Neugestaltung.
Jetzt haben wir also ganz konkrete Anhaltspunkte, wodurch sich laut
HF die neuen Priester auszeichnen werden. Überprüfen wir, ob
seine Prognosen stimmen:
1. "Priester": falsch, denn das sakramentale Priestertum ist in der
V2-Sekte abgeschafft (Verlust der Sukzession);
2. "dasselbe Messopfer": falsch, statt der hl. Messe gibt es den "Novus
Ordo", eine nicht-sakramentale Mahlfeier;
3. "dieselben Sakramente": falsch, s. z.B. die Beichte;
4. "dasselbe Glaubensbekenntnis": falsch, s. connis
Credo;
5. "dasselbe Brevier"; falsch, es gibt nur noch einen Teil des Psalters,
mit Rücksicht auf die "gewissen psychologischen
Schwierigkeiten", von denen die V2-"Priester" geprägt sind.
Also: Die Prognose von HF war zu 100% falsch. Dass sie falsch ist,
mag er gewusst haben, schließlich spricht er selbst von "Erleichterungen",
und manche V2-Sektierer von heute tun sich noch immer etwas schwer damit,
die Realität zuzugeben. Zudem schreibt HF dies ja "zur Beruhigung
mancher", d.h. vermutlich will er anderen nur eine Schlaftablette verpassen,
damit sie ja nicht auf die Idee kommen, ihren Verstand einzuschalten.
[HF 35f] Das Zweite Vatikanische Konzil hat bekanntlich
ein Dekret über die Seminarien promulgiert, das die Grundlinien der
in den Studienhäusern vorzunehmenden Reformen darlegt und den Bischofskonferenzen
eine wichtige Handlungsfreiheit läßt. Fast überall in der
Welt, vor allem in manchen europäischen Ländern, hatte man nicht
erst auf das Konzil gewartet, um hier ans Werk zu gehen. Es bleibt allerdings
noch viel zu tun: frischere Luft in die Seminarien, in denen man nicht
mehr den Kontakt zur Außenwelt verliert, weniger "klassische" und
mehr "moderne" Studien, Philosophiekurse, die besser in die Strömungen
heutigen Denkens einführen; eine mehr geschichtliche, mehr biblische
[FN: Ein junger französischer Bischof hat zugegeben, daß er
die Bibel erst in protestantischen Bibelkreisen, denen er durch ökumenische
Freundschaft verbunden war, wirklich verstanden hat.], mehr liturgische
Theologie; eine aufgeschlossenere Exegese; eine bessere Hinführung
zu den zu lange vernachlässigten Humanwissenschaften (Psychologie,
Pädagogik), die Möglichkeit, seelsorgliche Erfahrung zu sammeln,
auch in den Jahren des Studiums; geschmeidigere Bestimmungen, die der eigenen
oder der Teamarbeit usw. mehr Raum lassen.
Die "frischere Luft" in den Seminarien haben wir zur Genüge kennengelernt,
s. z.B. Chur. Wenn jemand, und sei es auch ein
Bischof, "zugibt", er habe "die Bibel erst in protestantischen Bibelkreisen
wirklich verstanden", stellt sich die Frage, ob er sie wirklich verstanden
hat. Nach wie vor sind die Protestanten eine Erklärung schuldig, warum
sie die Bibel als "Heilige Schrift" betrachten, wenn die Bibel doch ein
Buch
der Kirche ist.
[HF 40-42] Sieben Jahre, nachdem das Heilige Offizium
die Unvereinbarkeit von Handarbeit und Priestertum festgestellt hat, wurde
vom Zweiten Vatikanischen Konzil - das dem Beispiel des von Papst Paul
VI. ausdrücklich ermutigten französischen Episkopats folgte -
die Vereinbarkeit von Arbeiter- und Priesterstand bestätigt. Das Dekret
betont: "Unsere Zeit erfordert vielerlei Dienstleistungen und neue Anpassungen."
Es ist somit vorauszusehen, daß in den kommenden Jahren nicht nur
die Arbeiterpriester zunehmen werden, sondern auch die Priester, welche
verschiedene Berufe ausüben. Dank der Mission de France - die in Pontigny
eines der modernsten Priesterseminare besitzt - gibt es bereits Priester
als Straßen- oder Streckenwärter, als Briefträger, Chauffeure,
Handwerker, Angestellte [FN: Erzbischof Marty von Reims, Prälat der
Mission de France, war Präsident der Konzilskommission, die das Dekret
über Dienst und Leben der Priester ausarbeitete.]. Sie werden allerdings
noch als Grenzfälle, als Phänomene betrachtet, während doch
jeder diese Form als normal betrachten und wünschen sollte, daß
der Episkopat darauf eingeht, einen Teil seiner Priester verschiedenen
Berufsständen zuzuweisen. Die Intellektuellen haben das Anrecht, Priester
zu finden, die von innen her ihre Not und ihre Schwierigkeiten kennen;
ebenso die Arbeiter, die Bauern, die Angestellten usw. Es gibt nur die
Grenzen des gesunden Menschenverstandes und der Moral. "Das Problem der
Berufstätigkeit des Priesters", schreibt Abbe Marc Oraison, "ist zweifellos
von großer Wichtigkeit. Sollte der heutige Priester, um ganz Mensch
zu sein und somit ganz Priester sein zu können, nicht wie die anderen
Menschen einen Beruf haben, der ihn nicht recht und schlecht von Almosen,
sondern von eigenen Mitteln leben läßt." [FN: Aus einem interessanten
Heft der Jesuitenzeitschrift „Christus", das sich mit Fragen des Priestertums
befaßte (Oktober 1965).] Wir möchten eine Wette eingehen, daß
diese Ansicht in der Hierarchie der Kirche rasch Beachtung finden wird.
Die Lösung der Frage priesterlicher Berufstätigkeit wird nicht
das geringste Mittel zur Beseitigung des Mangels an Berufungen sein. Allzuoft
erwecken manche Priester bei den Gläubigen den Eindruck, unnütz,
völlig unbeholfen und unkundig zu sein, sich mit nicht zu lösenden
inneren oder sozialen Schwierigkeiten abzumühen; ihre Einsamkeit ist
manchmal erschreckend. Sie sind für junge Menschen kein Anreiz, wie
sie zu werden. Ergäbe sich nicht eine andere Situation, wenn der Priesteramtskandidat
wüßte, daß er sich in eine Arbeitsgemeinschaft wird einfügen
dürfen, deren geistliche Triebkraft er ganz natürlich sein könnte?
Es ist allerdings nicht einzusehen, warum nicht ein Schritt weiter gewagt
werden sollte. Braucht unsere Zeit nur Priester, die gegebenenfalls einen
Beruf ergreifen? Könnte die heutige Sicht nicht umgeworfen werden
oder, besser gesagt, sich mit einer anderen vervollständigen, die
zur Erneuerung des Priesterbildes beitragen könnte ? Warum sollte
die Kirche nicht der Ordination von Laien zustimmen, die schon längere
Zeit einen Beruf ausüben und den Beweis erbaulichen Verhaltens und
beruflicher Bewährung erbrachten? Wird dies nicht schon im Falle der
"Spätberufenen" praktiziert, mit dem wesentlichen Unterschied, daß
diese Priester nicht bloß gezwungen wären, ihren Beruf aufzugeben,
sondern dazu veranlaßt würden, ihn beizubehalten? Warum sollte
die Berufung zum Priestertum nur Jungen vorbehalten sein? Warum sollte
die Kirche nicht von der Erfahrung von Männern profitieren, die zum
Beispiel schon in der katholischen Laienbewegung mitgewirkt haben? Das
Konzil hat beschlossen, daß reife berufstätige Männer zu
Diakonen geweiht werden können. Ist das nicht ein erster Schritt?
"Könnte man nicht von Arbeiterpriestern, von Schlosser-Priestern,
Angestellten-Priestern sprechen?" schreibt M. Oraison weiter. "So wäre
der priesterliche Kerker aufgesprengt, und die Kirche würde ihr lebendiges
Gesicht zeigen. Diese gewaltige Arbeit, so hoffen wir, wird die der nächsten
Jahrzehnte sein." [FN: Ebd.] Der hier zugrunde liegende Gedanke ist, wie
man sieht, immer derselbe. Das Priestertum stellt nicht unabweislich einen
„Beruf" dar, der sich selbst genügt. In unserer modernen Gesellschaft,
die sich in einer geradezu schwindelerregenden Ausdehnung befindet und
in der sich eine immer reichere Skala beruflicher Tätigkeit herausbildet,
hat der Bereich des Religiösen seine zentrale Stellung verloren. Der
Priesterstand ist keine Kaste mehr. Die Christen ihrerseits sind in die
Minderheit gedrängt. Die Kirche hat nicht die gleiche soziale Geschlossenheit,
sie ist kein Staat im Staate mehr. Sie hat sich von bestimmten Strukturen
befreit. Sie hat nicht mehr denselben Einfluß auf die Gesamtheit.
Mit Ausnahme ein paar nachhinkender Länder ist die Entklerikalisierung
bewerkstelligt. Gottlob! Statt dessen ist die Kirche zerbrechlicher geworden;
sie versteht nicht mehr so gut, sich einzuschalten. Indem sie sich vergeistigen
wollte - was ein unveräußerliches Gut ist -, hat sie sich ihre
Leiblichkeit genommen, was ein Schaden ist. Die Menschen betrachten sie
als Fremde. Von daher rührt das Unbehagen des Klerus und jener Priester,
die solche Mühe haben, sich in die Gesellschaft einzugliedern und
mehr und mehr in der Wüste predigen. Die Notwendigkeit, die Frohbotschaft
zu verkünden, war noch nie so dringend, und die Aktionsmittel waren
noch nie so beschränkt. Es ist eine providentielle Chance, daß
die Kirche mit ihrer einstigen weltlichen Macht und ihrem früheren
Prestige abgewiesen wurde. Sie muß jedoch zu einer neuen, mehr innerlichen,
diskreteren, von schädlichen neoklerikalen Hintergedanken freien Gegenwart
in der Welt zurückfinden, nur danach trachtend, auszustrahlen, die
Frohbotschaft zu verbreiten, sie anzutragen, doch nicht aufzuzwingen, nur
durch das Beispiel ansteckend.
Die Berufstätigkeit des Priesters - eine schwierige Sache. Wir
sehen die Gefahr, dass der Respekt vor dem Priester Schaden leidet - und
diese Gefahr ist sicherlich der wichtigste Grund, weshalb manche V2-Sektierer
so erpicht sind, berufstätige Priester heranzuzüchten. Der Sinn
des Priestertums, die Würde des Priestertums ist den Menschen nicht
bewusst. Die Priester wissen selbst nicht, was sie mit sich anfangen sollen,
deswegen vergnügen sie sich z.B. mit Kindern,
hängen bei "Big Brother" herum, statt hl. Messe gibt es geselliges
Kaffeetrinken
etc.; "Entklerikalisierung" heißt das Zauberwort, und so verwundert
es nicht, wenn in der Escrivá-heilig-Manie
Volker
Hildebrandt die "Deformierungen der christlichen Botschaft bis hin
zum neuzeitlichen Klerikalismus" verurteilt.
[HF 50] Diese Diakone, die - wie das Zweite Vatikanische
Konzil festlegt -verheiratet sein können, dürfen, wenn sie einmal
geweiht sind, keine Ehe eingehen; nur 38% der Konzilsväter haben dieser
letzten Klausel zugestimmt. Die Einsetzung verheirateter Diakone stellt
in der Geschichte des Klerus der neueren Zeit eine entscheidende Wende
dar. Sie eröffnet eine Zwischenstufe zwischen Laie und Priester. Tatsächlich
ist mit dem Diakon, der aus in der Welt lebenden Menschen ausgewählt
wird, einen Beruf hat und möglicherweise Frau und Kinder, ein vollständig
neuer Typus von Kleriker im Entstehen begriffen; er ist dem gewöhnlichen
Laien sehr nahe und steht voll im normalen Leben. Auf diese Weise wird
der Unterschied zwischen Priestern und Laien verringert und die christliche
Gemeinschaft dadurch homogener.
[78f] Auf dem Gebiet des Apostolats hat das Zweite Vatikanische Konzil
eine vor kurzem noch unerwartete, sehr bedeutsame Entscheidung getroffen.
Sie ist der Beharrlichkeit einiger französischer Bischöfe zu
verdanken, die selber von nicht weiter bekannten Priestern gedrängt
wurden: Es handelt sich um die Wiederaufnahme des im Jahre 1959 durch das
Heilige Offizium unterbundenen Experiments der Arbeiterpriester. Papst
Paul VI. lag es persönlich daran, daß der französische
Episkopat seine Entscheidung während des Konzils offiziell bekanntgab,
damit sie die größtmögliche Tragweite erhalten sollte.
Dieser Umschwung des Vatikans ist bezeichnend. Hier mindestens ist ein
greifbarer Punkt, in dem Rom eine Wende vollzog. Nicht ohne fair-play,
denn die Kurie hat sich hinsichtlich ihrer personellen Zusammensetzung
in den letzten acht Jahren kaum verändert . . . Die Tür ist also
erneut für eine Methode des Arbeiter-apostolats geöffnet, die
gewiß delikate Probleme stellen wird und große Wachsamkeit
erfordert; gleichwohl ist sie eine wirklich missionarische Methode, das
heißt den Erfordernissen derer angepaßt, denen die Heilsbotschaft
verkündet werden soll. Man darf sich jedoch keinen Illusionen hingeben.
Nicht fünfzig oder hundert Arbeiterpriester werden zum Beispiel in
Frankreich die Arbeiterschicht zum Glauben zurückführen. Wenn
die Bischöfe die Arbeiterpriester weiterhin als Grenzfälle, als
eine Ausnahmelösung, als eine gefährliche Spezies, die man nicht
zu sehr verallgemeinern sollte, betrachten, wird sich nicht viel ergeben.
Große Übel bedürfen starker Heilmittel. Bei der Evangelisation
der Arbeitermassen müssen Taten und nicht Worte den Vorrang haben.
In diesem Bereich vor allem spielt sich die Zukunft der Kirche ab; hier
also muß sie durch ihre Diener und nicht nur die katholische Aktion
der Laien anwesend sein.
"Ein vollständig neuer Typus von Kleriker", "dem gewöhnlichen
Laien sehr nahe" - ergo Abschied von Hochwürden! Wir hingegen empfehlen
eine priesterliche Spiritualität, die auf der Offenbarung aufbaut
und etwa im Römischen Katechismus und in den
Schriften des hl. Alphons Maria von Liguori ihren Niederschlag gefunden
hat. Den Donatismus, der z.B. in der V2-Sekte herrscht,
lehnen wir allerdings ab.
Priestertum der Frau
[HF 113f] In der Urkirche gab es Diakonissinnen, die durch
ein feierliche Ordination geweiht waren [FN: Vgl. 1 Kor. 11,10]. Warum
sollte man den Frauen eines Tages nicht erlauben, die Reihe der künftigen,
vom Zweiten Vatikanischen Konzil gewollten Diakone zu vergrößern?
Und warum auf halbem Wege stehenbleiben? Pater Danielou ist der Ansicht,
daß Diakonissinnen sofort eingesetzt werden sollten, und er weist
jegliches theologische Argument, das einem weiblichen Priestertum den Weg
versperrt, zurück.
[115] Wenn die Frau übermorgen den Dienst des Priesters übernehmen
könnte, würde sie der Kirche ein ursprüngliches Gesicht
des Priesters aufzeigen [FN: Der Jesuitenpater Idigoras aus Peru, Doktor
der Theologie und Professor an der Theologischen Fakultät von Lima,
hat die These wiederholt vertreten; vgl. dazu "Informations Catholiques
Internationales, Nr. 204 245).]. Die geistliche Mutterschaft vermag dem
traditionellen Priestertum neue Horizonte zu eröffnen [FN: Ob die
Kirche den Frauen die theologischen Fakultäten verschließt oder
ihnen den Zugang zum Dienst in der Seelsorge öffnet, wenn das Wort
Gottes, seine ganze Liebe und sein ganzes Verständnis uns nie anders
als durch das Prisma des Empfindens männlicher Pastoren erreichen,
fehlt da der Verbreitung des Evangeliums nicht etwas von der Fülle,
der Weite und der Tiefe der Liebe Gottes? . . . Helfen uns unsere Beschränkungen
nicht, die Fähigkeiten der Gläubigen nicht zugrunde zu richten,
nicht allein zu herrschen, nicht zu regieren?" (Madame E. Kastler, a. a.
O.).]. Die Frau ist von Natur aus religiös. Zweifellos mehr als der
Mann [FN: "Die Frau ist das religiöse Geschlecht" (Pater Henry, Dominikaner).].
Warum sollte die Kirche sie nicht in den Priesterstand eingliedern? Man
wirft den Klerikern und Theologen vor, die Religion bald vermännlicht,
die dogmatischen Wahrheiten verhärtet, ein geistiges Ghetto geschaffen
zu haben, bald bestimmte Aspekte der Verehrung der seligen Jungfrau - durch
Kompensierung der Zölibatäre - ungebührlich auf das Gefühl
ausgerichtet und übertrieben zu haben. Die Frau in der Funktion des
Priesters, Theologen und Apostels würde diese Verschiebungen wieder
zurechtrücken. Der ganze Mensch - männlich und weiblich - ist
es, den Gott erschaffen hat und den Christus erlösen will... Mit welchem
Recht kann man der Hälfte des Menschengeschlechts den Zutritt zum
Altar untersagen? Als ob man nicht die Hilfe aller zur Beschleunigung der
Vergöttlichung der Menschheit brauchte.
Während die kirchliche Lehre bzgl. des Priestertums der Frau eindeutig
ablehnend ist, drängt die V2-Sekte massiv hin zum "Frauenpriestertum",
besonders deutlich vorangetrieben durch Wojtylas Schreiben "Ordinatio
sacerdotalis". Die "Vergöttlichung der Menschheit", von der V2-Sektierer
wie HF schwafeln, ist also nicht die Heiligung des Menschen, seine Vollendung
im Himmel, sondern eine pure Vergötzung des Menschen, die nicht nur
ohne, sondern ganz bewusst gegen Gott stattfindet.
Zwang zum Progressismus
Das Schlusswort überlassen wir HF:
[117] Das Konzil hat den "Non-Progressismus" beseitigt.
Ob man es beklagt oder begrüßt, es ist eine Tatsache, der man
sich ehrfürchtig beugen muß. Da Papst Paul VI. selbst den Ausdruck
"non-progressistisch" [FN: Interview mit der italienischen Tageszeitung
"Corriere della sera" vom 3. Oktober 1965.] verwendet hat, ziehen wir ihn
dem Begriff "integralistisch" vor, dessen Inhalt gleichbedeutend ist und
mit dem, mindestens in Frankreich, so viele unerfreuliche Erinnerungen
verbunden sind. Wir nennen jene Non-Progressisten, die sich systematisch
gegen jede von der Mehrheit des Konzils vorgeschlagene Neuerung wandten;
jene zum Beispiel, die von einer in der Volkssprache gefeierten Messe nichts
hören wollten; jene, die unter dem Vorwand der Achtung vor dem Papsttum
sich der Kollegialität und mehr noch den Bischofskonferenzen entgegenstellten;
jene, die sich über die Aussichten eines verheirateten Diakonats empörten;
jene, welche eine Zweckmäßigkeit des geringsten Schrittes zu
den nichtkatholischen Christen hin vereinten; jene, die den Gedanken, daß
die Kirche für ihre Kollektivfehler um Vergebung bitten könnte,
ablehnten; jene, die aus Prinzip das Schema 13 verwarfen, da sie meinten,
es gehöre nicht zu den Aufgaben eines Konzils, sich mit der Welt zu
befassen; jene, die behaupteten, daß die der Tradition zuwiderlaufende
Erklärung über die Religionsfreiheit dem Laizismus und Indifferentismus
[FN: Bei der Schlußabstimmung über den Text der Erklärung
als Ganzes am 19. November 1965 gab es 249 Nein-Stimmen. Diese Zahl verringerte
sich am Tage der Promulgation (7. Dezember 1965) auf 70.] Vorschub leisten
würde ...
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